An einem Holztisch in einer großen Altbauvilla mitten in Konstanz sitzen sieben Menschen unterschiedlichen Alters. Sie alle haben eines gemeinsam: Einen Schicksalsschlag oder eine Erkrankung, die sie aus der Bahn warf. Sie haben Halt gefunden in der Villa der Woge, denn dort leben sie in einer Wohngemeinschaft und unterstützen sich gegenseitig. Gemeinsam finden sie den Weg in ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben.
Eine Bewohnerin erzählt
Claudia Gnädinger ist eine der Bewohnerinnen. „Ich bin seit eineinhalb Jahren hier und genieße das Leben in der WG sehr“, sagt die 30-Jährige. Vor allem in persönlichen Krisen profitiere sie von der Gemeinschaft der Bewohner, aber auch von der Unterstützung durch die beiden Sozialarbeiter Ula Kobus und Klaus Melchert.
„Ich habe verschiedene Krankheitsbilder“, erzählt Claudia Gnädinger. Sie berichtet von einer Depression und davon, dass sie eine Stimme hört, die nur sie vernehmen kann. „Hier fühle ich mich wohl, denn ich bekomme auch Hilfe dabei, meine Ziele für die Zukunft zu verfolgen“, sagt die 30-Jährige. Unter anderem möchte sie eine Ausbildung zur Altenpflegehelferin beginnen und irgendwann in eine eigene Wohnung ziehen.
Auch die 63-jährige Iris genießt die Gemeinschaft in der WG. „Ich habe früher selbst als Krankenpflegerin im Zentrum für Psychiatrie Reichenau gearbeitet“, sagt sie. „Das hat Spaß gemacht. Schade, dass es nicht mehr geht.“ Durch die Woge hat sie ein „schönes Zuhause“ gefunden. Anders als Claudia Gnädinger möchte Iris nicht mehr allein leben.
Sozialpädagogin Ula Kobus kann beides verstehen: „Für die einen ist die Wohngemeinschaft das Sprungbrett zur eigenen Wohnung, andere möchten gern länger hier bleiben.“ Wichtig sei, immer die Bedürfnisse der Bewohner im Blick zu haben. „Selbstständigkeit und Eigeninitiative werden bei uns groß geschrieben“, sagt Kobus. „Das hier ist kein Leben unter Aufsicht. Wir begleiten nur nach den Wünschen der Klienten.“
Ihr Kollege Klaus Melchert ergänzt: „Wir schauen, dass sich im Haus eine gute Alltagsstruktur entwickelt. Und wir geben ganz praktische Lebenshilfe, wenn etwa der Fernseher nicht funktioniert oder das Waschbecken verstopft ist.“ Wichtig sei auch viel Beziehungsarbeit und die Aktivierung manch verschütteter Fähigkeiten. Die Sozialpädagogen üben auch den Umgang mit Konflikten.
Fröhlicher und zufriedener in der WG
Doch Streit gebe es selten, da sind sich die sieben Bewohner einig. Die 56-jährige Andrea (Name von der Redaktion geändert) genießt das Miteinander besonders, denn sie lebte 25 Jahre lang allein. „Zuletzt war ich sehr einsam und kam nur noch beim Einkaufen unter Menschen“, erzählt sie. „Seit zwei Jahren wohne ich in der WG. Seitdem bin ich viel fröhlicher und zufriedener.“
Die Woge bietet auch noch andere begleitete Wohnformen an, unter anderem in Apartments. Sozialpädagogin Ula Kobus betont: „Jeder von uns kann jederzeit psychisch krank werden, dafür gibt es viele Ursachen: Veränderungen im Körper, unschöne Erlebnisse in der Ehe, starke Belastung bei der Arbeit.“ Umso wichtiger sei dann das Zurückgreifen auf eine Gemeinschaft, die vor Isolation schützt. Claudia Gnädinger sieht es genauso: „Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie ist es schön, dass wir uns gegenseitig haben.“
Die Woge muss finanzieren
Trotz aller Zufriedenheit haben die Bewohner einen besonderen Wunsch: „Damit wir unseren Garten noch besser nutzen können, hätten wir gern schöne Gartenmöbel und vielleicht einen Sonnenschirm“, sagt Claudia Gnädinger.
Die Kosten dafür wie auch für die Möbel oder Renovierungen muss die Woge überwiegend selbst aufbringen. Sie erhält vom Kostenträger nur eine monatliche Pauschale für den Einsatz der Sozialarbeiter.