„Momentan ist da noch so eine leichte Verzweiflung, wenn man sich denkt, wie bekomme ich diese Form da rein“, meint Étienne Kinninger und betrachtet den Stamm vor sich. Der ist etwa so groß wie er selbst. Ein Teil der Rinde fehlt bereits. Zwei Sägen liegen im Unterholz dahinter, mehr braucht er nicht für seine Skulpturen. Er ist der Künstler, der hinter den Figuren im Lorettowald steckt.
„Das Schnitzen kam für mich wie aus dem Nichts“, erzählt der 23-Jährige. Der Auslöser für seine erste Skulptur war eigentlich ein trauriger: Nach dem Tod der Katze seiner Schwester wollte er für sie eine Skulptur des geliebten Haustiers machen. Er fand Gefallen daran, und es folgten weitere Projekte aus Holz. Von Ohrringen bis hin zu weiteren Tierfiguren war alles dabei.
Die erste Skulptur im Lorettowald
Die Idee, auch im Lorettowald Schnitzereien aufzustellen, kam dann bei einem Vortrag über Biodiversität an der Universität Konstanz. Also sprach er spontan die Försterin des Lorettowalds an, ob nicht ein paar Stämme übrig bleiben, die er nutzen könne. Er bekam drei Stämme von Bäumen, die aufgrund vieler Totäste entfernt werden mussten. Diese wurden ein bisschen höher abgeschnitten.

Seine erste Skulptur dort war eine Hand, die das Peace-Zeichen macht. Das Motiv war so zunächst nicht abgesprochen. „Ich habe der Försterin zwar eine Mail geschrieben, ob das Motiv zu politisch ist. Doch vor dem Wochenende kam keine Antwort mehr und so fing ich einfach an. Die Försterin war im ersten Moment nicht so begeistert“, erinnert er sich. Der 23-Jährige halte das Friedenszeichen angesichts der aktuellen politischen Lage für angebracht. Auch die Försterin habe es dann schnell akzeptiert.
Seither bekam Kinninger ausschließlich positive Rückmeldungen zu seinen Werken. „Eine Frau, die regelmäßig mit ihrem Hund vorbeikam, hat mir ein Gedicht geschrieben und 30 Euro geschenkt.“ Häufig sehe er Menschen, die neben dem Peace-Zeichen mit dem gleichen Handzeichen ein Foto machen. Wenige Meter weiter hat er eine andere Hand in das Holz gesägt, diesmal mit einer Blume in der Hand. „Es sollte eine Rose werden. Jetzt ist es eine unbestimmte Blume“, gibt er zu und lacht. Mit der Hand sei er jedoch zufrieden.
Von der Idee zur Umsetzung
Für seine Werke nutzt Kinninger meist nur zwei verschiedene Sägen, eine größere und eine für die Feinarbeit. Figuren für den Innenbereich schleife er zusätzlich ab, doch draußen gefalle ihm der gewisse Charme, der durch die Säge entsteht. „Ich bin eher Grobmotoriker“, sagt er von sich selbst. Zudem plane er nur wenig. Eine grobe Idee, ein paar Skizzen in Bus oder Bahn und dann legt er auch schon los. Kinninger ist überzeugt: „Der Rest entwickelt sich, wenn man erst einmal angefangen hat.“
Sein aktuelles Projekt soll eine Meerjungfrau werden, mitten im Lorettowald vom Hörnle her kommend. Dafür bekam er einen weiteren Stamm. „Wenn ich der Skulptur einen Titel geben müsste, würde ich sie ‚Gestrandet‘ nennen“, sagt er mit Blick auf den Stamm, der einmal eine niedergeschlagene und sehnsüchtige Meerjungfrau darstellen soll.
In der Natur zu Hause
Meist arbeitet Kinninger nur an den Wochenenden. Unter der Woche macht der 23-Jährige eine Ausbildung zum Forstwirt bei dem Forstbetrieb der Stadt Engen. Ein Freiwilliges Ökologisches Jahr nach dem Abitur habe ihm gezeigt, dass er in der Natur arbeiten wolle. Eigentlich wollte er in seiner Heimat, in der Nähe von Bamberg, bleiben. Doch dafür war er zu spät, er fand keinen Ausbildungsplatz mehr. Also verschlug es ihn nach Engen. Vor zwei Jahren zog er nach Konstanz.
„Im August bin ich ausgelernter Forstwirt“, erzählt er. Danach wird Kinninger zunächst noch ein Jahr für die Stadt Engen arbeiten, bevor er eine Weltreise antreten möchte. Dann geht es unter anderem nach Kanada und Australien. So der Plan. Und danach? Wie es weitergeht, das halte er sich offen. Doch er hat schon einen Traum, wie er sein Geld verdienen möchte: Er wolle das Schnitzen zum Beruf machen und gleichzeitig in der Baumpflege arbeiten.