Das Wetter hat es nicht besonders gut gemeint mit den Klimaaktivisten von Fridays for Future: Ausgerechnet an dem Morgen, an dem sie ihr Protest-Camp im Konstanzer Pfalzgarten unweit des historischen Münster aufbauen wollen, regnet es. Ungefähr zehn junge und einige ältere Leute sind trotzdem gekommen. Ausgerüstet mit festen Schuhen, Regenjacken und viel Enthusiasmus.

Hannah Bauer, Psychologie-Studentin an der Uni Konstanz und die Konstanzer Schülerin Annika Christen stehen unter einem Pavillon, während hinter ihnen eine Hand voll Mitstreiter versucht, mit Holzstäben eine dünne braune Plane über eine selbst gebaute riesige Kuppel zu ziehen. „Das soll unser Aufenthaltszelt werden. Damit sind wir seit 10 Uhr beschäftigt“, sagt Annika Christen. Jetzt ist es 14 Uhr.

Bild 1: Verzwölffachung der Parkgebühr in Konstanz? Nicht nur das fordern Fridays for Future – und wollen nun dauerhaft vorm Münster campen
Bild: Eva Marie Stegmann

Was ist der Sinn der Aktion, im Pfalzgarten zu campen? „Wir sind dafür bekannt, Freitags auf die Straße zu gehen. Seit drei Jahren streiken wir, doch die Politik macht nicht, was nötig ist. Deshalb streiken wir dauerhaft und schlagen unsere Zelte auf“, sagt Hannah Bauer.

Hochwasserkatastrophe als Augenöffner

Die Hochwasserkatastrophe in diesem Jahr sei ein weiterer Augenöffner gewesen. „Die Bilder zu sehen, war krass“, sagt die Schülerin Annika Christen, „selbst, wenn man sich mit dem Thema viel beschäftigt, denkt man, dass es einen später erreicht. Und dann kommen Zitate wie die von Armin Laschet, dass man die Politik nicht von heute auf morgen ändern kann.“

Sehen Sie hier Hannah Bauer (links) und Annika Christen im Video:

Flutkatastrophe: Was haben Sie empfunden? Video: Eva Marie Stegmann

Gemeint ist nicht nur die große Politik in Berlin, sondern auch und gerade der Konstanzer Gemeinderat.

Gemeinderat hat Klimaziel gesetzt: Warum reicht das Fridays for Future nicht?

Dabei hat der doch 2019 für Konstanz den Klimanotstand ausgerufen – als erste deutsche Stadt. 2020 haben sich die Lokalpolitiker das ehrgeizige Ziel gesetzt, dass die Konzilstadt bis 2035 klimaneutral werden soll. Das renommierte Heidelberger Ifeu-Institut hilft mit Berechnungen, die im Herbst vorgestellt werden sollen. Warum reicht das den Aktivisten nicht? „Es geht vieles in die richtige Richtung“, sagt Annika Christen. „Aber die Maßnahmen müssen umgesetzt werden. Es sieht nicht danach aus, dass das passiert.“ Der geplante Bau der neuen Gasleitung in Konstanz etwa gefällt der Gruppe gar nicht.

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Da kommt ein Auto mit Anhänger angefahren – der Konstanzer Claudius Eisenmann steigt aus und lädt Paletten aus. „Da ich viele Paletten habe, dachte ich, ich helfe auch.“ Er ist eigentlich Aktivist der Klimagruppe Extinction Rebellion, solidarisiert sich aber mit Fridays for Future. Insgesamt, sagen Hanna Bauer und Annika Christen, habe die Gruppe für das neue Camp schon viel Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung erlebt.

„Ziele zu setzen, ist einfach. Aber was passiert real?“

Angemeldet ist die Zelt-Aktion laut Veranstaltern bis zum Jahr 2035. „Bis wir hoffentlich klimaneutral sind“, sagt Mitorganisatorin Frida Mühlhoff, die schon mehrfach vor dem Konstanzer Gemeinderat gesprochen hat. Wollen Fridays for Future wirklich bis 2035 campen? „Naja“, sagt sie und hebt die Arme, „wir werden sehen, wie wir es personell schaffen.“ Dazu, dass der Konstanzer Gemeinderat das Thema Klima immer wieder auf der Agenda hat, sagt sie: „Das Ziel ist absolut richtig! Das Problem ist: Was passiert real? Ziele zu setzen, ist einfach. Wir sehen aber aktuell, dass eher in die Gegenrichtung gearbeitet wird.“ Beispiele dafür seien der Ausbau der B33, mehr Parkplätze am Brückenkopf Nord und vor allem der Plan der Stadt, eine neue Gaspipeline zu bauen. „Alle Akteure der Stadt, die an der Klimaneutralität mitarbeiten, Wobak, Stadtwerke und Gemeinderat, haben den Ernst der Lage nicht begriffen“, so Mühlhoff. „Dass unsere Zivilisation zusammenbricht, ist kein Horrorszenario, sondern das sagen anerkannte Klimawissenschaftler. Wenn das das Risiko ist, ist es nicht zu vertreten, rumzueiern.“

Sehen Sie hier Frida Mühlhoff im Video über die Konstanzer Lokalpolitik:

Tut der Gemeinderat nicht genug? Video: Eva Marie Stegmann

Bereits im Vorfeld des Klima-Camps hatte SÜDKURIER Oberbürgermeister Uli Burchardt zum Thema Gasleitung angefragt. Er sagte: „Die Stadtwerke sind gesetzlich verpflichtet, die Versorgung mit Gas sicherzustellen. Man kann und darf den Bürgerinnen und Bürgern nicht plötzlich den Gashahn abdrehen.“ Jedoch, räumte er ein, wenn es eine Chance gebe, durch neue Technologien oder bessere Ideen die Versorgungssicherheit für Konstanz auch ohne zweite Gasleitung herzustellen, würde er sich sehr freuen. „Klar ist, es wird kein schlichtes ‚Weiter so‘ geben. Über diesen Punkt sind wir schon längst hinaus“, bekannte er sich zu den klimapolitischen Zielen. Wie es mit der Gasleitung weitergehe, werde derzeit in einem Gutachten geprüft, das vor allem klimapolitische Aspekte berücksichtige. Im Herbst soll es vorliegen.

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„Handelt endlich – uns läuft die Zeit davon“, sagt Frida Mühlhoff und deutet auf den Altbau schräg gegenüber des Camps. „Hier ist das Büro vom CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung. Wir wollen den Druck erhöhen.“

Verzwölffachung der Parkgebühr

Ideen, wie der Ausstieg aus der fossilen Energienutzung gelingen kann, hat die Truppe. Sie fordern etwa eine Verzwölffachung der Parkgebühren nach Vorbild von Tübingen und Freiburg, autofreie Quartiere, ein Verbot der Betonnutzung und Ausbau von Solaranlagen.

Was müsste passieren, dass die Aktivisten abbrechen? „Wenn die Projekte wie die Gaspipeline, die dem Klimaschutz entgegenstehen, gestoppt werden.“ Ihr Wunsch ist, dass viele Konstanzer sich für das Camp interessieren, gemeinsam diskutieren, auch Kritiker seien Willkommen. Geplant seien Workshops und eine Demonstration am Freitag um 17 Uhr am Herosé-Park.