Kleinvieh macht auch Mist. Unter diesem Motto haben Stadtverwaltung und Gemeinderat munter hier und da gekürzt. Das gilt auch für die finanzielle Förderung der zahlreichen Konstanzer Vereine, in denen sich tausende Konstanzer ehrenamtlich engagieren. „Ein Vereinssterben ist nicht ausgeschlossen“, mahnt Mathias Trempa, Bezirksvorstand des Blasmusikverbands Hegau-Bodensee, der die Sorgen und Nöte der Vereine jedweder Ausrichtung gleichermaßen kennt oder zumindest erahnt.

Das Konstanzer Streichkonzert

„Das Streichorchester ist in Konstanz unterwegs. Die Kürzungen sind vom Gemeinderat schon abgesegnet“, formuliert Mathias Trempa, der zwar keinem Streich-, sondern einem Blasmusikorchester angehört und als Bezirksvorstand für viele Musikvereine eintritt. „Früher hat man 250 Euro für einen Auftritt in der Konzertmuschel von der Stadt bekommen, die zudem als Veranstalterin die Gema-Gebühren übernommen hat. Gestrichen! Vereinsförderung im Kulturbereich um 10 Prozent gekürzt. Mietkostenzuschuss von 90 auf 85 Prozent gesenkt“, gibt Trempa drei Beispiele und stellt fest: „Ich kann jeden einzelnen Punkt nachvollziehen, aber in Summe ist es für jeden Verein doch ein Riesenbetrag, der fehlt.“

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„In guten Jahren, wäre das kein Problem, aber nach zwei Jahren Pandemie“, seufzt Mathias Trempa. Die Vereine konnten kein Geld durch Konzerte oder Feste verdienen und haben gespart, wo es nur ging. „Die meisten Dirigenten haben sogar auf ihr Gehalt verzichtet“, berichtet er. „Die Vereine haben keine Reserven mehr. Rücklagen sind aufgebraucht, um die laufenden Kosten zu decken. Und dann gibt es auch noch zweckgebundene Rücklagen, die beispielsweise für eine Konzertreise bestimmt sind; die dürfen nicht angetastet werden.“ Manch ein Verein müsse sogar auch noch Corona-Soforthilfen zurückzahlen, was eine weitere große finanzielle Belastung ist.

Energiekostenexplosion: Ein harter Schlag ins Kontor

Der Sparkurs der Stadt komme zum falschen Zeitpunkt, nicht nur wegen der Folgen der Pandemiejahre. Noch schwerer wiege die exorbitante Energiekostensteigerung. „Ich kenne keinen Verein, der in einem Minenergie-Haus sitzt, sondern in alten Hütten, wo man zum Dach hinaus heizt“, formuliert Mathias Trempa.

Die Musikvereine Wollmatingen und Allmannsdorf haben ihre Proberäume in alten Rathäusern, Eintracht Peterhausen in einem alten Zweckbau. „Der Musikverein Wollmatingen hatte bislang Energiekosten von 4620 Euro pro Jahr. Das werden künftig knapp 14.000 Euro“, berichtet Trempa aus dem Verein, dem er selbst angehört.

Gewichtheber trainieren in der Kälte

Heizen müssen die Vereine. „Wir können nicht bei zehn Grad proben“, sagt Mathias Trempa und schüttelt den Kopf. „Wir müssen die Räume wegen des Unterrichts die ganze Woche heizen.“ Auf das Heizen dagegen verzichtet der Athletikclub Konstanz bereits fast ganz, um zu sparen, wie die Vorsitzende Cosima Cornelius dem SÜDKURIER erzählt. Es werde nur so viel geheizt, damit die Halle frostsicher sei. Die Gewichtheber trainieren also in der Kälte. Warum? „Wir bekommen keinerlei Zuschüsse von der Stadt, auch keinen Mietkostenzuschuss“, so Cornelius.

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Früher hatte sich der 2015 gegründete Club, der heute mehr als 70 Vereinsmitglieder zählt – darunter mehr als 30 Prozent Kinder und Jugendliche – stundenweise bei einem Fitness-Studio eingemietet. „Ohne richtigen Mietvertrag gibt es aber keinen Zuschuss seitens der Stadt“, berichtet Cosima Cornelius. Als das Fitness-Studio schloss, stand der Athletikclub auf der Straße und konnte interimsweise im Bodensee-Stadion trainieren. Seit August 2022 haben sie Flächen bei Greenbox angemietet, die Teilflächen in einer Lagerhalle im Industriegebiet – unter anderem an Sportvereine – vermietet.

Ihre Zukunft ist ungewiss

Jetzt könnten sich die Athetikclub-Mitglieder eigentlich freuen, dass sie endlich ein Domizil haben. Aber nur eigentlich, denn: „Wir sind in einem Henne-Ei Problem gefangen“, stellt Cosmima Cornelius fest. „Um Mietzuschüsse von der Stadt Konstanz zu erhalten, müssen wir einen unterschriebenen langfristigen Mietvertrag vorlegen, ohne zu wissen, ob dieser gefördert wird.“

Aufgrund der Haushaltskonsolidierung „konnten wir keinen Antrag auf Mietzuschuss in der Sitzung am 16. November stellen, da der Haupt- und Finanzausschuss beschlossen hatte, keine neuen Anträge anzunehmen“, erzählt sie. Erst in der Sitzung im März 2023 würde über derartige Anträge beschieden. Und dann würde alles erst einmal dem Regierungspräsidium Freiburg vorgelegt.

„Bis dahin müssen wir alle Kosten selbst tragen“, stellt Cosima Cornelius fest. Die Miete betrage 3000 Euro im Monat. Investieren mussten die Gewichtheber ebenfalls, um ihren Teil der Halle entsprechend nutzbar zu machen. Ob im April 2023 der Verein dann auch tatsächlich mit einem Mietzuschuss bedacht werde, sei auch noch fraglich. Aber: „Ohne Mietzuschüsse können wir als Verein nicht überleben“, sagt Cosima Cornelius, weshalb der Athletikclub zwischenzeitlich einen Spendenaufruf gestartet hat.

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Mathias Trempa ist in Anbetracht der Lage bang um die Zukunft der vielen Vereine. „Die Gefahr besteht, dass sie verloren gehen. Vereine, die sich um Integration, um Menschen mit Behinderungen, um betagte Menschen kümmern, Sport- und Kulturvereine“, schildert Trempa exemplarisch. „Die Vereine haben einen sozialen Auftrag. Man braucht uns definitiv.“ Dass eine Stadt das ehrenamtliche Engagement so schwer und vielleicht sogar unmöglich mache, können die Vereinsvertreter nicht nachvollziehen.