Kurz vor knapp können Piloten, Tower-Mitarbeiter und Uni-Wissenschaftler erstmal aufatmen: Die Stadt hat den Pachtvertrag mit der Flughafengesellschaft Konstanz Ende November um ein Jahr verlängert – und damit kurz vor dessen Auslaufen zum Jahresende.
Eine längerfristige Perspektive bietet dies nicht. Doch bevor eine endgültige Entscheidung über Wohl oder Wehe des Flugplatzes getroffen werden kann, müssen noch juristische Fragen geklärt werden.
Wer darf über die Fläche entscheiden?
Im Kern geht es um die Frage, wer das Sagen über die letzte große freie Fläche in der Stadt hat. Und welche rechtlichen Möglichkeiten die Stadt als Grundstückseigentümerin hat, wenn sie den Pachtvertrag mit der Flughafengesellschaft nicht verlängert.
So einfach ist das Schließen des Platzes nämlich nicht: Es besteht für den Verkehrslandeplatz, den auch das Deutsche Rote Kreuz, die Bundespolizei und weitere Institutionen nutzen, eine Flugbetriebspflicht. Das heißt, der Platz ist Teil der Konstanzer Infrastruktur und darf laut Regierungspräsidium nicht leichtfertig aufgegeben werden.

Zur Klärung der juristischen Fragen gab das Landes-Verkehrsministerium ein Gutachten in Auftrag. Dessen Ergebnis sollte eigentlich im Herbst vorliegen. „Bislang ist das Gutachten aber noch nicht da“, sagt Walter Rügert, Pressesprecher der Stadt Konstanz. Die Verwaltung verlängerte deshalb den Vertrag um ein Jahr, um eine rechtliche Lücke zu verhindern und mehr Zeit für die weitere Entscheidung zu haben.
Das stellt die Flughafen-Befürworter nicht zufrieden. So sagt Stadtrat Jürgen Ruff (SPD), der auch im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft sitzt: „Mit dieser kurzen Perspektive ist ein wirtschaftlicher Betrieb des Flughafens nicht möglich. Es können keine der dringend notwendigen Investitionen vorgenommen werden und neue längerfristige Verträge können nicht begonnen werden. Das ist für die GmbH und manch ihrer Gesellschafter existenzbedrohend.“

Patrick Nicolaus, Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, hofft auf ein nahes Ende des Schwebezustands: „Die Verlängerung des Pachtvertrages ist für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebes natürlich positiv zu bewerten. Für eine Weiterentwicklung und den Ausbau des Flugplatzes hoffen wir allerdings auf eine baldige und richtungsweisende Grundsatzentscheidung“, sagt er.
Pilot Roland Ballier wird noch deutlicher: „Natürlich gibt es jetzt wenigstens für 13 Monate Klarheit, gleichzeitig aber das Signal, dass die Stadt nicht gewillt ist, dem Platz endlich eine Perspektive einzuräumen. Denn sonst hätte man – wie im Gemeinderat beschlossen – den Kompromissvorschlag umgesetzt, der eine längere Pachtdauer vorsah. So ist das letztendlich ein Sterben auf Raten.“
Weiter erbost sich der Flieger und Notarzt: „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Stadt alle Register zieht, den Platz zu schließen. Dabei gibt es so viele Nutzer: Sportvereine, Max-Planck-Gesellschaft, Drohnenentwickler – und sogar der Zeppelin will gern regelmäßig in Konstanz landen.“
Auch Martin Wikelski, Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie und Honorarprofessor an der Universität Konstanz, ist von der Ein-Jahres-Verlängerung nicht begeistert. Für Wikelski und weitere Wissenschaftler bedeuten die Landebahnen nichts weniger als die Grundlage für Konstanzer Spitzenforschung, unter anderem zu Satellitenkommunikation, Insektenmigration und Vogelgrippe.

