Pro: Dass sie da sind, ist richtig und wichtig

Sven Frommhold zählt zu den Befürwortern: „Überhaupt Fahrradstraßen zu haben, ist richtig und wichtig. In zig anderen ...
Sven Frommhold zählt zu den Befürwortern: „Überhaupt Fahrradstraßen zu haben, ist richtig und wichtig. In zig anderen autogeplagten Städten können Radfahrer nur davon träumen.“ | Bild: SK

Ja, Fahrradstraßen sind keine Radwege. Zumindest nicht in Konstanz. Denn hier dürfen darauf auch Autos fahren. Der Grundkonflikt zwischen diesen beiden Verkehrsmitteln bleibt also bestehen. Nur eben unter anderen Vorzeichen: Der Schwächere ist hier der (vermeintlich) Stärkere und wird sichtbarer. Das sollte auch Bewusstsein oder zumindest ein besseres Gefühl dafür schaffen, dass man mit so einem Kraftfahrzeug eine echte Gefahr für alle ohne Knautschzone darstellt.

Dass viele Knautschzonenlose es in Konstanz geradezu darauf anzulegen scheinen, über den Haufen gefahren zu werden – gern freihändig, telefonierend und ohne Licht und Helm –, das soll an dieser Stelle zwar erwähnt werden. Es gehört aber nicht zum Thema.

Mit dem Rad in der Stadt unterwegs zu sein (wenn man dazu körperlich in der Lage ist), ist umweltfreundlicher, ressourcenschonender und geht oft sogar schneller als mit dem Auto. Preiswerter ist es ebenfalls. Für Regentage – um auch noch auf dieses Gegenargument einzugehen – gibt es gute Regenbekleidung, die weniger kostet als einmal Autosteuer.

Das könnte Sie auch interessieren

Und seien wir mal ehrlich: Wie oft muss man so viel einkaufen, dass es nicht mehr in den Rucksack oder die Fahrradtasche passt? Radfahren erhöht die Lebensqualität, aber nicht nur für die Radler selbst, sondern etwa auch für die Bewohner von Fahrradstraßen, durch die der motorisierte Verkehr nicht mehr ohne Einschränkungen tuckert, brüllt und stinkt. Mal abgesehen von dem Rodeo-Parcours auf der holprigen Schützenstraße geht es auf den blauen Routen auch sicherer, bequemer und meist schneller voran.

Dass Konstanz seine Radstraßen für Kraftfahrzeuge offen hält, wenn auch im Fall der Petershauser-/Jahnstraße nicht mehr durchgängig, darüber kann man streiten. Irgendwo muss der Verkehr ja hin, auch Autofahrer müssen schließlich ihre Wohnungen oder das Strandbad mit ihren fahrbaren Untersätzen erreichen können ... Müssen sie – von Ausnahmen wie Lieferverkehr und Rettungsdiensten mal abgesehen – wirklich? Das wäre eine völlig neue Fragestellung.

Das könnte Sie auch interessieren

Überhaupt Fahrradstraßen zu haben, ist richtig und wichtig. In zig anderen autogeplagten Städten können Radfahrer nur davon träumen. Wenn es Konflikte gibt, dann ja vor allem deshalb, weil die Nutzer entweder auf Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung (Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme) pfeifen oder/und gar nicht wissen, wie sie sich dort verhalten sollen.

Deshalb hier noch einmal kurz die wichtigsten Regeln, die in Konstanz zum Tragen kommen: Maximalgeschwindigkeit 30 Kilometer pro Stunde. Radler dürfen nebeneinander fahren, Autofahrer müssen – wenn überhaupt – vorsichtig mit mindestens 1,50 Meter Abstand überholen (so wie überall anders auch!). Und auf einem schwer einsehbaren Teil der Eichhornstraße, der extra ausgeschildert ist, ist es sogar ganz verboten.

Contra: Nicht konsequent zu Ende gedacht

Claudia Wagner sieht noch Verbesserungspotential: „Zu viele Schilder, Sonderregelungen, zu viele Autos: So ist eine Straße am ...
Claudia Wagner sieht noch Verbesserungspotential: „Zu viele Schilder, Sonderregelungen, zu viele Autos: So ist eine Straße am Schluss kein Paradies für Radfahrer, sondern ein komplizierter Kompromiss.“ | Bild: SK

Man könnte auch mal zufrieden sein. Es gibt Fahrradstraßen in Konstanz – und auf diesen haben Radfahrer bestimmte Vorrechte, zum Beispiel dürfen sie nebeneinander fahren und Autofahrer dürfen nicht drängeln (dürfen sie eh nicht).

Und es könnte ja auch alles so schön sein: Man setzt sich ab Zähringerplatz aufs Rad und radelt die Jahnstraße, dann die Petershauser Straße herunter, quert die Reichenaustraße, um jenseits der Fahrradbrücke in die Schottenstraße einzufahren. Das klappt erstens zügig, weil es abwärts geht, und bietet zweitens noch die Möglichkeit zur geselligen Nebeneinanderfahrt. Schließlich soll Radfahren hier auch Spaß machen.

Aber entspricht das wirklich dem Fahrradstraßen-Erlebnis? Perspektivwechsel: Ein Radfahrer steigt am Zähringerplatz aufs Rad und fährt die Jahnstraße hinunter, dieses Mal aber in Begleitung eines radelnden Kindes. Kinder brauchen einfache Erklärungen, aber wie soll eine solche ausfallen? „Hier in der Fahrradstraße dürfen wir nebeneinander fahren, aber rechts musst du auf einbiegende Autos achten. Halte dich rechts, aber nicht zu weit rechts, denn dort wird gleich ein Auto ausparken.“

Das könnte Sie auch interessieren

Es wird also doch herzlich komplex, das Radeln, und das ändert sich nicht im Verlauf: Es beginnt mit dem Schilderwald, der ab der Steinstraße dem Autofahrer signalisiert, was er darf und was nicht, nämlich nach rechts in die Radstraße einbiegen. Die Schilder betreffen den Radler zwar nicht, verwirren aber.

Im Verlauf von Jahn- und Petershauser Straße ist auf vorausfahrende, einbiegende und parkende Autos zu achten. In der Schottenstraße wird es nicht einfacher: Räder fahren dicht an den geparkten Autos vorbei, das ist die eine Gefahrenquelle. Die andere kommt in Form von ausladenden Autos entgegen, die locker die Breite ihrer Fahrbahn überschreiten – denn die Schottenstraße ist schmal. Eine dritte sind schnellradelnde Rüpelradler, eine Spezies, die in Fahrradstraßen leider schwer vermeidbar ist.

Das könnte Sie auch interessieren

Ist die Fahrradstraße also konsequent zu Ende gedacht? Das ist sie nicht. Zu viele Schilder, Sonderregelungen, zu viele Autos: So ist eine Straße am Schluss kein Paradies für Radfahrer, sondern ein komplizierter Kompromiss. Das macht sie zwar deutlich sympathischer als einen schmalen Schutzstreifen am Rand einer vielbefahrenen Straße.

Aber wenn es um Sicherheit geht, entscheidet sich der Radler mit dem Kind unter Umständen doch für den Radweg, allein schon, weil er dann nicht beständig vorausschauend auf das Agieren der Autofahrer achten muss. Eine Radstraße ist eine schöne Sache, wenn sie Radler schützt. Wenn Autofahrer sie fürchten, weil sie kaum vorankommen, und Radler sie nicht lieben, weil sie zu viel Mitdenken erfordert, dann hat sie zumindest einen Zweck verfehlt: Sie sollte Genuss und Bequemlichkeit bieten. Schade, wenn sie es nicht kann.