Wie gelingt es, in Konstanz schneller, mehr und günstiger zu bauen? Das ist, so Marion Klose, die Leiterin des Amts für Stadtplanung und Umwelt, die zentrale soziale Frage in der Stadt. Und die gute Nachricht ist: Es gibt durchaus Ideen und Lösungsansätze, wie in Konstanz innerhalb kürzerer Zeit eine größere Anzahl von Wohnungen entstehen könnte, die sich nicht nur die ganz Vermögenden leisten können.
Das zeigt sich, als der SÜDKURIER am Donnerstag, 22. Februar, zum zweiten Mal zur „Lokalredaktion im Stadtgespräch – Der Mittagstreff im Theater“ eingeladen hatte. Auch in der zweiten Auflage der Gesprächsrunde kamen Bürger und Bürgerinnen zusammen, um mit Fachleuten und Führungskräften aus Verwaltung und Immobilienwirtschaft über offene Fragen zu reden und Lösungsvorschläge zu suchen. Sechs Ansätze kristallisierten sich besonders heraus – hier der Überblick.
Dank Förderung entstehen nicht nur Luxuswohnungen
Die Finanzierung von Bauprojekten sei kaum noch möglich, da das Bauen so teuer geworden sei, sagt Jens-Uwe Götsch, Geschäftsführer der Wobak. Dabei seien die hohen Zinsen noch problematischer als die stark gestiegenen Baukosten, wie auch die anderen Fachleute bestätigten. Ein Zuschuss des Landes für den sozialen Wohnungsbau könnte das abfedern. Doch der liegt aktuell bei 550 Millionen Euro im Jahr und damit nicht höher als vor 30 Jahren. Das Fördergeld sei immer früher im Jahr schon weg und könne nicht für dringend benötige Vorhaben eingesetzt werden: „Das Geld reicht einfach nicht mehr aus“, so Götsch.

Doch die Bauträger sind vorbeitet: Laut Götsch arbeitet die Planungsabteilung auf Hochtouren, und die Wobak könnte sofort richtig loslegen, wenn das Fördergeld da ist. Wenn die Konditionen stimmten, könnte auch heute noch preiswerter Wohnraum geschaffen werden, bestätigte auch Ralph Buser, Vorstandsvorsitzender des Spar- und Bauvereins Konstanz. Ohne Förderung, so die Experten, kostet die Miete im Neubau aber mindestens 15 Euro pro Quadratmeter und Monat – kalt und ohne Nebenkosten. So kommt Winfried Kropp vom Mieterbund auch zu der bitteren Diagnose: „In Konstanz wohnen sich Mieter und Mieterinnen arm.“
Wenn Nachbarn weniger Rechte haben, geht das Bauen schneller
Ein zweiter Ansatz wird beim SÜDKURIER-Stadtgespräch deutlich: Die rechtliche Einspruchsmacht der Nachbarn zu verringern oder zu erschweren, könne auch helfen, die geplanten Bauprojekte schneller umzusetzen. Das Problem sei, dass jeder Nachbar ohne großen Aufwand einen Einspruch gegen ein Bauprojekt einreichen könne und deswegen die weitere Planung oder sogar der Bau selbst pausiert werden müsse. Jens-Uwe Götsch hat dafür Beispiele: In der Jungerhalde dauerte es 17 Jahre bis ein Pflegeheim endlich eröffnet werden konnte. Und Ralph Buser berichtet von einem Einwand wegen einer angeblichen Verschattung, der Jahre gekostet habe.

