Hier am Seeufer ist die Welt in Ordnung: Der See schimmert smaragdgrün bis türkisblau, Wasserskifahrer, die fürs Seenachtfest proben, rasen vorbei, Menschen baden, die Seestraße ist in warmes Abendlicht nach einem heißen Sommertag getaucht. Wer könnte es schon übelnehmen, dass viele Menschen hier Urlaub machen oder einfach einen schönen Tag verbringen wollen?

Und doch: Die Seestraße in Konstanz ist voller Menschen, im Sommer reiht sich ein Fest ans andere, in Stromeyersdorf entsteht gerade ein neues Hotel mit 300 Zimmern. Hat Konstanz mit einem Übermaß an touristischen Gästen zu tun oder braucht die Stadt weiter neue Übernachtungsmöglichkeiten – und in welchem Ausmaß? Das ist das Thema der Stadtgespräch-Sommerredaktion, zu dem die Konstanzer Lokalredaktion ans Glärnisch-Rondell an der Seestraße eingeladen hat. Mehr als 20 Personen sind an diesem Abend der Einladung gefolgt.

Das Konzept macht andere Vorgaben

Manfred Hölzl, CDU-Stadtrat und Vertreter des Hotel- und Gaststättenverbands, erinnert daran, dass der Gemeinderat 2018 ein Tourismuskonzept beschlossen habe, dass aber der aktuelle Hotelneubau deutlich über die dort festgelegten Kapazitäten hinausgehe. Es sei deshalb hochumstritten.

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„In dem Konzept wurde beschlossen, dass bis 2026 maximal vier neue Hotels mit maximal 900 Betten entstehen sollen, zusätzlich zu den im Jahr 2018 bekannten Hotelprojekten“, ergänzt SÜDKURIER-Redakteurin Aurelia Scherrer, die den Abend moderiert. Das neue Großhotel gehe also weit über diese politisch vereinbarten Pläne hinaus, nachdem sich bereits in jüngster Zeit mehrere neue Hotels in Konstanz etabliert haben, so Hölzl.

Obwohl er dem aktuellen Hotelneubau skeptisch gegenüber steht, mahnt Hölzl eine differenzierte Sicht auf den Tourismus an. „Wenn sich die Hotelgäste auf die etwa 4000 Hotelbetten in Konstanz verteilen, spüren wir diese Gäste wenig. Sie bewegen ihr Fahrzeug kaum, halten sich in der Innenstadt oder am See auf“, sagt er. Die Tagestouristen belasteten die Stadt im Straßenverkehr schon deutlich stärker.

SÜDKURIER-Redakteurin Aurelia Scherrer (rechts) moderiert das Sommerredaktions-Gespräch der Lokalredaktion an der Seestraße.
SÜDKURIER-Redakteurin Aurelia Scherrer (rechts) moderiert das Sommerredaktions-Gespräch der Lokalredaktion an der Seestraße. | Bild: Wagner, Claudia

Das sehen manche Konstanzer, die sich dem SÜDKURIER-Gespräch angeschlossen haben, anders: Sie wohne in der Hermann-von-Vicari-Straße direkt am Lorettowald, sagt Elisabeth Beihofer, und sie fühle sich dort schon länger nicht mehr wohl. Es reihe sich Campingwagen an Campingwagen, „das ist schon wie eine riesige Stadt“, zudem etliche Badende, die auf dem Weg zum See seien.

Auch Georgia Hahnenberg hat das Gefühl, dass es irgendwann während oder nach der Corona-Pandemie zu viel wurde mit den Touristen. Genau könne sie den Zeitpunkt nicht benennen. Doch in den vergangenen zwei Jahren habe sie regelmäßig das Gefühl, in Konstanz hielten sich „zu viele Menschen“ auf. Die Quantität drohe die eigentlich schönen Seiten der Stadt in schlechte Qualität kippen zu lassen.

Auch Sabine Umlauf äußert sich dazu: „Wir müssen den Touristen auch etwas bieten. Sie amüsieren sich nun mal auch gern nachts. Ich habe ein wenig die Sorge, dass viele nur zum Feiern kommen. Schön sind die Feste! Nur habe ich das Problem, dass ich jeden Morgen um 6 Uhr rausmuss.“ Sie fürchtet, dass die Menschen bei ihrer Fixierung aufs Vergnügen die Rücksichtnahme zunehmend vergessen.

Im Abendlicht stehen interessierte SÜDKURIER-Leser an der Seestraße und machen sich Gedanken über den Tourismus in Konstanz
Im Abendlicht stehen interessierte SÜDKURIER-Leser an der Seestraße und machen sich Gedanken über den Tourismus in Konstanz | Bild: Wagner, Claudia

Stefan Niethammer, Einzelhändler aus der Niederburg, mahnt einen differenzierten Blick auf den Tourismus und das dazu notwendige Miteinander an. Für sein kleines Geschäft in der Niederburg sei er angewiesen auf Umsätze, die er über Touristen generiere. „Bei unseren Produkten können wir unmöglich allein von den Konstanzern leben“, sagt er. Die Stadt profitiere aber auch, es gebe individuellere Einzelhandelsgeschäfte als anderswo. „Ich würde es eher begrüßen, ein paar größere Hotels zu haben und dafür auf Ferienwohnungen zu verzichten.“

Ist mittlerweile eine Grenze erreicht?

Das wiederum sieht Sven Holzer kritisch: Er selbst leite ein kleines Haus mit 15 Zimmern in Allmannsdorf. In jüngster Zeit registriere er immer wieder, dass er beinahe in jeder Woche freie Zimmer habe. „Die neuen Hotels werden von großen Konzernen angeschoben, die ganz anders kalkulieren können.“ Dagegen hätten drei kleinere, inhabergeführte Hotels innerhalb kurzer Zeit ihren Betrieb eingestellt. Konstanz müsse sich entscheiden, ob es auf Masse setze oder auf ein eigenes Gesicht, auf liebevoll geführte mittelständische Betriebe.

Auch Petra Rietzler, SPD-Stadträtin, glaubt, dass eine Grenze erreicht ist. Der Tourismus am See habe sich stark entwickelt. Dadurch entstehe auch ein erhöhter Bedarf nach Mitarbeitern im Gastgewerbe – und diese wiederum bräuchten Wohnungen. Es sei damit ein komplexes Problem.

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Thomas Buck, neu gewählter Kreisrat des JFK, verweist ebenfalls auf zwei Seiten der Medaille im Tourismus: Auf der einen Seite hätte man anstelle mehrerer Hotels in Stromeyersdorf ebenso gut dringend benötigte Wohnungen bauen können, findet er. Andererseits wisse er durch seine Arbeit in einem Forschungsinstitut, dass Konstanz Bettenkapazitäten brauche, etwa, wenn es darum gehe, größere Konferenzen abzuhalten.

Wie geht es weiter mit dem Tourismus in Konstanz, wohin entwickelt er sich? Das weiß in dieser Runde dann doch niemand so genau. Auch nicht, welches der richtige Weg wäre. Klar geworden ist aber: Es besteht der allgemeine Wunsch, dass diese Entwicklung vorsichtig begleitet wird und, dass Konstanzer dabei mitreden und äußern können, wenn es ihnen zu viel wird mit den Gästen aus aller Welt.