Cornelia Fink und Anja Keller kennen beides: die Schmerzen, über die viele der betroffenen Frauen berichten und die Unsicherheit, die damit verbunden ist, dass es schwierig ist, den weiteren Verlauf der Erkrankung einzuschätzen. Zudem vergeht oft sehr viel Zeit, bis Endometriose überhaupt diagnostiziert wird. Die beiden Frauen leiten eine Selbsthilfegruppe Endometriose. Die von Endometriose betroffenen Frauen berichten von sehr unterschiedlichen, zum Teil sehr heftigen Symptomen.

Was genau ist Endometriose? „Die Krankheit ist ein weites Feld“, sagt Hajo Herzog, Gynäkologe und Leiter der Endometrioseklinik am Klinikum Konstanz. Bei Endometriose bildeten sich winzige Knötchen auf dem Bauchfell aus Gewebe, das sich wie Gebärmutterschleimhaut verhalte. Dieses Gewebe halte sich aber außerhalb der Gebärmutter auf.

„Das Phänomen kann zu starken Schmerzen bei der Regelblutung führen, darüber hinaus aber auch beim Wasserlassen, beim Stuhlgang, beim Geschlechtsverkehr. Es ist ein sehr komplexes Beschwerdebild“, erläutert Herzog. Tückisch bei der Krankheit sei, dass der Grad der Schmerzen nicht unbedingt über die Schwere der Krankheit Auskunft gebe. Ein weiterer Aspekt sei, dass es für betroffene Frauen unter Umständen schwieriger sein könne, schwanger zu werden.

Was die Leiterinnen der Selbsthilfegruppe sagen

Cornelia Fink und Anja Keller fassen es noch etwas konkreter: „Viele Frauen mit Endometriose klagen auch über Rückenschmerzen, eine Häufung von Blasenentzündungen wird als normal empfunden“, berichtet Cornelia Fink aus den Gesprächen aus der Selbsthilfegruppe. In manchen, allerdings deutlich selteneren Fällen, strahle die Endometriose so aus, dass sie sich negativ auf die Lungenfunktion auswirke.

Ebenfalls typisch für die Krankheit sei es, dass sehr viele betroffene Frauen mehrere Operationen benötigen, bevor sich das Beschwerdebild bessert. „Ich hatte im Jahr 2019 zwei Notoperationen“, berichtet Anja Keller, erst dann sei die Diagnose überhaupt klar gewesen. „Vorher kannte ich die Krankheit gar nicht.“

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Genau dieser Umstand treibt die beiden Frauen um. Sie wollen, dass andere Betroffene bessere Chancen haben als sie selbst, mit der Endometriose umzugehen. Anja Keller besuchte erst einmal die Endometriose-Sprechstunde der Klinik in der Stadt, in der sie damals wohnte. „Was macht das mit mir?“, fragt sie sich. Sie zieht kurz danach nach Konstanz um und besucht hier die Selbsthilfegruppe, die kurz zuvor gegründet worden war. Wenig später übernimmt sie mit Cornelia Fink zusammen deren Leitung.

Cornelia Fink bestätigt, dass sehr viele Frauen sich durch die Erkrankung selbst stark psychisch belastet fühlen. „Als sportliche Frau habe ich mir über die Dauerschmerzen früher wenig Gedanken gemacht“, sagt sie. Viele Frauen aber besuchen eine Gesprächstherapie, um mit den Schmerzen und den psychischen Folgen klarzukommen. Im Raum stehe auch oft ein Kinderwunsch, dessen Erfüllung durch die Diagnose erschwert ist. Zudem handele es sich um ein Tabuthema: Mit 20 Kolleginnen habe sie an einem früheren Arbeitsplatz zusammengearbeitet und drei davon seien von Endometriose betroffen gewesen – alle drei Kolleginnen wussten dies aber nicht voneinander.

Diagnose und Behandlung

Wie kann Frauen mit der Diagnose Endometriose geholfen werden? Gar nicht so einfach sei die Diagnosestellung, sagt der Gynäkologe Herzog. „Ab wann sind Schmerzen zu viel? Ab wann sind schmerzhafte Regelblutungen abklärungsbedürftig?“ Gefragt sei zunächst der Gynäkologe, später dann Klinikärzte. Tastuntersuchung und Ultraschall seien die ersten Diagnoseinstrumente. Sofern sie nicht ausreichen, sei eine Bauchspiegelung notwendig.

Für die Behandlung gebe es mehrere Möglichkeiten, beispielsweise hormonell über die Einnahme der Pille oder medikamentös. Wenn das nicht ausreicht, ist eine Operation möglich. „Bei einer Operation im Bauchraum beträgt die Chance etwa 75 Prozent, dass die Frauen danach eine große Verbesserung spüren“, sagt Herzog. Doch nicht immer seien Operationen nötig. Die Einnahme von Schmerzmittel, Sport und Physiotherapie könnte ebenfalls helfen.

In schwereren Fällen gehe es um chronifizierte Verläufe, sie erschwerten die Behandlung. Im Fall einer abgeschlossenen Familienplanung bestehe dann auch die Option, die Gebärmutter zu entfernen. „Die Endometriose kann zu Stressoren auf ganz verschiedenen Ebenen führen“, sagt Hajo Herzog, das sei ein Grund für die hohe Belastung, die sie auslöse: die Partnerschaft sei davon berührt, persönliche und auch berufliche Ziele.

Interdisziplinäres Vorgehen an der Klinik

Auch deswegen sei die Einrichtung der Endometrioseklinik am Klinikum Konstanz ein wichtiger Schritt gewesen. Dort wird – auch durch die Erfahrung Hajo Herzogs, die er aus seinen früheren Tätigkeiten mitbringt – interdisziplinär an der Behandlung der Frauen gearbeitet. Schmerztherapie, Psychotherapie und eine Verzahnung mit dem Kinderwunschzentrum in Singen greifen ineinander. Zudem bestehe eine Kooperation mit einem Rehazentrum in Bad Waldsee, das von einem gynäkologischen Ärzteteam geleitet werde. Genauso wichtig für Herzog: die Zusammenarbeit mit der Selbsthilfegruppe, in der die Patientinnen Erfahrungen und Hinweise auf bei ihnen erfolgreiche Behandlungen austauschen könnten.

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Anja Keller und Cornelia Fink bewerten die Selbsthilfegruppe als ebenso wertvoll. Einmal monatlich tauschen sich die Frauen persönlich aus, dafür können sie einen Raum in Radolfzell nutzen. Eine ähnliche Bedeutung habe die WhatsApp-Gruppe, über die Erfahrungen mitgeteilt, Informationen und Tipps zu Ärzten und Therapeuten weitergereicht werden. Die Gruppe ist wichtig für die Wissensvermittlung, das ist gewiss, noch wichtiger mag sie für etwas anderes sein: Die Frauen fühlen sich mit ihrer Krankheit nicht so allein.