Die Auseinandersetzung schwelt bereits seit einigen Monaten, jetzt eskaliert der Konflikt: Wegen massiver Verzögerungen beim Ausbau der neuen Bodenseefähre mit Flüssiggasantrieb könnten sich die Stadtwerke von ihrem Projektpartner, der Hamburger Werft Pella Sietas, trennen.
„Wir haben eine Exit-Strategie vorbereitet“, sagt Norbert Reuter, Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz, im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Die Corona-Krise trifft den Projektpartner hart
Sollte Pella Sietas die Arbeiten nicht unverzüglich wieder aufnehmen und die Fertigstellung der Fähre zum Jahresende garantieren, werde man von dem gemeinsamen Vertrag in Teilen zurücktreten und eine andere Werft mit dem Ausbau beauftragen, erklärt Reuter.
Die Werft aus Hamburg ist als Generalunternehmer mit dem Bau der Gasfähre beauftragt, der vereinbarte Festpreis beläuft sich auf insgesamt 17,7 Millionen Euro. Elf Millionen Euro davon sind nach Angaben der Stadtwerke bereits für den Rohbau des Schiffes geflossen.
Im Juni 2020 brachte die Tabor den Rohbau der Fähre aus dem österreichischen Fußach in den Staader Hafen – seitdem stehen die Arbeiten still.
Pella Sietas möchte sich auf Anfrage nicht im Detail zu der laufenden Auseinandersetzung mit den Stadtwerken äußern. Geschäftsführerin Beate Debold erklärt aber: Der Stillstand stehe in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Die Werft leide wie viele andere deutsche Schiffbauunternehmen unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise. „Infolge der COVID-19-Krise wurden viele Investitionen aufgeschoben oder ausgesetzt. Dem Schiffbau brechen hierdurch wichtige Aufträge weg, die für die finanzielle Stabilität sehr wichtig sind“, schreibt Debold.
Das Unternehmen halte an der Vereinbarung fest, die Bodenseefähre für die Konstanzer Stadtwerke „auftragsgemäß fertigzustellen und zur vollsten Zufriedenheit unseres Kunden abzuliefern“, heißt es weiter in der Stellungnahme der traditionsreichen Werft.

Nachforderungen in Millionenhöhe befeuern den Streit
„Grundsätzlich freut uns dieses klare Bekenntnis natürlich“, sagt Reuter. Man habe auch Verständnis für die schwierige Situation der Werften in der Corona-Krise. Allerdings müsse dem Bekenntnis nun auch ein konkreter und mit den Partnerfirmen abgestimmter Terminplan folgen.
Ob Pella Sietas liefern kann, scheint indes fraglich. So hat das Schiffbauunternehmen nach Angaben der Stadtwerke einen Dienstleister für die Auslieferung eines Propellers bis heute nicht bezahlt.
Die betroffene Firma habe bereits im Herbst 2020 die Stadtwerke auf Herausgabe des Antriebs verklagt, was das Gericht abgewiesen habe. Die sofortige Zahlung des Propellers sei eine der Bedingungen für eine weitere Zusammenarbeit, so Reuter.

Auch Nachtragsforderungen in Millionenhöhe befeuern den Streit: Pella Sietas habe in den vergangenen Monaten Mehrkosten von insgesamt etwa vier Millionen Euro geltend gemacht, erzählt Reuter. Die Stadtwerke lehnen Forderungen in dieser Höhe als unbegründet ab.
Der mit der Werft vereinbarte Festpreis von 17,7 Millionen Euro sei realistisch, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke. „Die Angebote der in der damaligen Ausschreibung unterlegenen Anbieter lagen nicht wesentlich darüber.“
Grundsätzlich sei man weiter an einer Einigung interessiert und zur Zahlung begründeter Mehrkosten bereit, so Reuter. „Die Verhandlungen müssen nun allerdings kurzfristig zu einem belastbaren und akzeptablen Ergebnis kommen.“

Bedingungen der Stadtwerke sind unter anderem, dass die Hamburger Werft die Arbeiten sofort wieder aufnimmt und eine Fertigstellung bis Jahresende garantiert. Eigentlich hätte die Gasfähre erstmals Anfang 2021 zwischen Konstanz und Meersburg verkehren sollen.
Für den Fall das Pella Sietas nicht schnell liefert, wollen die Stadtwerke ihre Exit-Strategie umsetzen: Diese sieht vor, von dem Vertrag in Teilen zurückzutreten und den Ausbau der Gasfähre neu auszuschreiben. Den Einsatzbeginn der neuen Bodenseefähre würde das um weitere Monate zurückwerfen, erklärt Reuter. Und ergänzt: „Irgendwann muss man den Knoten lösen.“