Fast 20 Jahre lang war es gängige Praxis, dass Roland Ballier bei Unfällen und anderen medizinischen Notfällen im Landkreis gerufen wurde; immer dann, wenn der eigentlich zuständige Notarzt bereits gebunden war. Hierfür hat er sein Privatfahrzeug passend und auf eigene Kosten selbst ausgerüstet. Seit vergangenem Jahr wird ihm der Betrieb seines Autos als Notarztfahrzeug jedoch nicht mehr gestattet – mit allen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen bei einem eventuellen Unfall, etwa wegen überhöhter Geschwindigkeit.
Diese Entscheidung trifft Roland Ballier hart. Die Kfz-Zulassungsstelle des Landratsamts hätte ihm die Genehmigung gerne erteilt. Diese ist allerdings an die bestehenden Vorschriften gebunden und sah keine Möglichkeit für eine Ausnahmegenehmigung, wie der Notarzt berichtet.
Schließlich schrieb Ballier direkt an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, verknüpft mit dem Hinweis auf den von ihm geforderten Bürokratieabbau. Dessen Staatsministerium reagierte: Das Anliegen sei an das zuständige Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen weitergeleitet worden.
Nun bekam Roland Ballier von dort eine Antwort im Umfang zweier Textseiten, die auch mit dem Verkehrsministerium abgestimmt war. Sie allerdings brachte keine neuen Erkenntnisse, geschweige denn ein Einlenken. Und so ist bei Roland Ballier die Stimmung in den zurückliegenden Monaten von einem amüsierten Kopfschütteln zu einem tiefen Frust gesunken.
Mehr als 7000 Notarzteinsätze ist Ballier nach eigenen Angaben im Landkreis Tuttlingen und ab 2004 im Landkreis Konstanz sowie im Thurgau gefahren, wo er seine Arztpraxis hatte. Im Bereichsplan für den Rettungsdienst im Landkreis war er offiziell als Reserve erwähnt.

Darüber hinaus hat Ballier die Qualifikation als Leitender Notarzt. Er kann damit die Funktion eines Einsatzleiters im medizinischen Bereich der Notfallrettung übernehmen. Dieser hat alle medizinischen Maßnahmen am Schadensort zu leiten, zu koordinieren und zu überwachen. Im Einsatz ist er dann so etwas wie der Chef aller Ärzte am Platz.
Damit er diese Aufgaben übernehmen kann, hat er sich entsprechend weitergebildet und sein Privatauto selbst ausgerüstet mit medizinischen Geräten und Medikamenten, Sondersignalanlage, Sprechfunk und was es sonst noch für einen reibungslosen Betrieb braucht. Seine Tätigkeiten habe er überwiegend ehrenamtlich ausgeführt, so Ballier.
Die ablehnende Haltung gründet das Innenministerium auf die Straßenverkehrszulassungs-Ordnung (StVZO). Es moniert zum einen, dass Balliers Auto als Privatfahrzeug und nicht für einen anerkannten Rettungsdienst oder anerkanntes Unternehmen zugelassen sei. Zum anderen wird ihm zum Verhängnis, dass es von außen nicht als Fahrzeug des Rettungsdienstes erkennbar sei.
Mit dieser Vorgabe soll „die Erhaltung der Akzeptanz von Fahrzeugen mit Sondersignal, die im Wesentlichen auf dem Signalbild der dienstlichen Einsatzfahrzeuge berechtigter Institutionen beruht“, gewährleistet werden, so das Ministerium.
Patienten brauchen „schnelle, qualifizierte Hilfe“
„Einem lebensbedrohlich verunfallten oder erkrankten Patienten ist es völlig egal, welche Farbe ein Notarzteinsatzfahrzeug hat und ob ein eindeutiges Signalbild vorliegt – er braucht schnelle, qualifizierte Hilfe“, sagt dagegen Roland Ballier und schrieb dies auch so an den Ministerpräsidenten.
Eine Ausnahmeregelung nach Paragraf 70 der StVZO verweigert das Innenministerium mit Verweis auf den Rettungsdienstplan, wonach selbstfahrende Notärzte in eine Regelversorgung zu überführen seien. Ballier sagt dem SÜDKURIER, dass dies wegen der Knappheit an Rettungsdienstpersonal gar nicht so einfach umzusetzen sei.
Außerdem würden die verlangten Hilfsfristen im Landkreis seit Jahren nicht oder nur knapp eingehalten. Aus Erfahrung wisse er, dass gerade auf dem Bodanrück, aber auch im Umland seine frühe Hilfe oft gefordert war. Da klingt ihm der letzte Satz des Schreibens wie Hohn: „Sie können dazu reguläre Dienste als Notarzt von einem Standort aus übernehmen.“
Als Standort ist in diesem Fall ein Klinikum gemeint. So wie er seinen Dienst bisher versehen habe, hätten die Kostenträger seine Bereitschaftszeit nicht bezahlen müssen, betont Ballier. Wenn er den Regeldienst eines Notarztes übernehmen würde, wäre seiner Ansicht nach nichts gewonnen.
Was sagen die Retter im Landkreis Konstanz dazu?
Macht sich das Fehlen des Reservenotarztes bemerkbar, und wie könnte eine mögliche Lösung aussehen? Wie lief die bisherige Zusammenarbeit? Die Malteser Bodensee verweisen auf diese Anfrage hin auf den Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes beziehungsweise an dessen Rettungsdienst gGmbH. Das DRK ist im Landkreis federführend im Rettungsdienst und wird bei der Aufgabenerfüllung von anderen Hilfsorganisationen unterstützt.
In seiner Antwort erläutert der stellvertretende DRK-Kreisgeschäftsführer, José da Silva, ebenso wie das Innenministerium die Rechtslage. „Herr Dr. Ballier kann selbstverständlich am bestehenden Notarzt-System im Landkreis Konstanz teilnehmen. Hierfür sind die Ansprechpartner der Kliniken Konstanz, Singen und Stockach zuständig“, schreibt er weiter.
Er betont die Zuständigkeit des Bereichsausschusses und verspricht eine Weiterleitung der Fragen an die stimmberechtigten Mitglieder. Die Anfrage an das Innenministerium ergaben im Wesentlichen die gleichen Antworten, wie sie Ballier bereits kannte. Demnach sieht es keinen Spielraum für eine Ausnahmegenehmigung.