Um etwas über Staad zu lernen, muss man nur die Fischerstraße von Allmannsdorf hinunter zum Hafen gehen. Rechts und links des Weges findet man in den Häusern die Menschen dieses Stadtteils. Drei Haltepunkte in der Fischerstraße haben wir besucht.

Die Fischerstraße 33
In Staad gibt es das Hotel und Restaurant „Schiff“. Schon sehr lange. Für Rita Baumgärtner war das Hotel „mein zweites Zuhause.“ Für sehr lange. Die heute 87-Jährige, ursprünglich aus Bayern stammend, hat seit 1969 dort im Service und an der Rezeption gearbeitet, sie hat wechselnde Besitzer und Modernisierungen erlebt.

Als die Universität gebaut wurde, kamen Professoren zum Übernachten, es gab Veranstaltungen auf der Mainau, es stiegen die Belegungszahlen, Rundfahrten und Reisegruppen machten hier Halt. Im Restaurant gab es die Konstanzer Stammgäste, Geschäftsleute, die über Jahre kamen. Aber die meisten seien inzwischen verstorben. „Ich habe immer so viel Wertschätzung von den Gästen erfahren.“
Die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit, die man ihr früher entgegenbrachte, das berührt sie heute noch. Aber das ist lange her. Sie war die gute Seele des Hauses. Und erst im Alter von 83 Jahren hörte sie auf. Von ihrer Wohnung sind es nur wenige Schritte hinüber gewesen. Vom Balkon ihrer Wohnung im zweiten Stock aus schaut sie auf den Vorplatz des Hafens, ihren ehemaligen Arbeitsplatz immer vor Augen.
Eine Schweizer Schulklasse mit ihren Fahrrädern hält gerade an, ein buntes Stimmengewirr dringt nach oben. „Hier ist immer was los.“ Die Gastronomie war ihr Leben. Schon bevor sie ihren Mann, der Konstanzer war, heiratete, hatte sie 18 Jahre in München in einem Lokal gearbeitet. Sie schaut mit wachen Augen in die Welt, die zwei Treppen hinauf zu ihrer Wohnung geht sie aber noch und betrachtet dies als tägliche Gymnastik, denn Aufzug gibt es keinen.
Nein, als Gast sei sie nie ins „Schiff“ gegangen, „das gehörte sich einfach nicht.“ Ihre Nachfolgerin an der Rezeption besucht sie regelmäßig, da hat der Kontakt gehalten. Seit 42 Jahren ist sie Witwe, kocht sich jeden Mittag noch selbst etwas zu essen, hier in Staad, wo für Rita Baumgärtner arbeiten und leben so dicht beieinanderlagen.
Fischerstraße 4
Bleibt man beim Gastromischen, landet man unweigerlich bei der „Traube“ und trifft dort den Seniorchef Manfred Renker (83). Er lebt nun schon jeden Tag seines Lebens hier, selbst zur Geburt hat seine Mutter das Haus nicht verlassen; und den Namen der Hebamme, „das war eine Frau Groß“, weiß er auch noch.
1890 hat sein Großvater Leo hier eingeheiratet, er war ein Allmannsdorfer, ein geschäftstüchtiger Gastwirt, der in den 1920er-Jahren eine Freiluftkegelbahn errichtete. Damals war Staad noch ein Fischerdorf. „Hier gab es früher dreißig Fischerboote im Hafen.“
Draußen auf dem Wasser kamen morgens die Fischer von Uhldingen und Dingelsdorf, um die Netze auszulegen. „Und tagsüber langweilten sie sich, weil sie bis abends warten mussten, um die Netze wieder einzuholen.“ Diese „Lücke“ habe sein Großvater genutzt.
Die Fischer kamen, kegelten, tranken ihren Most und fuhren abends mit dem Fischfang wieder heim. Ein „Kegelbub“, der an der Bahn in einem Häuschen saß, war angestellt, um die umgeworfenen Kegel wieder aufzustellen. Das ging bis 1980 so. Dann kam eine vollautomatische Kegelbahn, natürlich inzwischen längst überdacht.

