Um diese Jahreszeit ist es still im Klimacamp in Konstanz. Keine neugierigen Touristen, nur noch wenige Familien, die an einem kühlen Herbsttag am Münsterplatz unterwegs sind. Drei Handwerker auf der Walz sind allerdings gerade zu Besuch und mit den Fridays-for-Future-Aktivisten ins Gespräch gekommen. Vor einer Theke mit verschiedenen Lebensmitteln sind Stühle aufgestellt und warten darauf, dass mehr Aktivisten ins Camp kommen und das Plenum beginnt.
Eine Krise der fossilen Rohstoffe
Frida Mühlhoff ist an diesem Tag nicht nach Schonung und schon gar nicht nach Diplomatie zumute. Energiekrise? Ukrainekrieg? Aus ihrer Sicht münden alle diese Probleme in eine umfassende Krise, nämlich die der fossilen Rohstoffe.
„Jetzt wird diese Krise eben auch noch auf geopolitischer Ebene ausgefochten“, sagt sie lapidar. „Und da bringt es nichts, wenn man das Öl eben schnell in Saudi-Arabien zukauft. Dann geraten wir schon wieder in Abhängigkeit eines autokratischen Regimes.“ Und es werde nun wirklich Zeit, dass die Bundesregierung Konsequenz zeige und mit wirksamen Maßnahmen beginne, die Klimakrise zu lösen, findet sie.

Die 18-Jährige hat nun schon knapp drei Jahre Erfahrung im Warten. Im Warten darauf, dass die Politik konsequent und spürbar auf die Klimakrise reagiert. Von Beginn der Fridays-Proteste war die damals 15-jährige Schülerin dabei. Und langsam geht ihr die Geduld aus.
Vorschläge haben die Aktivisten: Sie wollen, dass der Bau der LNG-Terminals gestoppt wird – da Flüssiggas keinen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten könne. Außerdem fordern sie ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das in erneuerbare Energien investiert werden soll.
Ein Tempolimit muss sofort her
Auch sonst fallen der 18-Jährigen noch ein paar Sofortmaßnahmen ein, die helfen könnten. Das Neun-Euro-Ticket sei eine gute Sache gewesen, findet sie beispielsweise. Ein Tempolimit könne ebenfalls dazu beitragen, schnell eine ganze Menge an Treibstoff einzusparen.
Dagegen hält Frida Mühlhoff wenig von Appellen von Politikern an die Bürger, Energie zu sparen. Aus ihrer Sicht seien das Scheindebatten, die davon ablenken, dass die Regierung nicht zu dem einen notwendigen Schritt bereit ist: dem konsequenten sofortigen Ausstieg aus den fossilen Energien.
Ihre Kolleginnen lassen sich bereitwilliger auf die Frage ein, worauf sie selbst in diesem bevorstehenden Winter verzichten werden. Annika Christen duscht seit Beginn des Ukraine-Kriegs nur noch kalt, in ihrem Elternhaus wird diesen Winter wohl auch auf das Heizen verzichtet.

Corinna Zürn, Psychologiestudentin, wohnt in einer WG, die die gemeinsame Debatte übers Heizen noch vor sich hat. „Es ist noch nicht beschlossen, wann wir heizen und welche Räume“, sagt sie. Das Heizen ist nicht zum ersten Mal Thema in der WG. Schon im vergangenen Winter habe man sich aufs Sparen verständigt, weil die Heizkosten schlicht zu hoch waren.
Kommt es zum allmählichen Umdenken?
Was alle eint: Die politische Einschätzung der Lage und die Befürchtung, dass der notwendige gesellschaftliche Druck immer noch nicht ausreichen könnte. Trotzdem sind die beiden jungen Frauen einigermaßen optimistisch, was die Wahrnehmung des Problems Klimakrise angeht. „Der gesellschaftliche Druck auf die Regierung steigt – aber groß genug ist er noch nicht“, sagt Annika Christen. Sie glaubt nicht, dass der Einfluss der Fridays-Bewegung wegen der vielen sich überlagernden Krisen stark nachgelassen habe. Auch Corinna Zürn erkennt ein allmähliches Umdenken, etwa anhand der Kritik an den Übergewinnen der Energieunternehmen.
„Die Leute fragen sich nicht mehr, wie noch 2019, ob Klimaschutz wichtig ist, sondern, wie man ihn organisieren kann“, meint die 26-jährige Psychologie-Studentin. „Wir stehen vor einem großen Umbruch – aber auch vor einer großen Chance.“ Auch in Bezug auf ihren lokalen Einfluss sind die jungen Frauen im Wesentlichen zufrieden. Immer mehr Menschen interessierten sich für das Protestcamp, berichtet Annika Christen, und immer mehr brächten sich auch ein, zumindest punktuell. Im Sommer seien viele Familien und viele Touristen vorbei gekommen, ergänzt Zürn.
Die nachdenkliche Haltung bleibt den Klimaschützern, ob sie 15 oder 28 Jahre alt sind. Manche, wie Frida Mühlhoff, fordern Systemveränderungen. „Der Wachstumsgedanke muss in Frage gestellt werden“, sagt sie. Das sei ihr 2019 noch nicht klar gewesen. „Wir müssen die Gesellschaft ganz anders gestalten, weg vom Wettbewerbsgedanken.“ Sagt es und mahnt bei untergehender Sonne die anderen zur Teilnahme an ihrer gemeinsamen Sitzung. Denn es gibt viel zu tun: Ausruhen und Stillstand – das können sich die Klimaschützer gerade jetzt so gar nicht leisten.