Elmar Meyer führt den Besuch bis unters Dach. Es geht eine Wendeltreppe hinauf, hier oben zieht kalte Luft durch die Ziegel. Unter dem Gebälk des ehemaligen Rathauses von Allmannsdorf beeindruckt eine alte Konstruktion: An einem Seil hängt ein schweres Gewicht; ein Schild warnt davor, sich darunter zu stellen. „Das fällt nicht runter“, sagt Meyer und lacht. „Es hängt hier schon seit über 100 Jahren.“
Er muss es wissen, denn als stellvertretender Vorsitzender des Musikvereins Allmannsdorf, dem heutigen Hauptnutzer des Gebäudes, hat er sich mit dessen Geschichte beschäftigt. „Das ist das Uhrwerk“, erklärt Meyer, und zeigt auf das andere Ende des Seiles. Es verschwindet in einem Holzkasten, der mit unzähligen Zahnrädern versehen ist. Manche Teile drehen sich, andere zucken, ein langes Pendel schwingt langsam hin und her.
Die Uhr ist, wie das gesamte Haus, in die Jahre gekommen. Erbaut wurde es als Allmannsdorfer Rathaus im Jahr 1903 von lokalen Handwerkern. „Mein Urgroßvater Friedrich Weber war damals mit seiner Zimmerei am Bau beteiligt“, erzählt Christoph Vayhinger, der den Betrieb heute leitet. Er hat aber noch aus einem anderen Grund eine besondere Beziehung zum Fachwerkhaus: Es dient auch als Treffpunkt für die Narrenzunft Quaker, deren Präsident Vayhinger ist.
Das Gebäude wurde nur bis zur Eingemeindung von Allmannsdorf im Jahr 1915 als Rathaus benötigt, danach gab es verschiedene staatliche Nutzungen. Am 24. Mai 1975 wurde es an mehrere Vereine übergeben.

Wie es dazu kam, beschreibt Christoph Vayhinger in der Chronik des Musikvereins Allmannsdorf zu dessen 100. Geburtstag im Jahr 2022: „Die Jahre zogen dahin und die Vereine in Allmannsdorf hatten kein Vereinsheim. Willi Scheideck, Georg Renker sowie Fritz Weber hatten zu unserem Oberbürgermeister Bruno Helmle einen ganz guten Draht.
So klopften sie am Rathaus an und Dr. Helmle stellten den Allmannsdorfern ohne Wenn und Aber in den 1970er-Jahren das Rathaus von Allmannsdorf zur Verfügung. Seit damals haben wir nun unser Vereinsheim und Gott sei Dank stimmt die Chemie mit allen Nutzern.“

Das bestätigen Elmar Meyer und Simone Strauf, Vorsitzende des MV Allmannsdorf. „Wir haben hier eine tolle Gemeinschaft“, sagt Strauf. Dazu zählen der örtliche Turnverein, die Hornisten Egg, die Egger Gassefegger, die Quaker und das Akkordeonorchester, früher auch noch der Kleintierzuchtverein und der Gesangsverein Harmonie. Meyer ergänzt: „Am 1. Mai veranstalten wir immer ein gemeinsames Fest in Egg. Die Einnahmen fließen in die Renovierung des denkmalgeschützten Hauses.“
Denn Geld von der Stadt gebe es dafür nicht, die Vereine müssten viel in Eigenleistung erledigen. „Derzeit möchten wir in unserem unteren Raum den Boden erneuern, der noch original ist“, sagt Elmar Meyer. „Darunter liegt eine Kokosmatte. Auch die Tapete ist sicher 50 Jahre alt.“ In diesem Raum im Erdgeschoss werden Noten und Instrumente gelagert, auch Unterricht findet hier statt.

Dann geht er ein Zimmer weiter und deutet auf die vergitterten Fenster. „Das hier war mal ein Gefängnis“, sagt Meyer. Besonders wichtig ist für den Musikverein aber der ehemalige Ratssaal im Obergeschoss, ein altehrwürdiger Raum mit einer hohen, holzvertäfelten Decke. Rund 50 Musikerinnen und Musiker setzen sich hier dienstagabends hinter ihre Notenständer und proben für Konzerte.
„Hier oben sind wir räumlich am Anschlag“, sagt Simone Strauf, schiebt aber schnell hinterher: „Obwohl die Vereine viel renovieren müssen und obwohl die Nebenkosten explodieren, sind wir sehr froh, überhaupt ein Vereinsheim zu haben.“


Auch Christoph Vayhinger ist „mit viel Herzblut dabei“. Deshalb legte er vor drei Jahren selbst Hand an und ersetzte unter anderem Holzpfosten des Türmchens, auch das Ziffernblatt der großen Uhr wurde wieder instandgesetzt.
Doch eines fällt beim Betrachten alter Fotos auf: Offenbar hatte das alte Rathaus früher einen hölzernen Balkon. Warum er entfernt wurde, glaubt Christoph Vayhinger zu wissen: „Der Balkon wurde wohl in den 1930er-Jahren abgesägt, weil die Nazis von dort keine Propaganda verbreiten sollten“, erläutert er, schränkt aber ein: „Das wurde mir zumindest so im Familienkreis übermittelt.“