Bürokratiemonster oder Umwelt-Großtat? Auch wenige Tage nach Einführung der Verpackungssteuer bleiben die Meinungen geteilt. Für die einen ist es nur richtig, wenn Einwegverpackungen für Unterwegs-Verpflegung unattraktiv gemacht werden und diejenigen, die es nicht lassen können, wenigstens für die Entsorgung bezahlen. Für die anderen ist es eine Gängelung von Wirtschaft und Verbrauchern, die das Vermüllungsproblem nicht lösen wird, dafür aber einen großen Verwaltungsaufwand erzeugt.
Aber funktioniert es überhaupt? Wird die Verpackungssteuer tatsächlich korrekt kassiert? In den ersten beiden Tagen, in denen die neue Regelung der Stadt Konstanz gilt, hat der SÜDKURIER stichprobenartig Speisen und Getränke gekauft, bei denen laut der Regelung nun die Abgabe kassiert werden müsste. Dabei zeigte sich: Viele Betriebe setzen die Verordnung um, andere dagegen gar nicht.
Teigtaschen zum Mitnehmen, Stäbchen gibt es separat
Im Konstanzer Edeka Baur in der Riedstraße gibt es japanische Leckereien zum Mitnehmen. Allerdings sind bei den verpackten Gyozas – dabei handelt es sich um gefüllte Teigtaschen – oder den angebotenen Sushi-Boxen kein Einwegbesteck dabei. Ein Aufsteller informiert die hungrigen Kunden, dass die nun steuerpflichtigen Essstäbchen im Backshop für 21 Cent erhältlich seien und es sich dabei um die Verpackungssteuer der Stadt Konstanz handle.

Fertiger Salat in der Box wirft erst einmal Fragen auf
Die Kühltheke mit To-Go-Produkten bei Rewe in der Max-Stromeyer-Straße ist an diesem Vormittag spärlich bestückt. Aber es gibt noch einige Salate mitsamt Dressing. Ist er verpackungssteuerpflichtig, da das Produkt verzehrfertig angerichtet ist, oder nicht, da kein Besteck dabei ist? Ein entsprechendes Schild ist nicht zu finden.
Auf die Frage, ob auf den in Plastik verpackten Salat eine Verpackungssteuer erhoben wird, hält die Mitarbeiterin Rücksprache mit einem Kollegen. Auch sie sind sich nicht ganz sicher, meinen dann aber, die Steuer sei im Preis inbegriffen. 2,49 Euro kostet die Salatschale; am Preis scheint sich nichts geändert zu haben, wenn die Erinnerung nicht trügt. Aber weiß man es? Auf dem Kassenzettel ist jedenfalls keine Verpackungssteuer ausgewiesen.

Reicht fürs Fleischkäsbrötle eine einfache Serviette?
Beschichtetes Papier, Tüte oder schlichte Serviette: Das ist die zentrale Frage im Kilo-Markt der Metzgerei Müller in der Max-Stromeyer-Straße. Der Mitarbeiter kennt sich aus mit der neuen Verpackungssteuer und erklärt, dass auf die Serviette um das Fleischkäsbrötle keine Abgabe erhoben wird. Wer es aber zusätzlich in eine Tüte oder in ein fettdichtes Papier eingepackt haben will, muss 54 Cent extra bezahlen. Alle, die darauf verzichten, zahlen wie bisher drei Euro für den Snack auf die Hand.

Beim Döner-Mann gibt‘s noch ein paar Fragezeichen
Wer beim Wollmatinger Imbiss Sahara einen Döner zum Mitnehmen bestellt, auf den wartet ein Fingerzeig von Wirt Celik Diyaddin. Er deutet auf einen Aufkleber am Tresen, der auf die Verpackungssteuer der Stadt Konstanz hinweist, wonach alle Preise 50 Cent Verpackungssteuer beinhalten. Die Miene, die er dazu macht, spricht Bände. Das mit Fleisch und Salat gefüllte Fladenbrot steckt er zuerst in eine Papiertüte, die umhüllt er mit Alufolie.
Wer den beliebten Imbiss im Lokal verspeist, ist mit 7 Euro dabei. Angenommen, es wäre Sommer und ein Kunde wünschte seinen Döner nur in einer Papiertüte ohne Alufolie, werden dann auch 50 Cent fällig? Diyaddin ist sich nicht ganz sicher und drückt dem Fragesteller einen Flyer der Stadt zur Verpackungssteuer in die Hand.

Bei Nordsee steht die Steuer auf dem Kassenzettel
Die Fisch- und Imbisskette Nordsee in der Rosgartenstraße ist offenbar gut vorbereitet: Auf die große Kartoffel-Box zum Preis von 5,99 Euro kommen nochmals 50 Cent für die „Einwegverpackung“, so steht es auf dem Kassenzettel. Erklärt wird die neue Abgabe nicht besonders, es fragt auch niemand, ob man ein Mehrweg-Gefäß dabeihat. In der Box sind noch zwei Behälter für die Remoulade – sie sind aus einer Art Waffelteig gemacht und damit prinzipiell essbar. Deshalb wird korrekterweise keine Verpackungssteuer auf sie erhoben.

