Eine gute Nachricht zum Start. 2025 wird der Bahnhofplatz fertig. So hat es Baubürgermeister Karl Lagensteiner-Schönborn jüngst beim Unternehmerfrühstück versprochen. Elf Jahre, nachdem der Gemeinderat das C-Konzept beschlossen hat, ist damit einer der zentralen Bausteine abgeschlossen. Konstanz bekommt für alle, die mit der Bahn hierherkommen, eine vorzeigbare Visitenkarte. Man muss schon sehr beckmesserisch veranlagt sein, das nicht gut zu finden.

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Was allerdings auch 2025 bei weitem nicht geschafft sein wird, ist die tatsächliche Neuorganisation des Innenstadt-Verkehrs. Es wird wohl auf Ende des Jahrzehnts zugehen, bis auch der Kreisel am Fischmarkt vollendet ist. Dann hat Konstanz viele Millionen in ein Verkehrskonzept investiert, das auf den Verhältnissen von 20 Jahren zuvor beruht. So, wie der Berliner Flughafen schon zu Betriebsbeginn hoffnungslos veraltet war, bekommt auch Konstanz möglicherweise eine Lösung von gestern für die Probleme von morgen.

Die Idee einer Durchfahrtsperre für Autos am Bahnhof stammt aus einer Zeit, als jeden Samstag eine Blechlawine Konstanz flutete. Es waren die großen Boomjahre des Einkaufstourismus, die Zeit vor der großen Verlagerung der Kaufkraft ins Internet und auch die Zeit, als die Mobilitätswende eine Idee weniger Idealisten war. Auf dieser Basis schafft Konstanz nun mit dem Geld der Bürger etwas Bleibendes, von dem niemand seriös sagen kann, wie dringend das die nächste und die übernächste Generation überhaupt noch braucht.

Was jetzt entsteht, passt möglicherweise nicht mehr ins Jetzt

Hier zeigt sich ein Kernproblem langer Planungs- und Umsetzungsprozesse: Was entsteht, passt möglicherweise nicht mehr ins Jetzt. Ähnliches lässt sich bei der B 33 hinterfragen. Drittes Beispiel: Als die Stadt das Bodenseeforum kaufte, waren Videokonferenzen vollkommen exotisch. Heute haben sie die Kongress- und Tagungsbranche auf den Kopf gestellt. Beim Bodenseeforum gelingt mit viel Phantasie eine gute Auslastung. Die Kreisverkehre am Lago und Fischmarkt werden zumindest keinen Schaden anrichten. Aus der fast eine halbe Milliarde Euro teuren B 33 wird man dagegen nicht so schnell einen Radschnellweg machen können.

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Das andere Problem der enormen Verzögerungen ist der Vertrauensverlust in Politik und Verwaltung. Denn wenn es bald eine Generation dauert, ein paar Innenstadt-Straßen neu zu organisieren, was machen wir eigentlich bei den wirklich großen Problemen? Und auch die Verantwortlichen selbst verlieren den Überblick. Beispiel Stephansplatz: Ja, schon 2008 gab es einen Grundsatzbeschluss, ihn autofrei zu machen. 16 Jahre später ist davon nichts umgesetzt. Jetzt geht es – vielleicht – wirklich bald los, und viele Beteiligte sind überrascht. Weil, und das ist bitter, sie an die Ankündigungen von einst selbst nicht glauben.

Auf dem Döbele nehmen bis heute Autos den weiterhin wohnungssuchenden Menschen den Platz weg. Auf dem Bückle-Areal konnte man in Sachen Wohnungsbau jahrelang Stillstand besichtigen. Von den im Handlungsprogramm Wohnen vor zehn Jahren beschlossenen Bauvorhaben sind viele noch nicht einmal begonnen. Und selbst bei der Pflanzung einiger Bäume auf der Marktstätte (vor genau zehn Jahren zum „Festsaal der Stadt“ ausgerufen) wachsen die Zweifel, ob das dieses Jahr noch was wird.

Wie kommt es zu diesem frustrierenden Stau?

An den Menschen, die in Politik und Verwaltung arbeiten, liegt es jedenfalls nicht. Klar, auch dort sind die Talente und der Fleiß unterschiedlich verteilt, aber wohl niemand im Ratssaal oder in den Verwaltungsbüros hintertreibt aktiv die Umsetzung von beschlossenen Vorhaben. Zum Teil mögen die Prioritäten nicht klug gesetzt sein, zum Teil lähmen auch die Strukturen.

Doch die eigentliche Antwort liegt in zwei anderen Bereichen. In Konstanz würde vieles schneller gehen, wenn: erstens der Gemeinderat nur Dinge beschließen würde, für die auch Geld und Kapazitäten da sind; und zweitens die Verwaltung von den Fesseln eines absurd gewordenen Regelwerks befreit würde und so auch die grassierende Absicherungsmentalität wieder durch den Mut zur Ermessensentscheidung ersetzt würde.

Als Konstanz sich für das C-Konzept entschlossen hat, war der Stau auf der Bodanstraße und am Bahnhof das vermeintlich größte Problem der Stadt. Heute ist es der Stau an nicht begonnenen, halb begonnen und nicht fertiggestellten Vorhaben (und die sich aufstauende Enttäuschung bei denen, die das alles bezahlen müssen). Wenn es auf der Straße staut, sind drei Dinge wichtig: erstens Rettungsgasse bilden, zweitens Hindernisse beseitigen, drittens Verkehr und Infrastruktur aneinander anpassen.

Zugegeben: Leicht ist das alles nicht

Das lässt sich auf die Stadtentwicklung übertragen. Durch die Rettungsgasse dürfen jetzt erst einmal die zwei, höchstens drei wichtigsten Vorhaben in der Stadt. Beim Bürokratieabbau kann die Verwaltung bei sich selbst anfangen und sonst mit allen anderen Kommunen auf Land und Bund nie dagewesenen Druck ausüben. Und in Sachen Kapazitäten wird der Gemeinderat den Mut brauchen, sinnbildlich die zu vielen Autos von der Straße zu holen und alles zu streichen, für das absehbar kein Geld da ist.

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Leicht ist das alles nicht, und alle, die sich ernsthaft dafür einsetzen, dass Konstanz nicht zur Ankündigungshauptstadt wird, verdienen jeden Respekt. Doch die Aufgabe ist aller Mühen wert. Denn wenn es klappt, passen die Projekte besser in die Zeit und entfalten schneller ihre Wirkung; das Vertrauen der Menschen in Politik und Verwaltung festigt sich – und die Stadtgesellschaft kann sich wieder hinter Zielen versammeln, die auch tatsächlich erreichbar sind. Und das wäre im Übrigen auch noch lange nicht die schlechteste Antwort auf diejenigen, die das Vertrauen in den Staat und damit unsere Demokratie aktiv zerstören wollen. Die gibt es nämlich auch in Konstanz.