Meterhohe Flammen, dichter Rauch und beißender Geruch in der Luft: Dieses Szenario bot sich Feuerwehr, Anwohnern und Passanten in der Nacht auf Donnerstag, 25. Juli 2024. Und noch weit darüber hinaus: Der Brand des Stadlerhauses war der längste Einsatz in der jüngeren Geschichte der Stadt Konstanz. Erst nach vier Tagen, 13 Stunden und 18 Minuten rückten die Wehren wieder ab. Im Einsatz waren Kräfte aus Konstanz, Singen, Radolfzell, Kreuzlingen und Amriswil.

(Archivfoto) Im hinteren Teil des Stadlerhauses wütetenden die Flammen besonders heftig.
(Archivfoto) Im hinteren Teil des Stadlerhauses wütetenden die Flammen besonders heftig. | Bild: Feuerwehr Konstanz

Zurück blieben verrußte Fensterhöhlen und verkohlte Balken, obdachlose Anwohner und die Sorge vor einem Einsturz des Gebäudes. Doch schon bald richtete sich der Blick in die Zukunft. Während erste Pläne geschmiedet wurden, wie das Stadlerhaus wieder aufgebaut werden kann, verrichtete jemand anderes eine wichtige Aufgabe.

Ralf Willenborg, Brandermittler des Instituts für Schadenverhütung und Schadenforschung am Standort Stuttgart, suchte nach dem Grund für dieses verheerende Feuer. Und das war gar nicht einfach, denn an den entscheidenden Stellen war das Haus sehr zerstört.

Wo brach das Feuer in der Zollernstraße aus?

Deshalb notierte er nach eingehender Untersuchung in seinem Schadensbericht recht unkonkret: „Zusammenfassend ist zu dem Ergebnis der Brandursachenuntersuchung zu sagen, dass das Feuer in einem der beiden unteren Geschosse im östlichen Teil des Anwesens entstand.“

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Und weiter: „Weder der konkrete Brandentstehungsbereich noch die Gestalt der Zündquelle ließen sich wegen der brandbedingten Zerstörung verifizieren. Im Zentrum der Betrachtung steht aber als Ursache des Brandes ein schadenkausaler elektrischer Primärdefekt im Installationsraum der Elektro-Unterverteilung im Untergeschoss des Zwischenbaus oder im Bereich der Zwischendecke.“

Ein technischer Defekt also – sehr wahrscheinlich zumindest. Dass ein Haus es den Ermittlern nicht leicht macht herauszufinden, warum es in Brand geriet, ist keine Seltenheit. „Wenn vieles vernichtet ist, braucht es richtige Detektivarbeit“, sagt Ina Schmiedeberg, Pressesprecherin des Instituts für Schadenverhütung und Schadenforschung mit Sitz in Kiel, das im Auftrag von Versicherungen unter anderem Brandursachen ermittelt.

Welche Hilfsmittel nutzen die Brand-Detektive?

Um dem Entstehen eines Feuers auf die Spur zu kommen, haben die Ermittler mehrere Ansätze. „Sie schauen unter anderem nach der am niedrigsten gelegenen Brandstelle in einem Haus“, erläutert die Pressesprecherin. „Denn Feuer breitet sich nach oben aus.“ So kann ermittelt werden, an welchem Ort der Brand ausbrach.

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„Experten erkennen darüber hinaus mit geübtem Blick unterschiedliche Farben. Ist irgendwo ein weißer Fleck erkennbar, war das Feuer dort am heißesten.“ Zur Unterstützung ihrer Arbeit haben Brandermittler einige Hilfsmittel dabei. Neben der persönlichen Schutzausrüstung führen sie einen Photoionisationsdetektor mit sich. Dieses Gerät kann Gase und andere Brandmittel aufspüren.

Um den Schaden möglichst gut dokumentieren zu können, haben Ralf Willenborg und seine Kollegen auch eine Kamera dabei. „Oft machen sie dreidimensionale Aufnahmen, damit der Raum im Nachhinein nochmals virtuell betreten werden kann“, sagt Ina Schmiedeberg. Auch Drohnen kommen in vielen Fällen zum Einsatz.

(Archivfoto) Nicht nur die Brandermittler setzen Drohnen ein, sondern auch die Drohneneinheit des Landkreises Konstanz machte Aufnahmen ...
(Archivfoto) Nicht nur die Brandermittler setzen Drohnen ein, sondern auch die Drohneneinheit des Landkreises Konstanz machte Aufnahmen von oben. Das Ausmaß des Schadens war aus der Luft besser erkennbar. | Bild: Feuerwehr Konstanz

Besteht der Verdacht auf Brandstiftung, nehmen die Brandermittler Proben. Teile von Elektrogeräten, die mutmaßlich für ein Feuer verantwortlich waren, werden ebenfalls mitgenommen und im institut-eigenen Labor untersucht. Trotz aller Anstrengungen kann die Brandursache aber nicht in jedem Fall herausgefunden werden. „Das ist bei sehr ausgeprägten Schäden schwierig. Manchmal zerstören die Löscharbeiten auch wichtige Spuren“, so Schmiedeberg.

Welche weiteren Aufgaben haben Brandermittler?

Die Brandermittler des Instituts für Schadenverhütung und Schadenforschung haben immer alle Hände voll zu tun. Oft sind sie Physiker, Chemiker wie Ralf Willenborg oder Elektroingenieure. Beauftragt werden sie oft von Versicherungen, denn diese zahlen einen Brandschaden nur, wenn geklärt ist, wer dafür verantwortlich ist. Aber auch Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizei sowie private Kunden nehmen das Wissen der Brandursachenermittler in Anspruch.

(Archivfoto) Zwei Tage nach dem Einsatzende, am Montag, 29. Juli 2024, zeugt ein verkohlter Dachstuhl vom Ausmaß des Feuers. Eine Weile ...
(Archivfoto) Zwei Tage nach dem Einsatzende, am Montag, 29. Juli 2024, zeugt ein verkohlter Dachstuhl vom Ausmaß des Feuers. Eine Weile ist unklar, ob der Giebel hält. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Darüber hinaus betreiben wir auch Schadenforschung, helfen bei der Aufklärung der Bevölkerung zu Brandursachen und arbeiten an Produktverbesserungen und an Regelwerken zur Schadenverhütung mit“, erklärt Ina Schmiedeberg. Derzeit seien Lithium-Ionen-Akkus ein großes Thema. „In den vergangenen Jahren sind sie für immer mehr Brände verantwortlich.“

Die Mischung aus Ermittlungsarbeit vor Ort und dem tiefergehenden Forschen im Labor gefalle vielen Kollegen sehr gut, sagt die Pressesprecherin und ergänzt lachend: „Das Schreiben der Berichte ist allerdings weniger beliebt.“

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Auch Ralf Willenborg, der im Konstanzer Stadlerhaus nach der Brandursache forschte, brauchte für seinen Bericht einige Monate. Nicht, weil er so lange in der Zollernstraße gearbeitet hätte – sondern weil er anschließend zu vielen weiteren Gebäuden landesweit gerufen wurde, die Opfer von Flammen wurden. „Ich kann jetzt nicht sprechen, ich stehe schon wieder im Ruß“, sagte er bei einem Telefonat mit dem SÜDKURIER. Da muss der Papierkram erstmal warten.