Herr Kaz, Herr Raddatz: Maske, Abstand, Händewaschen – halten sich die Schüler an Ihren Schulen an die Hygieneregeln?
Raddatz: Es läuft erstaunlich gut. Natürlich müssen manche Schüler hin und wieder ermahnt werden, die Maske über die Nase zu ziehen oder in der großen Pause im zugewiesenen Bereich zu bleiben – das sind aber Ausnahmen. Auch die Hygienevorgaben im Gang und in den Toiletten setzen die Schülerinnen und Schüler überwiegend gut um. In ganz seltenen Fällen müssen wir mehrfach ermahnen und geben dann einen Elternbrief mit, in dem wir die Erziehungsberechtigten um ein unterstützendes Gespräch mit ihrem Kind bitten.

Kaz: Im Wesentlichen treffen diese Schilderungen bei uns auch zu. Wir dürfen aber auch erleben, dass unsere Schüler, insbesondere die älteren, ein hohes Verantwortungsbewusstsein beweisen.
Finden Sie die aktuelle Entscheidung, die Schulen weiterhin komplett offen zu halten, richtig?
Kaz: Für den Bereich der Gymnasien hat sich das bewährt. Die gewünschte Qualität des Unterrichtens ist zurückgekehrt. Die Lehrerpersönlichkeit ist unersetzlich. Die Teilungen der Klassen im Sommer wurden zwar von der Gruppengröße her als Entlastung erlebt. Die meisten haben aber den Klassenverband vermisst. Ein Nebeneinander von Präsenz- und Fernunterricht im großen Stil ist außerdem eine enorme Belastung für Schüler und Lehrer. Trotz größter Anstrengungen von allen Seiten ist die Technik weder in den Elternhäusern noch in der Schule ausgereift genug dafür.

Raddatz: Ich persönlich würde einen rollierenden Hybridunterricht für die Schüler ab Klasse 7 vorziehen. Dann hätte an einem Tag immer nur die eine Hälfte Präsenzunterricht, die andere Hälfte wäre mit Aufgaben für diesen Tag für zu Hause versorgt. Am nächsten Tag wäre dann die andere Hälfte dran. Wir haben halt im Moment teilweise Klassen mit über 27 Schülern in relativ beengten Klassenzimmern. Mit Hybridunterricht könnten wir die Anzahl der Menschen im Gebäude und auf dem Pausenhof vermindern. Für die Klassen 5 und 6 sowie die Vorbereitungsklassen (VKL) würde ich allerdings auch beim durchgehenden Präsenzunterricht bleiben. Hier könnte der Fernunterricht aus unterschiedlichen Gründen ins Leere laufen.
Ließe sich Hybridunterricht momentan überhaupt umsetzen, technisch und personell?
Raddatz: Mittlerweile haben wir Schulen alle fundierte Konzepte, wie wir mit Fernlernen umgehen können; das Ganze trifft uns ja nicht mehr so unvorbereitet wie im März. Auch haben viele Schulen bereits Probetage oder Probesequenzen hinter sich, um ihre Konzepte zu testen. Wir sind also gerüstet und könnten loslegen. Verbesserungswürdig ist noch die Ausstattung mit Leihgeräten; da warten wir auf die Lieferungen.
Kaz: Aus meiner Sicht ist die Mischform von Präsenz- und Online-Unterricht für die Gleichbehandlung aller Schüler ungünstig. Nach wie vor sind zahlreiche Kinder aufgrund der fehlenden technischen Ausstattung zu Hause benachteiligt. Neben den technischen Voraussetzungen und Fertigkeiten ist hierfür zudem auch ein didaktisches Fundament erforderlich. Für die einzelnen Fächer muss noch ein großer Strauß an IT-gestützten Angeboten entwickelt werden. Die Angebote in der Lehrerfortbildung sind hierzu noch in den Anfängen. Das meiste muss in den Schulen selbst entwickelt werden. Aber alles gleichzeitig geht nicht.
