Für all die Unverzagten geht es wieder los! Klimastreik. Vom Hochrhein über den Bodensee bis ins Allgäu nach Wangen rief am Freitag, 23. September, die Fridays-for-future-Bewegung auch im Süden Deutschlands zu Demos auf die Straßen. Um etwa den „fossilen Olaf“, wie sie den Bundeskanzler im Internet betiteln, zum Handeln aufzufordern. Die Geduld ist bei vielen Aktivisten spürbar am Ende.
Haben die Leute „noch Bock?“
Begonnen hat die Konstanzer Demo um 11.30 Uhr im Herosé. Ab 11 Uhr füllt sich das Gelände, die Polizei ist im Vorgespräch mit den Organisatoren. Wie viele Personen kommen werden? Schulterzucken, das sei dieses Mal schwer einzuschätzen. 500 wurden vorsorglich angemeldet. Menschen aus allen Altersschichten sind gekommen, so wie Ricarda und Dieter Quack, sie 64, er 75, aus dem Rheinland, die vom Schwarzwaldurlaub hierhergefahren sind, um an der Demo teilzunehmen. Nachher geht es mit ihrem Wohnmobil weiter nach Italien, „mit leicht schlechten Gewissen“, wie sie zugeben.
Trotzdem sind sie überzeugt: „Wir werden überall reduzieren und sparen müssen. Bei Kleidung, Lebensmitteln, Energie. Die Elektrotechnik ist nicht das Allerheilmittel.“ Weil sie den Eindruck vermittle, man könne einfach weiter wie bisher auf Wachstum setzen.
Hoffnungen pflegen oder angesichts der Lage verzagen? Benjamin Janke, Student aus Karlsruhe, ist zwiegespalten. Er kenne viele, die sich nicht mehr engagieren. Er habe inzwischen auch mehr Sympathie für all jene, die sich aus dem Ohnmachtsgefühl heraus radikalisieren. „Was für mich selbst im Moment aber noch keine Alternative ist! Doch man weiß nie.“
Von Untergangsstimmung hält eine Handvoll Schüler der Waldorfschule aus Wahlwies nichts. Sie sind aus dem Unterricht gegangen, was eine Lehrerin empörend fand, eine zweite aber unterstützte. Im Klimaschutz gehe alles schleppend voran. „Aber besser langsam als gar nicht. Bei so einem großen Land!“, meint Joshua Horn. Sie nehmen teil, weil „es die Anzahl macht“. Wenn viele Menschen da gewesen sind, könne man hoffen, dass das etwas bewirke, so die 15-jährige Liss Jahnke.
Ein Marathon für die Menschheit
Hoffnung machen, das will auch der erste Redner, Frank Best, Professor an der HTWG, der aufzählt, was die großen Staaten schon unternehmen: Bidens Umweltprogramm in den USA, Chinas erstes Emissionshandelssystem, das es seit 2021 gibt, Indien, das im Covid-Entlastungspaket 2021 das Doppelte in erneuerbare Energie wie in fossile Brennstoffe investierte. „Klar, alles noch viel zu wenig!“ Aber zumindest Schritte in die richtige Richtung. Es liege ein Marathon vor der Menschheit. „Wir geben nicht auf!“
Eine Gruppe Endfünfziger sieht sich als Verursacher-Generation der Krise, „haben wir doch aus dem Vollen gelebt“. Markus Rüegg findet den von der Stadt ausgerufenen Klimanotstand „einen Witz! Nix ist passiert!“ Silca Werbunat sieht, dass das Thema im Bewusstsein in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. „Nur nicht bei der Politik.“ Das löst Widerspruch aus. Jan Flenker sieht das kritischer: „Wenn diese Erkenntnisse bei privaten Entscheidungen keine Rolle spielen und man trotzdem in den Urlaub fliegt, ist es mit diesem Bewusstsein nicht weit her!“
Da ist es gut, dass sich der Protestmarsch inzwischen Richtung Rheinbrücke in Bewegung gesetzt hat. Fahnen schwenken, Schilder hochhalten und skandieren: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Der Lindwurm, begleitet von Polizisten auf E-Bikes, hat eine beachtliche Länge, zweimal die Rheinbrücke. Die Polizei sperrt die Doppelspur für die Demonstranten ab, auch auf der Laube. In der Bodanstraße wird angehalten, eine Tanzblockade. Das mit dem Tanzen klappt vereinzelt, das mit dem Blockieren aber flächendenkend. Autos werden ausgebremst, und Passanten halten inne.
Schließlich erreicht man über die Marktstätte und den Hafen den Stadtgarten, wo Musik und weitere Redebeiträge sich abwechseln. Mehr als 1000 Teilnehmer haben Polizei und Organisatoren gezählt. Ein Hoffnungszeichen für die Beteiligten, die den Eindruck hinterlassen, dass es, auch wenn es höchste Zeit ist, zum Verzagen dann doch noch zu früh wäre.