Box To Go informiert die Kunden per Aushang
8,20 Euro kostet zum Schluss die Box mit Nudeln und Ente – die Verpackungssteuer mit 50 Cent für die Box selbst und weitere 20 Cent für die Plastikgabel macht also fast zehn Prozent des Endpreises für das Unterwegs-Essen aus. Und das bei einem der teuersten Gerichte, die es bei Box To Go am Durchgang zwischen Rosgartenstraße und Augustinerplatz gibt.
Der Wirt erklärt, dass er die Abgabe kassieren muss, und direkt am Bestelltresen erläutert ein Aushang, dass der Imbiss auch Mehrwegverpackungen anbietet oder die Kunden eigene Gefäße mitbringen können. Auch hier ist die Steuer korrekt auf dem Kassenbon ausgewiesen.

Eis-Mann winkt die Steuerpflichtigen einfach durch
Doch die viel debattierte Konstanzer Neuerung hat noch nicht überall Fuß gefasst. Im Café Santa Valentina am Zähringerplatz, das auch im Winter Eis anbietet, serviert der Inhaber zwei Kugeln Eis im Becher inklusive quietschorangenem Plastiklöffel. Verpackungssteuer? Ach ja, erinnert er sich, wie an seiner Mimik abzulesen ist, da war doch was.
Doch er winkt ab. Er sei sich nicht sicher, was er berechnen müsse. Es werde wohl erst eine Auflistung der Stadt dazu geben. „Das machen wir, wenn ich es genau weiß.“ Vorerst berechnet er schlicht: nichts. Das Eis gibt‘s daher für den üblichen Verkaufspreis von 3,60 Euro für zwei Kugeln.

Für die Butterbrezel wird kein Aufpreis berechnet
Was ist mit der Butterbrezel in der Papiertüte? Die wird bei der Bäckerei-Filiale Schneckenburger in der Max-Stromeyer-Straße für 1,85 Euro verkauft. Die Verpackungssteuer wird dabei nicht erhoben. Warum nicht? „Die Steuer zahlt man nur beim Kauf eines Kaffees zum Mitnehmen, für die Alufolie für das Fleischkäsebrötchen und fürs Stäbchen zum Umrühren des Kaffees“, erklärt der Mitarbeiter. Für belegte Brötchen und Butterbrezeln gelte die Steuer noch nicht. „Noch nicht“, betont er und ist überzeugt, dass dies möglicherweise bald der Fall sein wird.

Das Subway-Sandwich wird teurer – theoretisch
Wer bei der Fastfood-Kette Subway an der Bodanstraße ein Sandwich zum Mitnehmen bestellt, muss für das Einwickelpapier 50 Cent berappen – theoretisch. Ein Zettel im Laden weist die Kunden ebenfalls darauf hin. Doch bislang wird die Verpackungssteuer nicht berechnet. Noch hat das Unternehmen laut einem der Verkäufer die Funktion im Kassensystem nicht hinterlegt.

McDonald‘s macht bei der Steuer (vorerst) noch nicht mit
Am Bestell-Terminal der Fast-Food-Kette wird explizit gefragt, ob man das bestellte Essen vor Ort verzehren oder mitnehmen möchte. Der Button „Zum Mitnehmen“ wird gedrückt und dann das Menü mit Getränk, zwei Cheesburgern, Pommes Frites mit Mayonnaise bestellt. Am Schalter fällt bei der Übergabe der Bestellung kein Wort zur Verpackungssteuer. Diese wird auch nicht verlangt, wie auch die Quittung letztlich belegt.
Übrigens: Die Rechtmäßigkeit der Verpackungssteuer hat das Bundesverfassungsgericht im Mai 2023 übrigens bestätigt, nachdem die Leiterin einer McDonald‘s-Filiale in Tübingen vergeblich gegen die Steuer geklagt hatte.

Zum Cappuccino gibt es die Steuer obendrauf
Ein Kaffee ist schnell gekauft. Er kostet auch nur ein paar Euros. In der Paradies Bäckerei an der Unteren Laube muss man für einen Cappuccino 3,30 Euro auf den Tresen legen – aber nur, wer ihn direkt in der Bäckerei trinkt. Wer ihn im Pappbecher bestellt, wird sofort darauf hingewiesen, dass dafür 50 Cent Verpackungssteuer fällig werden. Neben der Kasse liegt daher ein Zettel mit Barcodes zum Einscannen. Der Verkäufer macht ein zerknirschtes Gesicht. Scheinbar zeigt nicht jeder Kunde Verständnis für die Abgabe.