Bei seiner Einschätzung der Wirtschaftslage sagte Claudius Marx, die Stadt der Zukunft sei autofrei. Doch der Abbau von Stellplätzen in der Innenstadt dürfe nicht in Angriff genommen werden, bevor Alternativen für den autofahrenden Kunden geschaffen wurden. Dies sei besonders wichtig in einer Lage, in der der Einzelhandel durch die Zwangsschließungen leide.

Aktuell sei die „maximale Willkommenskultur und Kundenaffinität“ angebracht. Es gehe darum, den Kunden nicht abzuschrecken. „Wir wollen das Auto nicht in der Stadt haben, aber den Fahrer.“ Marx sprach sich dafür aus, verkehrspolitische Änderungen erst einmal zurückzustellen. „Es gibt andere Prioritäten.“

„Die Geschäfte der Innenstadt sind das Herz unserer Stadt“

Auch Eric Thiel, Geschäftsführer des Teams Marketing und Tourismus in Konstanz, sagte: „Die Frequenz in der Innenstadt muss erhalten bleiben.“ Er fügte an: „Die Geschäfte der Innenstadt sind das Herz unserer Stadt.“

Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) sprach sich dafür aus, die Innenstadt erst einmal wieder hochzufahren, bevor man sie weiter entwickle. Schritt für Schritt wolle man sich dann behutsam dem Ziel der autofreien Innenstadt nähern. Es gehe ums Überleben der Innenstadt. Keiner wisse, ob die Menschen das Bedürfnis haben, den Konsum nachzuholen. „Die Sparquote ist sehr hoch momentan.“

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Der CDU-Stadtrat Roger Tscheulin plädierte ebenfalls dafür, mit den Abbau von Parkplätzen erst zu beginnen, wenn man vor der Stadt Alternativen dafür habe. Zudem müsse bei den Debatten über den Haushalt die Bedeutung des Einzelhandels berücksichtigt werden.

CDU-Kollege Wolfgang Müller-Fehrenbach wurde deutlicher: Er stehe allen Steuererhöhungen, auch beim Gewerbe, die die Konjunktur wieder abwürgen könnte, kritisch gegenüber. Auch Dorothee Jacobs-Krahnen, Stadträtin der Freien Grünen Liste, zeigte sich besorgt, wie die Innenstadt nach der Pandemie aussehen werde.

Zum Shoppen nach Konstanz oder doch nach Singen?

FDP-Stadtrat Achim Schächtle will keine Hürden für die Kunden, die nach Konstanz kommen wollen. Für ihn gibt es kein Klimaargument, den Autofahrer von der Innenstadt abzuhalten. Ob dieser nun nach Konstanz oder Singen fahre, spiele beim Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid keine Rolle.

Auf dem Stephansplatz sind in der derzeitigen Situation schnell freie Plätze zu finden.
Auf dem Stephansplatz sind in der derzeitigen Situation schnell freie Plätze zu finden. | Bild: Marcel Jud

Matthias Schäfer, Stadtrat des Jungen Forums, machte auf die Möglichkeiten aufmerksam, die der Abbau von Parkraum mit sich bringe. Plätze in der Altstadt nur zum Abstellen eines Fahrzeugs zu nutzen, betrachtet er als Verschwendung. Es sei viel sinnvoller, diese für die Gastronomie, den Handel oder die Freizeit zu nutzen.

Mit Blick auf die Pandemie sagte er: „Die autoarme Innenstadt war vorher richtig und ist es noch heute.“ Sie sei es, die die Konjunktur belebe. Auf den Autoverkehr zu setzen, rette die Innenstadt und die Geschäfte dort auch nicht, so der Stadtrat des Jungen Forums.

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Günter Beyer-Köhler, Stadtrat der Freien Grünen Liste, plädierte dafür, Raum in der Innenstadt nicht nur für die Gastronomie und den Handel freizuhalten. Auch die Menschen, die dort lebten, benötigten Platz. Er geht davon aus, dass die Zeit vorbei ist, in der Kunden mit dem Auto vor das Geschäft fahren, und den Kofferraum füllen konnten.

Mit Blick auf die fortschreitende Erderwärmung erklärte er: Die Klimaziele und die Einsparung von Klimagases CO2 seien nach wie vor notwendig fürs Überleben. „Wir haben keine Möglichkeit, da etwas zurückzudrehen.“ Weitgehender Konsens über die Parteien und die Verbände hinweg besteht darin, dass Regelungen zur Sondernutzung des öffentlichen Raums durch die Gastronomie erst einmal beibehalten werden.

Das Hin und Her mit dem Öffnen und Schließen

Momentan sei nicht klar, wie sich die Lage für die Wirtschaft in Konstanz in der Pandemie durch das Corona-Virus entwickle, stellte Claudius Marx für die IHK fest. Es könne sich durchaus auch zum Guten wenden. Aktuell seien Betriebe ganz unterschiedlich betroffen.

Das verarbeitende Gewerbe mit eigenen Konzepten zum Schutz vor dem Coronavirus komme gut durch die Krise. Alle, die den direkten Kontakt zum Kunden pflegten, hätten aber derzeit große Probleme, also vor allem der Handel und die Dienstleistungen. Besonders schädlich seien die Ungewissheit und das ständige Hin und Her mit dem Öffnen und Schließen.

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Die Hilfen des Staats schätzt Marx aus umfassend und gut ein, auch wenn es teilweise noch Verzögerungen bei der Auszahlung gebe. Marx plädierte dafür, jetzt die Zeit zu nutzen, um Mängel auszugleichen, etwa bei der Online-Ausrichtung des Einzelhandels. Das sei ein Trend, der sich nicht aufhalten lasse.

Nur 51 von 400 Geschäften bieten Click and Collect an

Rund 400 Geschäfte hat es nach Angaben von Eric Thiel, Geschäftsführer des Teams Marketing und Tourismus, in der Konstanzer Innenstadt, aber nur 51 böten die Möglichkeit an, im Internet Waren zu bestellen und im Laden abzuholen – Click and Collect genannt.

Der Wirtschaftsförderer Friedhelm Schaal betrachtet es als wichtiges psychologisches Mittel, auch online präsent zu sein, auch wenn das Angebot finanziell derzeit noch keine maßgebliche Rolle spiele.

Susanne Heiß, Stadträtin der Freien Wähler zeigte sich irritiert, dass es so wenige Online-Angebote in Konstanz gibt. Sie würde sich wünschen, dass die Geschäfte ihre Auslagen mit den Waren voll packen, die sie auch digital anbieten. „Ich weiß gar nicht, was im Laden vorhanden ist.“

„Vermieter, die nicht begriffen haben, was die Stunde geschlagen hat“

Mehrfach tauchte in der Sitzung die Frage auf, ob Vermieter oder Verpächter den Geschäftstreibenden mit Preisnachlässen entgegenkommen. Wirtschaftsförderer Friedhelm Schaal sagte dazu, manche Immobilienbesitzer machten dies, andere aber hätten die Preise sogar erhöht. „Es gibt Vermieter, die nicht begriffen haben, was die Stunde geschlagen hat.“

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