Reicht denn das Personal für den Hybridunterricht aus?
Kaz: Grundsätzlich sind die Gymnasien solide versorgt, was die Lehrerzuweisungen angeht. Durch den Hybridunterricht entstehen aber Doppelstrukturen, da der Unterricht nur bedingt zeitgleich aus dem Klassenzimmer für alle Schüler erfolgen kann – auch für die zu Hause. Hier bräuchten wir weitere Mitarbeiter.
Sie weisen immer wieder auf den mangelhaften Schutz der Lehrer hin. Was fehlt noch an Ausstattung an den Schulen?
Kaz: Der Schutz der Lehrkräfte wurde von Anfang an zweitrangig behandelt. Wir haben schon im Sommer Plexiglasscheiben für Lehrkräfte gefordert. Wem ist damit gedient, wenn Lehrer reihenweise ausfallen? Zum Teil sind sie an einem Tag in 4 bis 5 Klassen mit je 30 Kindern und Jugendlichen.
Sehen Sie das Land in der Pflicht, hier nachzubessern?
Kaz: Der Schulträger, also die Stadt Konstanz, hat uns klar mitgeteilt, dass für die Schutzscheiben für Lehrkräfte der Schuletat nicht zur Verfügung steht. Hierfür sei das Land zuständig. Das kann man so sehen.
Muss man aber nicht?
Kaz: Hier möchte ich das so stehen lassen.
Raddatz: Was uns fehlt und von Lehrkräften immer wieder nachgefragt wird, sind FFP2-Masken für diejenigen, die das wünschen. Unsere jetzigen Schutzmasken, die das Land zur Verfügung stellt, bieten nur den Fremdschutz – mit FFP2 wäre auch ein Eigenschutz berücksichtigt. Die Schulen sind ansonsten ihren Wünschen entsprechend ausgerüstet, es sind Desinfektionsspender an den Eingangsbereichen vorhanden und die Reinigung funktioniert.
Dass sich viele Lehrer zu Beginn der Pandemie ins Homeoffice begaben, obwohl sie nicht zur Risikogruppe gehörten, kam in der Bevölkerung nicht gut an. Ist es gerechtfertigt, dass Lehrer mehr Schutz fordern, während Verkäufer, Pfleger und Ärzte nicht einfach nach Hause gehen können?
Kaz: Es ist niemandem damit gedient, wenn man verschiedene Berufsgruppen gegeneinander ausspielt. Ich denke, dass Lehrerinnen und Lehrer mit Vorliebe im Klassenzimmer stehen. Das sollte mit allen Mitteln durch Schutzmaßnahmen gesichert werden.
Raddatz: Wenn uns Ärzte bestätigen, dass bei einer Lehrkraft eine Schwangerschaft vorliegt oder im Falle einer Infektion mit einem schwerwiegenden Verlauf zu rechnen ist, so ist das aus Fürsorgegründen eine klare Sache: die Lehrkraft bleibt zu Hause. Sie hat ja deswegen nicht frei, sondern sie unterrichtet von zu Hause aus mit dem entsprechenden Videotool und bildet ihren bisherigen Stundenplan genau ab – was im Übrigen um ein Vielfaches aufwändiger und anstrengender ist als der Präsenzunterricht.
Wie ist Ihre momentane Gemütslage? Fühlen Sie sich an den Schulen durch die Vorkehrungen gut gerüstet oder ist Ihnen täglich unwohl?
Raddatz: Wir tun, was wir können, schützen Lehrkräfte und Schüler wo immer möglich und hoffen, dass wir alle miteinander gut durch diese schwierige Zeit kommen. Jeden Tag prüfen wir unsere Unterrichtssituationen und Besprechungen, ob wir die bestmöglich schützende Form gefunden haben und planen entsprechend um. Mehr können wir derzeit nicht tun.
Kaz: Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mehr Optimismus verbreite als ich von meinen Mitarbeitern erwarten darf. Wir freuen uns für jeden Tag, an dem wir alle zusammen sind.