Hinzu kommt: Oftmals verspäte ein solcher Einspruch nur den Bau, aber ändere nichts an der Planung. Auch Marion Klose und Winfried Kropp unterstützten diesen Ansatz grundsätzlich, betonten aber, dass Nachbarinteressen oft letztendlich den Wohnungsbau behindern. Winfried Kropp bringt es so auf den Punkt: „Privilegierte verhindern Projekte für nicht so Privilegierte.“ Konkreter Ansatz wäre, die rechtlichen Hürden für solche Einsprüche zu erhöhen. Oder gleich nur noch den komplizierteren Klageweg zuzulassen.
Weniger Egoismus und mehr Gemeinsinn würden helfen
Es bestehe auch ein Mangel an Solidarität für die Menschen, die in ein neues Haus einziehen wollen oder müssen. Oftmals beschwerten sich Menschen darüber, dass sie den Wohnraum nicht in ihrer Nachbarschaft wollen, nicht an dieser Stelle haben wollen, nicht in dieser Höhe oder Farbe, sagte Ralph Buser. Doch irgendwo müsse dieser neue Wohnraum hin. Es sei unbestreitbar, dass neuer Wohnraum dringend benötigt wird. Deswegen müsse die gesellschaftliche Solidarität größer werden, wenn es um Neubauten geht.

Das betonte auch Sylvia Machler vom Wohnprojekt Konstanz. Sie sagte: Wir könnten mit 96 Erwachsenen und 30 Kindern längst in gemeinsam und sparsam genutztem und nachhaltigem Wohnraum leben, wenn das Projekt am Horn nicht so lange verzögert worden wäre – unter anderem mit einer Petition beim Land.
Mit weniger Quadratmetern zufrieden sein
Eine Aufforderung einer der Bürgerinnen war es, den vorhandenen Wohnraum besser zu nutzen. Sie wies darauf hin, dass viele ältere Menschen alleine oder zu zweit in großen Wohnungen oder Häusern leben. Tatsächlich beansprucht in Deutschland jede Person 44 Quadratmeter für sich, so Iris Beuerle vom Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Das sei doppelt so viel wie vor 40 Jahren.

Eine Besucherin schlug vor, eine Lösung zu finden, um diesen Senioren den Umzug in kleinere Wohnungen oder betreutes Wohnen zu ermöglichen, ohne dass sich die Kosten erhöhen. Das würde es zum Beispiel der Wobak leichter machen, für die freigewordenen größeren Wohnungen junge Familie zu finden. Dazu sagt Jens-Uwe Götsch, die Wobak werbe schon für dafür, dass Senioren ihre großen Wohnungen gegen kleinere tauschen. Allerdings werde weder regelmäßig angefragt noch überprüft, wie viele Personen überhaupt noch in einer Wobak-Wohnung wohnen. Und die Bereitschaft gerade von Senioren, aus ihrer gewohnten Umgebung auszuziehen, sei tendenziell gering.
Bürokratie verringern und so die Kosten reduzieren
Vorschriften und Auflagen machen das Bauen zusätzlich teuer – und beim SÜDKURIER-Stadtgespräch wurde deutlich, in welchem Ausmaß. Im Europa-Durchschnitt seien behördliche Auflagen für 22 Prozent der Baukosten verantwortlich, so Iris Beuerle, in Deutschland seien es dagegen 37 Prozent. Wenn Vorschriften und Prozesse vereinfacht würden, könnte dies das Bauen ebenfalls günstiger machen, sagten auch die anderen Fachleute. Zu den Kostentreibern gehöre auch der Klimaschutz, so Mieterbunds-Vorsitzender Kropp.

Die Fläche besser ausnutzen und so günstiger bauen
Der Grundstückspreis hat einen erheblichen Einfluss auf die spätere Miete. Deshalb kam in der Runde immer wieder der Vorschlag auf, mehr in die Höhe zu bauen. Dazu sagte Lukas Esper, Projektleiter für das neue Stadtviertel Hafner, fünf bis sechs Geschosse seien optimal – da sind die Brandschutzauflagen noch nicht so hoch wie im Hochhaus, aber der Grund und Boden ist gut genutzt.

Hinzu kommt für Esper, dass die Stadt die Spekulation mit Grundstücken so weit wie möglich unterbinden solle. So werde auch der Hafner entwickelt, der mit 3000 Wohneinheiten in den nächsten Jahrzehnten eine erhebliche Entspannung bringe. Bauen dürften dort nur Akteure, die die Wohnungen behalten und nicht nach wenigen Jahren mit Gewinn weiterverkaufen.