„Ich habe immer wieder auf die Homepage des Theaters geschaut“, sagt Gisela Kusche, immer in der Hoffnung auf ein Signal, dass Theaterabende wieder möglich sind. Vor wenigen Tagen kam die Nachricht. „Ich habe mich total gefreut, als die Rundmail kam“, strahlt die Theater-Abonnentin.
Was das Stadttheater spielt, war ihr egal. Hauptsache, sie kann endlich einmal wieder ein Live-Erlebnis genießen, denn genau das hat ihr gefehlt. „Die Abende waren unstrukturiert“, stellt die Konstanzerin fest, „es war ja nichts los“.

Vor dem Lockdown zählten Besuche von Theateraufführungen, von Kino und Konzerten zu ihrer Freizeitbeschäftigung. „Ich liebe die Live-Sachen. Das spricht ganz anders an“, sagt Gisela Kusche. Immer nur daheim, arbeiten, lesen und fernsehen – das kann es auch nicht sein.
Groß war ihre Vorfreude auf die Premiere des Wiener Abends auf dem Konstanzer Münsterplatz. So hat sie den Samstagabend erlebt – nachdem der erste Anlauf am Freitag sprichwörtlich ins Wasser gefallen war.
Auftakt: Premiere fällt ins Wasser
„Naja, war ja abzusehen“, sagt Gisela Kusche wenig überrascht. Ihr tun Schauspieler Odo Jergitsch und Musiker Rudolf Hartmann leid, die auf diesen Freitagabend hingearbeitet hatten.

„Wie es denen jetzt wohl geht?“, fragt sich Gisela Kusche. „Sie haben es sicher nicht erwarten können, endlich wieder auftreten zu dürfen.“ Aber trotzdem ist sie enttäuscht. Sie wird versuchen, ihre Karten für den Samstagabend zu tauschen.
Samstag, 15.30 Uhr: Ohne Test kein Theater
Gisela Kusche kommt strahlend auf die stark besuchte Marktstätte, die umgetauschten Theaterkarten siegreich in der Hand. Ohne Test kein Theater. „Um 15.45 Uhr habe ich hier meinen Testtermin. War schon ziemlich ausgebucht“, berichtet sie.

Sie ahnt, dass einige Menschen wegen der Testpflicht auf einen Theaterbesuch verzichten, obwohl die Hürde nicht hoch ist. „Es geht alles ganz einfach und ist überhaupt nicht schlimm“, sagt sie. 15 Minuten später hat sie das erwartete Testergebnis: Negativ. Sie darf ins Theater.
19.40 Uhr: Nichts kann sie mehr aufhalten
Erwartungsfroh und eiligen Schrittes läuft Gisela Kusche mit ihrer Bekannten, Ilse Kretz, über den Münsterplatz geradewegs zum Einlass zur Open-Air-Bühne des Konstanzer Stadttheaters. Sie ist so zielstrebig und lässt sich von nichts aufhalten, außer von der Theatermitarbeiterin am Einlass, die erst noch das Testergebnis sehen und das Kontaktverfolgungsformular ausgefüllt haben will.

Das kurze Ausbremsen macht Gisela Kusche nichts aus. Trotzdem hat es die FGL-Gemeinderätin eilig, zu ihrem Platz auf der Tribüne zu gelangen, als könnte kurz vor knapp vor der Vorstellung doch noch irgend etwas dazwischenkommen.
20 Uhr: Es ist so weit
Der Gong ertönt. Die Gespräche verebben. Gisela Kusche blickt zur Freilichtbühne. Sie sitzt aufrecht da und verfolgt gespannt, wie Odo Jergitsch und Rudolf Hartmann vor das Publikum treten. Nichts kann Gisela Kusche ablenken.

Während Odo Jergitsch humoreske, pointierte Kaffeehaus-Literatur bekannter Autoren, darunter Peter Altenberg, Karl Kraus und Kurt Tucholsky, liest, scheint sie jedes Wort in sich aufzusaugen. Gisela Kusche genießt, kichert und zuweilen lacht sie laut, sodass der Stuhl wippt. Mit Zwischenapplaus dankt sie, wie alle anderen Zuschauer, für diese Momente.

21.10 Uhr: Das Theater ist aus – es lebe das Theater!
Nach 70 Minuten gipfelt der Abend in begeistertem Schlussapplaus und Fußgetrampel. Gisela Kusche macht kräftig mit und erwirkt mit den anderen immerhin eine Zugabe. Der Theaterabend geht zu Ende.

Eilig hat es Gisela Kusche anschließend nicht. Im Gegenteil. Schließlich ist es eine gefühlte Ewigkeit her, als sie das letzte Mal einen solchen Abend erleben durfte. Bereits jetzt plant sie schon den nächsten Theaterbesuch: „Am Samstag gehe ich zu ‚Revolution‘. Und Karten für Shakespeare hab‘ ich auch schon“, sagt sie. Endlich ist die Kultur wieder zurück.