Ein Bauwagen, ein Zelt, eine offene Küche und ein paar Sitzgelegenheiten. Im Pfalzgarten neben dem Konstanzer Münster haben sich die Aktivisten des Klimacamps häuslich eingerichtet. Und das Ganze schon seit fast genau einem Jahr.

An Tag 362 sitzen Johanna und Mau in der offenen Küche auf abgewetzten Stühlen und an einem kleinen Campingtisch. In der Küche herrscht ein wohlgeordnetes Chaos. Johanna und Mau sind Anfang zwanzig, voller Träume aber auch Befürchtungen über die Zukunft. Sie stehen voll und ganz hinter den Zielen des Klimacamps und der Bewegung Fridays for Future (FFF).

Aktivisten bleiben nur beim Vornamen

Jeder, der vorbei kommt, kann die Aktivisten im Lager ansprechen. Über die konstruktiven, aber teilweise auch kritischen Gespräche freuen sie sich. Die Camper suchen die Öffentlichkeit, wollen sie von ihren Zielen überzeugen. Trotzdem sind sie vorsichtig im Umgang mit der Öffentlichkeit. Mit ihrem vollständigen Namen und einem Bild in der Zeitung zu erscheinen, ist ihnen nicht ganz geheuer. Das Einstehen für dem Klimaschutz hört beim eigenen Namen offenbar auf. Es müsse auch ohne Namen gehen, findet Mau, die es bei ihrem Vornamen belässt.

Das Klimacamp im Pfalzgarten neben dem Konstanzer Münster besteht schon ein Jahr.
Das Klimacamp im Pfalzgarten neben dem Konstanzer Münster besteht schon ein Jahr. | Bild: Steinert, Kerstin

Dafür redet sie gerne über den Klimaschutz. Sie stellt der Stadt und der dazugehörigen Verwaltung eher ein schlechtes Zeugnis aus. „Unsere Forderung, dass es keine zweite Gasleitung nach Konstanz gibt, ist vom Tisch. Der Grund dafür ist aber leider der Ukraine-Krieg und ein möglicher bevorstehender Mangel an Gas“, sagt Mau. Sie glaubt, wäre der Krieg nicht gekommen, hätte der Gemeinderat womöglich für die zweite Gasleitung gestimmt.

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Dem widerspricht die Stadt. Elena Oliveira, Pressesprecherin der Stadt Konstanz, sagt dazu: „Die zweite Gaszuleitung zu bauen, hätte angesichts der Zielsetzungen der Konstanzer Klimaschutzstrategie von vornherein ein großes wirtschaftliches Risiko mit sich gebracht.“ Die Stadt sei froh, dass keine zweite Gasleitung komme.

Stadt versage bei vielen Klimaschutzforderungen

Mau sieht den Grund darin aber doch eher im Krieg und der Energiekrise. Es sei wirklich absurd. Dabei sei der Krieg jetzt auch eine Chance. „Nicht falsch verstehen. Der Krieg in der Ukraine ist schrecklich. Aber der Krieg ist ein Piranha, die Klimakrise ist der weiße Hai“, meint sie.

Krisen müssen zusammen gedacht werden. Die Energiekrise sei eine „super Möglichkeit, auf grüne Energie umzustellen.“ Eine Forderung des Klimacamps und auch der FFF sei ja auch der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen. Da habe die Stadt auch zu wenig getan. Die Stadt kontert: 2021 sei der Ausbau der Solaranlagen sogar gestiegen. Das schreibt Oliveira auf SÜDKURIER-Anfrage.

In der offenen Küche herrscht ein wohlgeordnetes Chaos
In der offenen Küche herrscht ein wohlgeordnetes Chaos | Bild: Steinert, Kerstin

Mau hat noch zahlreiche weitere Beispiele, wo die Stadt Konstanz versage: Warum wird auf dem Döbele ein Parkhaus gebaut? Genauso am Brückenkopf Nord. Besser sei es, Parkplätze zurückzubauen und im Gegenzug mehr Grünflächen zu schaffen. Wieso werden Neubauten vor allem aus Beton gebaut, klagt sie weiter an. Dagegen seien die sechs E-Busse, die die Stadt angeschafft habe, aber ein guter Anfang. Aber es brauche mehr. Überhaupt müsse der ÖPNV ausgebaut werden.

Stadt Konstanz kontert mit vielen Gegenbeispielen

Die Stadt selbst stellt sich ein gutes Zeugnis aus. Im vergangenen Jahr hätte die Stadtverwaltung und der Gemeinderat viel umgesetzt und angestoßen. Seit November gebe es etwa einen Beschluss zur neuen Klimaschutzstrategie, „die aufzeigt, wie die Entwicklung zur weitgehend klimaneutralen Stadt bis 2035 gelingen kann“, schreibt Oliveira. Auch würde man sich der Problematik mit den Parkplätzen gewahr. Die Parkgebühren habe man angehoben, um die Autofahrer zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen. Außerdem habe man sechs E-Busse angeschafft. 2025 sollen es schon 23 sein. Und auch auf dem Wasser würde man Klimaschutz betreiben.

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Auch auf den Vorwurf, warum Beton vor allem bei Neubauten benutzt werde, hat die Stadt eine Antwort. Dem sei nämlich nicht so. Im Bauprojekt Jungerhalde West, der bezahlbaren Wohnraum schaffen soll, werde vermehrt auf eine Holzbauweise gesetzt. Und viele Schulen in der Stadt würden nun aufwendig energetisch saniert.

Mau lehnt sich in ihrem Stuhl in der offenen Küche zurück. Sie sieht die Maßnahmen der Stadt skeptisch. Das Klimacamp werde es wohl noch eine Weile geben. „Wenn im Klimaschutz wirklich was getan wird, dann werden wir hier abbauen“, sagt sie.