Die Empfehlungen des Landes für die Impfungen in Seniorenheimen durch mobile Impfteams sorgen in Konstanzer Einrichtungen für Diskussionen. Denn: Laut dem Papier, das dem SÜDKURIER vorliegt, sollen Bewohner, die bereits eine Covid-19-Infektion durchgemacht haben, „zunächst nicht geimpft werden“.

Wer nicht mobil ist, wird auf späteren Zeitpunkt geschoben
Auch Personen, die im betreuten Wohnen leben, müssen warten. Sind sie über 80 Jahre alt, können sie zum Impfzentrum. Geht das aber „mangels Mobilität“ nicht, „erfolgt die Impfung zu einem späteren Zeitpunkt voraussichtlich im Rahmen der Regelversorgung“.
Es gibt aber eine Ausnahme, auf die die Bewohner im ambulant betreuten Wohnen des Parkstifts Rosenau gehofft hatten: Ist nämlich ambulantes Wohnen im gleichen Gebäude wie eine stationäre Einrichtung oder mit ihr durch einen Gang verbunden, darf das Impfteam alle impfen.

Das stationäre Haus Loretto gehört zum Parkstift Rosenau. Zwar sind sie nicht im gleichen Haus, aber, wie Direktor Herbert Schlecht betont: „Wir gehören zusammen, wir sind eins und so eng verzahnt durch Haustechnik und Küche, wir sehen uns da schon in dieser Ausnahme einbegriffen.“ Allerdings liegt zwischen Haus Loretto und dem Parkstift eine Straße.
„Unser Verbindungsgang ist die Ampel“, sagt Schlecht.
Ralf-Joachim Fischer ist Vorsitzender des Stiftsbeirats der Rosenau. Er ist 78 Jahre alt. Dass es länger dauert mit dem Impfen, weil weniger Impfstoff als gedacht da ist, kann er verstehen. „Ich kann nicht sagen: Wir als Einzelne haben die höchste Priorität. Dass wir Wert darauf legen, dass es bald soweit ist, ist klar“, sagt er salomonisch.
Nicht in Ordnung hingegen fände er es, wenn das Impfteam ins Haus Loretto käme, aber der Parkstift leer ausginge. „Dann müssten sie uns aber sagen, wann der Rest kommt. Zur Not müssten wir noch einmal nachlegen und Verantwortliche kontaktieren. So kann das nicht sein.“
Durch die Pandemie seien die Menschen vereinsamt. Menschen, die bewusst in den Parkstift gezogen seien, um ihre letzte Lebensphase in Gemeinschaft zu erleben.
Landrat dämpft die Erwartungen
Landrat Zeno Danner (parteilos) kann die Senioren verstehen. Aber er dämpft die Erwartungen: „Dass viele gerne bald geimpft werden wollen, zeigt die große Bereitschaft, was positiv ist. Wir sind leider in einer Mangelverwaltung und müssen dorthin zuerst, wo Menschen sterben, wo es wehtut: Und das sind die Pflegeheime.“
Außerdem die Krankenhäuser. „Das sind die Top-Prioritäten.“ Wenn es logistisch Sinn ergebe, könne auch mal ein betreutes Wohnen berücksichtigt werden, allzu viel Hoffnung will Danner aber nicht machen. Er erklärt die Lage: „Wir haben 500 Impfdosen die Woche. Gestern kam die erste offizielle Lieferung mit 1170 Dosen. Gerecht wird es bei dieser Menge nie werden.“
Vertrauen auf Impfkommission
Was sagt er dazu, dass Senioren, die bereits Covid-19 hatten, vorerst keine Impfung bekommen? Die Idee dahinter ist, dass der Großteil der schon einmal Infizierten gegen den Virus immun ist. Danner: „Wenn das die Impfkommission empfiehlt, dann vertraue ich darauf. Da sitzen Hochqualifizierte.“ Auch in den Führungsetagen der Konstanzer Seniorenheime stößt diese Regel überwiegend auf Verständnis.
So sagt Caritas-Vorstand Andreas Hoffmann: „Vorerst ist diese Regelung für uns aus Solidaritätsgründen nachvollziehbar.“ Wenn ausreichend Impfstoff vorhanden sei, wolle er sich für eine Nachimpfung einsetzen.
Und Virologin Simone Brunner schätzt ein: „Das Vorgehen ist absolut sinnvoll. Man sollte davon ausgehen, dass Patienten nach Covid-Erkrankung erstmal immun sind. Es ist so wenig Impfstoff verfügbar, dass hier definitiv keine Impfdosen unnötig verschossen werden dürfen.“
Es gebe so viele Menschen, die unbedingt geimpft werden sollten, dass die Gruppe der vermeintlich Immunen ausgespart werden müsse. „Es ist bislang nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz von Pflegepersonal und Ärzten geimpft worden. Hier besteht dringender Nachholbedarf“, erinnert sie.
„Wir können eigentlich nicht mehr, schon lange nicht mehr“
In Konstanz besonders von der Regel betroffen wäre das Margarete-Blarer-Haus. Nach einem Corona-Ausbruch im Dezember mit neun Todesfällen kann, wie Leiterin Erika Fuchs erklärt, „über die Hälfte des Hauses nicht geimpft werden“. Die Situation sei keine gute, weil auch Angehörige und Bewohner ungeduldig nachfragen. „Wir können eigentlich nicht mehr, schon lange nicht mehr.“
Risiko zweite Infektion
Ein 73-Jähriger aus Freudenstadt verstarb kürzlich durch eine zweite Corona-Infektion. Er war offensichtlich nicht immun. Wie hoch ist dieses Risiko? Simone Brunner schätzt ein: „Der Fall darf nicht als Indiz bewertet werden, dass Mehrfachinfektionen üblich sind. Es handelt sich sicherlich um einen seltenen Sonderfall, der auch noch weiter beleuchtet werden muss.“ Weltweit sind bisher kaum ähnliche Fälle bekannt. (ems)