Ostern fällt in den Frühling, die Natur erwacht wieder zum Leben, alle Zeichen stehen auf Neuanfang. Sie verlassen Konstanz demnächst. Wie bereiten Sie sich auf diesen Neuanfang vor?

Thomas Mitzkus: Ich fahre öfter zur neuen Stelle hin. Es gibt ein paar Themen, bei denen ich denke, dass es gut ist, wenn ich mich jetzt schon orientiere und die Leute kennenlerne. Dann verbinde ich das, wenn es sich an einem schönen Tag anbietet, damit, die Stadt Villingen und die Umgebung etwas kennenzulernen. Der Frühling ist auch im Schwarzwald schön. Am Bodensee natürlich ganz schön.

Marcus Maria Gut: Interessanterweise grenzt dieses Gebiet an meine Heimatpfarrei. Ich bin aus Rottweil und das geht fast ineinander über. Also, insofern ist es für mich ein bisschen so, wie ganz nah an die Heimat zurückzukommen.

Fällt Ihnen der Abschied schwer?

Thomas Mitzkus: Es ist schade, von Konstanz wegzugehen, es ist ja ein schöner Ort. Und die Leute, die ich hier in der Pfarrei kennengelernt habe, sind besondere Leute, die sich engagieren, die mit Herzblut dabei sind. Das hat eine persönliche Seite bekommen.

Marcus Maria Gut: Das kann ich so bestätigen. Für die Menschen in unseren Kirchengemeinden war es schon erschreckend und frustrierend, dass wir nach fünfeinhalb Jahren wieder weggehen. Und da bemerkt man schon auch eine Mutlosigkeit.

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Die Gemeindemitglieder verlieren nun innerhalb einer relativ kurzen Zeit schon wieder zwei Seelsorger. Gibt es trotzdem noch den Mut, sich wieder auf Neues einzulassen?

Thomas Mitzkus: Von denen, die schon lange dabei sind, gibt es einige, die sagen, wir gehen da dran. Es sind ein paar, die schon lange die Pfarrei an wesentlichen Punkten mitgestalten. Das ist eindrucksvoll. Es gibt manche, die auch zu Recht sagen, es ist jetzt eine Phase, wo ich nach einer längeren Zeit mein Ehrenamt niederlege. Das ist berechtigt, dafür sind Einschnitte auch da. Und dann gibt es natürlich noch die hauptamtliche Seite im Seelsorgeteam, das die vielen Veränderungen, auch bevor ich gekommen bin, schon mitgetragen hat. Das möchte ich sehr wertschätzen.

Marcus Maria Gut: Bei uns ist es sogar der dritte Wechsel in kurzer Zeit. Mein direkter Vorgänger war nur ein gutes Jahr da. Bei mir ist es so, dass ich den Vorteil sehe, dass unter den Ehrenamtlichen etliche sind, die bereits Erfahrung mit einem Gemeindeteam haben und da möchten viele weitermachen. Da bin ich sehr optimistisch. Und genauso die Hauptamtlichen, die das ja auch schon begleitet haben.

Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht der Glaube noch in der Stadtgesellschaft, wenn immer mehr Menschen aus der Kirche austreten?

Thomas Mitzkus: Er spielt eine immer geringere Rolle. Die Leute von früher sagen, dass Bezüge viel selbstverständlicher, viel deutlicher waren. Das hat sicher abgenommen, es wäre auch verwunderlich, wenn es anders wäre. Wenn man über die offiziellen Dinge hinausgeht, empfinde ich es als erstaunlich, was Leute an persönlichen Verbindungen haben. Aber dass der Glaube generell für Menschen weniger wichtig ist, das spüren wir auch, und das ist eine Freiheit, die sich unsere Zeit nimmt.

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Marcus Maria Gut: Da ist es interessant, wenn man mit den Menschen im Gespräch ist. Es ist nicht so sehr der Glaube grundsätzlich. Es ist für sie diffuser geworden, sie können es nicht mehr so fassen, weil sie nicht mehr so eingebunden sind oder sich einbinden lassen wollen. Die Distanz besteht mehr zur amtlichen Seite. Es gibt schon, glaube ich, eine Sehnsucht und eine Suche nach Glauben. Aber da anzusetzen und das wieder neu zu füllen, das ist sehr schwierig.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Was glauben Sie, wie geht es für die Kirche weiter?

Marcus Maria Gut: Wir als Kirche dürfen nicht mehr erwarten, dass die Leute jetzt einfach zu uns kommen, sondern wir müssen neue Wege suchen, neue Wege finden, zu den Menschen zu gehen. Und auch mit unserer Arbeit, unserem Angebot, neue Orte erschließen.

Pfarrer Marcus Maria Gut: „Wir als Kirche dürfen nicht mehr erwarten, dass die Leute jetzt einfach zu uns kommen, sondern wir müssen ...
Pfarrer Marcus Maria Gut: „Wir als Kirche dürfen nicht mehr erwarten, dass die Leute jetzt einfach zu uns kommen, sondern wir müssen neue Wege suchen, neue Wege finden, zu den Menschen zu gehen.“ | Bild: Simon Wöhrle

Thomas Mitzkus: Ich bin zuversichtlich, dass sich von den Ideen, die jetzt schon da sind, einige als zukunftsträchtig erweisen werden. Das kann ich nur unterschreiben, dass wir die Bewegungen umkehren müssen und sagen, wir müssen das Wort Jesu aufgreifen: Geht hin. Nicht sitzt da und wartet. Das ist ein Impuls, der uns noch schwerfällt. Wenn die Kirche Konstanz insgesamt kleiner wird, aber ein paar profilierte Angebote hat, kann ich mir das schon vorstellen.

Muss die Kirche sich auch verändern, vielleicht mit alten Dogmen brechen?