„Ein Jahr ist leider nur lächerlich“, sagt Wikelski. „Ein Jahr ist ein Viertel einer Doktorarbeit. Wissenschaft arbeitet in langen Zeithorizonten.“ Und er ergänzt: „Der Flugplatz gammelt vor sich hin, weil niemand investieren will, wenn die Pachtverträge immer nur so kurz laufen.“
Etwas anders sieht dies Roger Tscheulin, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Gemeinderat. Die CDU hatte den Antrag gestellt zu prüfen, ob auf dem Flugplatz neben Gewerbe eine große Freiflächen-Photovoltaikanlage gebaut werden könnte. „Wir brauchen dringend erneuerbare Energien und müssten laut Experten jährlich acht bis zehn Hektar Photovoltaik entwickeln“, sagt Tscheulin.

In Konstanz seien dies zuletzt nur 1,5 bis 2 Hektar im Jahr gewesen. „Nur mit Anlagen auf bestehenden Dächern erreichen wir unser Ziel nicht. Und ich sehe auch nicht, dass in absehbarer Zeit PV-Anlagen im Bodensee stehen werden“, so der Stadtrat.
Er möchte die Debatte um den Flugplatz versachlichen. „Wir haben gar nichts gegen Flieger und möchten auch nicht auf Teufel komm raus den Platz platt machen, wie es uns vorgeworfen wird“, sagt Roger Tscheulin. „Man muss die Entwicklung dieser letzten großen städtischen Reserveflächen einfach objektiv betrachten.“
Laut SÜDKURIER-Informationen einigten sich die Beteiligten der Flughafen-Gesellschafterversammlung zumindest darauf, so bald wie möglich eine endgültige Entscheidung zu treffen. Ob der umstrittene Flugplatz eine langfristige Perspektive hat, sollte demnach bis Ende März 2023 geklärt sein.
Blick in die Historie
- 5. Januar 1910: Deutschlands ältester Verkehrslandeplatz wird gegründet und steht seitdem mehrfach auf der Kippe. Hier ein paar Meilensteine, die die Initiative Pro Flugplatz Konstanz zusammentrug.
- 13. Januar 1919: Die Konstanzer Zeitung berichtet von der Errichtung einer Fliegerstation. Stationiert werden je vier Flugzeuge, Piloten und Mechaniker.
- 18. August 1919: Die Deutsche Luftreederei eröffnet ihren Flugbetrieb ab Konstanz. Eingeführt werden Passagier- und Streckenflüge mit zwei Flugzeugen. Die Strecke Konstanz-Berlin wird in nur viereinhalb Stunden Flugzeit möglich.
- 3. Januar 1921: Der Flugpostverkehr auf der Strecke Konstanz – Stuttgart wird eingerichtet, drei Monate später die Flugpostlinie Konstanz – München.
- 1. Juni 1922: Die ersten Bodenseerundflüge mit einem Dornier Delphin-Flugboot starten. Vier Jahre später wird die „Deutsche Luft Hansa Aktiengesellschaft“ gegründet und noch in demselben Jahr eine „Schwarzwaldstrecke“ unter Einbezug das Flughafens Konstanz als Übernachtungs- und Ausgangspunkt eingerichtet. Die Linie erreicht immer im Sommer die Stationen Villingen, Karlsruhe, Baden-Baden, Mannheim, Darmstadt und Frankfurt. Die Strecke bleibt bis 1934 bestehen.
- 1978 unternimmt der damalige Oberbürgermeister Bruno Helmle den ersten Schließungsversuch des Flugplatzes.
- Am 11. Dezember 1980 ist klar: Der Flugplatz bleibt. Der Gemeinderat beschließt die Aufnahme des bestehenden Verkehrslandeplatzes in den Flächennutzungsplan.
- 21. Juni 1990: Die Stadtverwaltung will den Platz auf Antrag einiger Stadträte zum zweiten Mal schließen. Der Antrag wird abgelehnt.
- 2015 wird eine Petition zum Erhalt des Flugplatzes mit Erfolg beendet.