Was hat sich der Autofahrer dabei gedacht, als er seinen Wagen einfach auf den Schienen stehen ließ? Und wer ist der Mann, der Sekunden vor der herandonnernden Schwarzwaldbahn über den Bahnübergang rennt und dem Tod ins Auge schaut? Nach dem Unfall am Bahnübergang Riedstraße in Konstanz am Dienstagabend, 31. Oktober, sind noch viele Fragen offen.
Um 19.45 Uhr war ein VW Caddy, der auf dem Bahnübergang zwischen den geschlossenen Halbschranken stand, im Bereich des Bahnhofs Wollmatingen von einem nahezu ungebremst heranrasenden Zug erfasst worden. Der Grund dafür, dass der Wagen dort stand, ist unglaublich: Laut Polizei hatte der 43-jährige Fahrer, der aus Richtung Industriegebiet kam, eine Auseinandersetzung in einer Gruppe von Personen auf dem Bahnsteig bemerkt und dabei seinen Sohn erkannt. Sofort wollte er ihm zu Hilfe eilen – er stoppte seinen Wagen und eilte zu ihm. Dann schlossen sich die Halbschranken.
Ein Video, das am Mittwoch unter anderem über Whatsapp verbreitet wurde, zeigt den Zusammenstoß. Sekunden, bevor der Zug heranrauscht, rennt noch ein Mann über die Schienen in Richtung des gefangenen Wagens. Ob es sich um den Fahrer handelt oder einfach jemanden, der helfen wollte, bleibt vorerst unklar. Eine junge Frau schreit entsetzt, der Caddy wird durch den Zusammenprall von der einen auf die andere Straßenseite des Bahnübergangs geschleudert und steht danach völlig zerfetzt neben dem Bahnsteig in Richtung Singen.
Der Triebfahrzeugführer der Schwarzwaldbahn, die aus Richtung Bahnhof Konstanz kam, hatte laut Polizeipräsidium Konstanz die Notbremsung eingeleitet, in dem Video ist aber nicht zu erkennen, dass der Zug schon nennenswert Tempo verloren hätte. Er kam erst 300 Meter weiter zum Stehen. Mit einem Seehas wäre der Unfall möglicherweise glimpflicher ausgegangen – der Zug der SBB hält laut Fahrplan am Bahnhof Wollmatingen, wäre also von vornherein bremsend an dieser Stelle angekommen.
Den Schaden schätzt die Polizei auf etwa 70.000 Euro, der VW Caddy wurde total zerstört. Der Steuerwagen – die eigentliche Lok hing hinten am Zug – wies Schäden im Frontbereich auf; eine Ampelanlage wurde durch den Zusammenstoß ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen.
Verletzt wurden weder die etwa 80 Passagiere des Zuges noch dessen Besatzung oder umstehende Personen. Ein Passant, welcher sich unabhängig vom Einsatzgeschehen und dem Unfall verletzt hatte, musste nach Angaben der Konstanzer Feuerwehr vom Rettungsdienst behandelt werden. Die Fahrgäste wurden mit einem Gelenkbus der Stadtwerke zurück an den Bahnhof Konstanz gebracht.
Da auch Schadstoffe wie Öl und Bremsflüssigkeit aus dem Auto ins Erdreich gelangt waren, wurde die untere Wasserbehörde zur weiteren Klärung angefordert. Die Feuerwehr – im Einsatz waren neben den hauptamtlichen Kräften die Abteilungen Wollmatingen und Petershausen – half bei der Bergung des Unfallwagens und übergab die Einsatzstelle dann gegen 23 Uhr an die Bundespolizei und den Notfallmanager der Bahn.
Die Bahnstrecke, auf der auch der Seehas verkehrt, war vorübergehend gesperrt. Im Bereich des Bahnüberganges und in Richtung Bahnsteig stehen nun weitere Reparaturarbeiten an; die beschädigten Anlagen waren am Mittwoch mit rot-weißem Band abgesperrt. Ausfälle im Bahnverkehr und Einschränkungen auf der Riedstraße gab es wegen des Unfalls aber nicht mehr.
In Konstanz kommt es immer wieder zu Unfällen und Beinahe-Zusammenstößen an beschrankten Bahnübergängen. Erst im Juli war am Bahnübergang Schneckenburgstraße ein Radfahrer gestorben, der die Schienen trotz geschlossener Halbschranken überqueren wollte und von einem Zug erfasst wurde.