Marcus Maria Gut: Ich glaube schon, dass das notwendig ist. Es braucht aber einfach wahnsinnig viel Zeit. Seit Jahren wird auch immer wieder etwas verändert. Wir hatten in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts das Zweite Vatikanische Konzil. Das war ein Wahnsinnsumbruch. Da gab es massive Veränderungen, an die heute niemand mehr denkt. Und es gibt die Themen wie Zölibat oder auch die Öffnung für Frauen zum Weihe-Amt. Es ist notwendig, das zu bedenken. Nur das braucht einfach Zeit, weil wir eine Weltkirche sind und weil wir in Deutschland anders ticken als in Afrika, in Asien oder in Lateinamerika.

Thomas Mitzkus: Schauen wir auf die evangelische Seite rüber, dann merken wir, die haben es auch nicht leichter. Die haben ja das, was oft gefordert wird, die verheirateten Amtsträger, die Frauen im Amt. Da könnte man und muss man auch noch mehr machen, damit diese Großartigkeit, die viele Frauen mitbringen, auch Platz hat. Aber wir sehen auch, es ändert nicht einfach den Bezug zu einer Institution, die für viele Leute ein Inbegriff von etwas Altem ist, was sie nicht mehr möchten.

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An Ostern beschäftigen wir uns auch immer mit dem Tod. Wie sieht Ihre Vorstellung davon aus, was passiert, wenn das Leben hier auf Erden endet?

Thomas Mitzkus: Ich glaube, wenn ich Jesus verstehe, dann beschreibt er oft so etwas wie eine Atmosphäre. Ein Bild von ihm ist das Vaterhaus, also der vertraute Ort, sodass ich mir schon vorstellen kann, dass das ein Hindurchgehen ist. Das ist ja auch die Ehrlichkeit, die der Karfreitag hat, das ist kein Vorbeigehen am Tod. Ich weiß, ich werde sterben und wahrscheinlich Punkte der Angst haben. Und ich weiß, dass ich bis an den Punkt muss, an dem ich mich ganz hergeben muss. Wie die Begegnung mit Jesus und mit Gott aussehen wird, das ist eine Überraschung. Aber ich weiß, diese Momente, die mir Gott schon mit sich geschenkt hat, sind sehr besondere gewesen. Und ich kenne keine Besondereren in meinem Leben. Deshalb bin ich auch Priester.

Pfarrer Thomas Mitzkus: „Das ist ja auch die Ehrlichkeit, die der Karfreitag hat, das ist kein Vorbeigehen am Tod. Ich weiß, ich werde ...
Pfarrer Thomas Mitzkus: „Das ist ja auch die Ehrlichkeit, die der Karfreitag hat, das ist kein Vorbeigehen am Tod. Ich weiß, ich werde sterben und wahrscheinlich Punkte der Angst haben.“ | Bild: Simon Wöhrle

Marcus Maria Gut: Mit dem Thema beschäftige ich mich schon sehr lange. Das war auch der Grund, warum ich diesen Beruf letzten Endes gewählt habe. Weil ich erfahren durfte, dass Gott mir das Leben mehrmals geschenkt hat. Ich habe vor dem Tod, glaube ich, keine Angst. Vor dem Sterben könnte ich Angst bekommen. Also der Prozess, nicht zu wissen, was geschieht dann mit mir, oder werde ich einen Leidensweg durchmachen müssen. Das macht manchmal auch unruhig. Wenn man in der Begleitung von Sterbenden ist und sieht, wie manche kämpfen müssen, bis sie loslassen können oder bis sie gehen dürfen, das gibt mir zum Nachdenken. Was danach kommt, das kann ich nicht beschreiben. Dass aber etwas danach kommt, davon bin ich seit meiner Kindheit felsenfest überzeugt.

Den Neubeginn gibt es in fast keinem Bereich ohne eine Trauerphase. Warum sind Hoffnung und Trauer so untrennbar miteinander verbunden?

Marcus Maria Gut: Das ist das Werden und Vergehen, was sich im Kreislauf der Natur wiederholt. Und was auch im Glauben aufgegriffen wird, nur, dass es dort den Kreislauf auf ein Ziel hin durchbricht. Das Bild vom Korn, das in die Erde fällt und stirbt, damit etwas Neues wächst. Damit arbeitet Jesus in seiner Predigt auch, indem er viel aus der Natur nimmt und den Menschen erklärt, dass aus einer schmerzlichen Erfahrung wieder etwas Gutes, etwas Neues hervorwachsen kann. Es ist schlicht und einfach ein Stück weit gesetzt. Wir machen das ja nicht freiwillig, es gehört einfach zusammen.

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Welche Neuanfänge wünschen Sie sich für Konstanz?

Thomas Mitzkus: Ich würde mir mehr Verbindungen zwischen den vielen guten Initiativen wünschen. Wir leben noch viel nebeneinander. Da würde ich mir noch mehr Gemeinschaftlichkeit wünschen. Im überschaubaren Raum noch mehr miteinander tun, darin könnte viel mehr Kraft liegen. Vielleicht werden wir es noch mehr brauchen.

Marcus Maria Gut: In meiner Gemeinde, wo ich jetzt noch leitender Pfarrer bin, entsteht gerade der größte neue Stadtteil, im Hafner draußen. Ich denke, dass die Stadt da den Blick in jeglicher Hinsicht auch auf Familien, auf junge Menschen hat und noch verstärkt haben muss in allen Bereichen. Es fängt bei bezahlbarem Wohnraum und guter Erreichbarkeit, öffentlichem Nahverkehr an, dass man einfach auch das Gefühl hat, wir können überall hier hinkommen und sind willkommen. Und natürlich auch für ältere Menschen. Das ist eine Herausforderung.