Dieter Heussen hat wohl gedacht, er bekommt einen Vogel: Am Samstagmorgen, 8. März, kommt es zu einem Polizeieinsatz im Seniorenzentrum an der Oberen Laube. Mehrere Beamte dringen in schwerer Schutzmontur in seine Wohnung ein und fixieren den 77-Jährigen mit Handschellen. Davon berichtet der Mann dem SÜDKURIER.

Er hat den größeren Einsatz wohl selbst herbeigeführt – auch wenn er sich keiner Schuld bewusst ist. Denn der Auslöser des polizeilichen Hausbesuchs war vermutlich eine Verwechslung: zwischen einem Blasrohr aus Aluminium und einer echten Schusswaffe. Doch warum besitzt Dieter Heussen das überhaupt?

Zwei Platanen stehen vor seinem Fenster, auf denen sich immer wieder laute Krähen tummeln – zum Unmut des Seniors, besonders in den frühen Morgenstunden. „Früher habe ich geklatscht oder mit Töpfen gegeneinander geschlagen, dass die abhauen“, sagt der Senior. Heute versuche er auch gelegentlich, die Tiere mit einem Pusterohr zu verscheuchen – ohne sie zu treffen. Befüllt wird das Aluminiumrohr mit Kichererbsen. Selbstverständlich in Bioqualität, sagt er lachend.

Dieter Heussen verschießt gelegentlich Kichererbsen – selbstverständlich mit Bio-Qualität, sagt er lachend.
Dieter Heussen verschießt gelegentlich Kichererbsen – selbstverständlich mit Bio-Qualität, sagt er lachend. | Bild: Hanser, Oliver

Das Lachen verging dem 77-Jährigen allerdings recht schnell, als am Samstagmorgen gegen 9.30 Uhr laut seinen Angaben mehrere Polizeibeamte in Schutzmontur, mit Schild und vorgehaltener Waffe seine Wohnung betraten. Demnach gaben die Beamten an, dass die Polizei von Anwohnern verständigt worden sei, weil jemand mit einem Gewehr herum schieße.

Erstaunt hat Dieter Heussen dann aber doch das Vorgehen der Beamten, die ihn laut seinen Angaben, nachdem er ihnen die Tür geöffnet hatte, zuerst in den Polizeigriff nahmen und später mit Handschellen auf einem Stuhl platzierten. „Es sind heute alle sensibler, das ist auch in Ordnung“, sagt er. „Und es ist auch klar, dass die Polizei solchen Sachen nachgehen muss.“ Dennoch fühlte er sich überrumpelt und kritisiert das aus seiner Sicht „unverhältnismäßige Vorgehen“.

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„Ich bin ein unbescholtener Bürger, habe mein Leben lang gearbeitet“, so der Rentner. „Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht.“ Und weiter: „Es ist ja völlig verständlich, dass man dem nachgeht“, trotzdem sieht er eine „Unverhältnismäßigkeit der Mittel“. Der Einsatz sei schnell zu Ende gewesen, das Alurohr hätten die Beamten dabei auch entdeckt.

Anwohner ruft Polizei wegen mutmaßlicher Langwaffe

Die Polizei bestätigt indessen den Einsatz. „Ein Anwohner teilte mit, dass ein Nachbar mit einer Langwaffe auf die in den Bäumen nistenden Vögel schieße“, sagt Katrin Rosenthal, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz, auf SÜDKURIER-Nachfrage. „Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft und anschließender richterlicher Anordnung durchsuchten die Beamten die Wohnung des betreffenden Nachbarn.“

Und weiter: „Dabei konnte lediglich ein Blasrohr samt Kichererbsen aufgefunden werden, mit dem er die Krähen in den Bäumen versuchte zu vertreiben.“ Weitere Angaben, etwa zur Anzahl der eingesetzten Beamten oder etwaiger taktischer Maßnahmen wie Schutzausrüstung, macht die Polizei auf Nachfrage nicht. Ebenso wenig wird Auskunft darüber erteilt, ob man die Vorgehensweise im Nachhinein noch als verhältnismäßig einstufe.

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Klar ist aber: Die Polizei ging nicht nur vom Besitz, sondern auch vom Gebrauch einer – möglicherweise echten – Schusswaffe aus. Dass die Beamten hier nicht zimperlich und mit aus ihrer Sicht gebotenen Maßnahmen vorgehen, erscheint nur logisch. Dass sich der ahnungslose 77-Jährige laut eigenen Angaben dennoch „wie ein Schwerverbrecher“ fühlte, ist aber wohl ebenfalls nachvollziehbar.

Vielleicht stand das Vorgehen der Beamten auch etwas unter dem Einfluss eines großen Polizeieinsatzes im Paradies am Montag, 24. Februar. Damals wurde tatsächlich eine scharfe Waffe abgefeuert, ein großes Gebiet rund um die Gartenstraße war weiträumig abgeriegelt worden. Dennoch scheint im Fall von Dieter Heussen klar: Aufgrund der Verwechslung wurde wohl mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

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