Horst Oehri und Thomas Blaser sind irritiert und enttäuscht. Sie wollten 2010 mit Alfred Frey und Klaus Hamm viel Geld in ihre Heimatstadt investieren, doch ihr Konzept einer Strandbar auf Klein Venedig wurde abgelehnt. Seit drei Jahren aber gibt es aber nun auf Klein Venedig eine Strandbar, seit zwei Jahren große Sommerkonzerte.
„Wie kann das sein?“, fragt sich Horst Oehri. „Uns sagte das Amt für Stadtplanung und Umwelt damals, es würden keine neuen Angebote auf Klein Venedig und dem Hafenareal genehmigt, solange die Bahnschienen dort liegen und es keine Unterführung unter den Gleisen gibt. Unter diesen Umständen sei die Sicherheit nicht gewährleistet.“

Bisherige Veranstaltungen hätten aber Bestandsschutz, so Oehri. Er wundert sich: „Was hat Bestandsschutz mit Sicherheit zu tun? Entweder hat man ein Sicherheitskonzept oder nicht.“ Und überhaupt: „Warum feierten das Seesucht-Festival 2016 und das Theaterzelt 2019 auf Klein Venedig Premiere? Das hätte ebenfalls abgelehnt werden müssen“, ärgert sich der 66-Jährige.
Erst recht wurden die vier Konstanzer Familien stutzig, als 2021 auf Klein Venedig eine Strandbar eröffnete. „Und zwar ohne Ausschreibung!“, sagt Thomas Blaser, der über 22 Jahre lang einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt betrieb. „Wie das gelaufen ist, war nicht richtig. Stadträte und Verwaltung wussten, dass wir auch schon lange eine Strandbar eröffnen wollen“, so der 67-Jährige.

Zur Begründung der Ablehnung schrieb Oberbürgermeister Uli Burchardt nach längerer Vorgeschichte im Januar 2013 an die vier Antragsteller, das Gelände solle „in erster Linie der öffentlichen und nicht einer privatisierten Freiraumnutzung vorbehalten sein“.
Zudem stehe „die aktuelle Beschlusslage des Gemeinderats einer Strandbar entgegen. Auch aus Sicherheitsgründen (Erreichbarkeit des Geländes für Rettungsfahrzeuge) werden keine neuen, zusätzlichen Veranstaltungen mehr zugelassen.“

Jahrelang sprachen die vier Initiatoren mit Lokalpolitikern, schrieben E-Mails und hakten nach – ohne Erfolg. Jetzt wundern sich die vier Antragsteller, was sich seit 2010 an den Rettungswegen auf Klein Venedig geändert haben soll, wenn dort nun große Konzerte mit 8000 Besuchern stattfinden dürfen. Jüngst waren Cro und Zucchero zu Gast. „Die Schienen sind immer noch da, die Unterführung fehlt weiterhin“, sagt Thomas Blaser.
Doch die Beurteilung der Sicherheitslage auf Klein Venedig ist inzwischen eine andere als direkt nach dem Unglück von Duisburg im Sommer 2010. Damals starben 21 Menschen aufgrund einer Massenpanik bei der Loveparade. Unter diesem Eindruck verschärften sich in ganz Deutschland die Sicherheitsbestimmungen.
Keine Unterführung mehr geplant
Außerdem wird eine Unterführung unter den Bahngleisen jetzt nicht mehr als nötig angesehen. Nach verschiedenen Prüfungen zur Erschließung von Klein Venedig hielt der Technische und Umweltausschuss 2020 fest: „Die Unterführung ist aus städtebaulichen Gründen nicht erforderlich und wird im Gegenteil negativ bewertet. Auch die Rettungsfristen von zehn Minuten können im Regelfall eingehalten werden.“
Dennoch sollten laut Beschluss eigentlich keine neuen Veranstaltungen auf dem Gelände genehmigt werden. Frank Conze, stellvertretender Leiter des Bürgeramts, erläutert, warum es anders kam: „Nach der Corona-Pandemie kamen die Veranstalter und die Marketing und Tourismus GmbH (MTK) auf uns zu und sagten, wir bräuchten nach der schwierigen Zeit ein Angebot für die Menschen.“
Namhafte Künstler überzeugten die Verwaltung
Das Bürgeramt habe für 2022 einmalig zugestimmt, weil mit Jan Delay, den Beatsteaks und Mark Forster namhafte Künstler angekündigt wurden. „Dann hat Kokon gefragt, ob sie für 2023 nochmal eine Genehmigung bekommen“, sagt Conze. „Bei Cro und Zucchero haben wir erneut Ja gesagt, obwohl Rettungsdienst und Feuerwehr nicht begeistert waren.“
Die Verwaltung entscheidet laut Frank Conze heute von Fall zu Fall und berücksichtigt dabei den Bedarf eines Angebots. „Als die vier Familien 2010 ihren Antrag stellten, gab es keinen Bedarf an einer Strandbar auf Klein Venedig, wir hatten genug Biergärten“, sagt er.

„Geld allein ist kein Argument“
Dass sie eine große Summe für die Aufwertung des Areals bezahlt hätten, sei kein Argument: „Nur weil jemand Geld bringt, kann die Stadt trotzdem sagen, dass sie keinen Bedarf sieht“, begründet Conze. „Gemeinderat und Verwaltung entscheiden über den öffentlichen Raum.“
Warum gibt es aber seit 2021 eine Strandbar auf dem Areal? Damals habe die Verwaltung dringend handeln müssen, weil es am Herosé-Park Konflikte zwischen Anwohnern und Feiernden gab. „Mit einem kurzfristigen Angebot auf Klein Venedig wollten wir eine Alternative bieten“, erklärt Frank Conze. Deshalb sei die See-Oase im ersten Jahr ohne Ausschreibung vergeben worden.

Im zweiten Jahr „wurde es seitens der Verwaltung zeitlich knapp“, also bekamen Kay Brüggemann und Tino Schumann 2022 erneut den Zuschlag. „Von Dezember 2022 bis Januar 2023 haben wir dann die Strandbar für 2023 im Amtsblatt ausgeschrieben. Außer den aktuellen Betreibern hat sich niemand beworben.“
Die vier Familien sind überhaupt nicht dagegen, dass auf Klein Venedig wieder Leben einzieht. „Im Gegenteil!“, sagt Horst Oehri. „Wir haben in Konstanz keine Industrie mehr, wir brauchen den Tourismus und belebte Orte.“
Sie haben auch gar nichts gegen die See-Oase. „Aber die Art und Weise, wie diese Angelegenheit hinter verschlossenen Türen geregelt wurde, führt bei engagierten Bürgern nicht dazu, dass die Motivation steigt“, meinen die Familien.
Vor allem sind sie enttäuscht, weil sie auf ihre letzten Schreiben von 2021 und 2022 an die Stadt bislang keine Antworten erhielten. „Gegenüber den Stadträten haben wir Antworten gegeben“, sagt Frank Conze. „Aber wenn wir gegenüber den Bürgern nicht ausreichend kommuniziert haben, tut uns das leid.“