Als Manfred Renker 1966 das Gasthaus von der Mutter übernahm, blieben die Gäste oft noch drei Wochen in den Zimmern. „Dann kamen die Billigflieger ins Ausland“, heute sind es nur noch wenige Nächte. Damals hätten ihn schon im Winter Gäste angeschrieben, per Post, um für den Sommer ein Zimmer zu reservieren. „Dann kam das Telefon, dann das Fax, zum Schluss das Internet.“
In der Küche zogen computergesteuerte Geräte ein. „Da habe ich aufgehört“, das war 1997. Inzwischen führen beide Söhne das Wirtshaus. Er selbst hat noch Metzger gelernt, im Winter gab es die beliebten Schlachtfeste. „Und die Leute waren auch mit einem Gulasch ohne Schnickschnack zufrieden.“
Hinter dem Haus auf der Wiese tummeln sich seit Jahrzehnten Tiere, einst gab es auch Truthähne, einen Pfau und einen Esel. Unzählige Konstanzer Familien mit Kindern standen schon am Zaun. Als er selbst Kind war, so erinnert sich Renker, gab es vier Bauernhöfe in der direkten Nachbarschaft. Mit Ställen und Vieh. Bis auf die Fischerhäuschen nur freie Wiesen.
Inzwischen ist alles bebaut, der Lauf der Zeit. Der Hof hat viel erlebt, 1896 brannte er ab, der Großvater hat ihn wieder aufgebaut, Manfred Renker in den 80ern aufwendig renoviert und ausgebaut, Heizung und Toiletten in den Keller gelegt. Und auch heute ist die Geschichte noch präsent, wenn er von Brenn-, Fischerei- und Hafenrecht erzählt, die im Besitz der Familie sind.
Fischerstraße 16
Vom Gastronomischen zum Architektonischen: Hier steht ein Bau, den Christoph Biehler 1967 errichtete und bei der Planung auf massiven Widerstand des Konstanzer Bauausschusses stieß. So ein kubischer Bau mit Flachdach passe nicht zu den „traditionellen traufständigen Putzbauten mit Satteldächern“ im Weiler Staad. Er hat sich durchsetzen können, und auch dieses Gebäude steht heute wie der Pavillon am Hafen unter Denkmalschutz.

Von außen durchaus gewöhnungsbedürftig, aber innen hell und zeitlos modern. Waltraud Biehler bittet freundlich herein, so wie sie es mit vielen Passanten tut, die fast täglich klingeln und fragen: „Dürfen wir mal reinschauen?“ Dann macht sie für all die „Wunderfitzigen“, was sie überhaupt nicht abwertend meint, eine Hausführung.
Dem Ehepaar ist immer noch ein gewisser Stolz auf ihr Eigenheim anzumerken. „Beton ist einfach lebendig,“ merkt Architekt Biehler an, der im Haus auch sein Büro hatte und gerade erst noch seine letzte Baustelle beendet hat: den „Brannerturm“ in der Hohenhausgasse 3a, um nun mit 84 Jahren in den Ruhestand einzutreten.

Seit 54 Jahren musste am Haus nichts renoviert werden, die Sichtbetondecken sind noch wie zu Beginn, die Alufenster unverändert, in den Betonwänden wurde, für damalige Zeiten noch sehr unkonventionell, die Heizung verlegt. Nur an der Außenfassade hat sich an manche Stellen etwas Moos angesetzt.
Durch den Lichthof ist von unten ein wilder Ahorn emporgewachsen, der heute als stattlicher Baum über dem Freisitz neben Küche und Wohnzimmer Schatten spendet. „Eine wunderbare Lage,“ findet Waltraud Biehler, die das Grundstück vom Großvater Josef Guldin, dem Mitbegründer der Staader Fischereigenossenschaft, geerbt hat. „So ruhig und nah am See. Ein besonderes Fleckle“, sagt sie.