Der millionenschwere Ausbau der Reichenaustraße ermöglicht Autofahrern die zügige Fahrt auf vier Spuren in Richtung Stadtzentrum. Doch bald könnte schon am Einfallstor von Konstanz die große Bremse greifen: Tempo 30, um Anwohner vor Lärm zu schützen.
Der Technische Ausschuss hat die Pläne dafür auf den Weg gebracht. Faktisch sei das Unterlohn zuletzt schon Mischgebiet gewesen, sagte Marion Klose, Leiterin des Amts für Stadtplanung und Umwelt in Konstanz.
Für ein reines Gewerbegebiet verfüge das Quartier über zu viele Wohnungen. So jedenfalls urteilte das Verwaltungsgericht Freiburg bei der Frage, ob dort eine Werkstatt in eine Wohnung umgewandelt werden dürfe.
Gewerbliche Nutzung soll gestärkt werden
Das Gewerbegebiet sei nicht nach Plan, sondern irgendwie gewachsen, sagte Klose. Dies will die Stadt jetzt mit dem überarbeiteten Bebauungsplan und den neuen urbanen Achsen ändern. Ziel sei es, die gewerbliche Nutzung zu stärken.
Zugleich solle dort, wo keine großen Konflikte zu erwarten sind, auch 30 bis 40 Prozent Wohnbebauung möglich sein, etwa für Mitarbeiter eines Betriebs. Diese Gebiete liegen zwischen Reichenau- und Carl-Benz- sowie entlang der Fritz-Arnold-Straße.
Weitere Ziele des Plans
Anreize zum Bebauen von Brachflächen und Aufstocken von Gebäuden. So könnten etwa alte Hallen durch mehrgeschossige Gewerbebauten ersetzt und teilweise durch Wohnungen ergänzt werden.
Direkt an der Kläranlage wird das Wohnen wegen der Gerüche ausgeschlossen sein – wegen des Naturschutzes ebenso an der Grenze zum Wollmatinger Ried. Problem ist dort vor allem der Einfluss des Lichts auf die Tier- und Pflanzenwelt. Da beim Wohnen mehr Immissionen zu erwarten sind als beim Gewerbe, bleibt es trotz attraktiver Lage verboten.
Südlich der Reichenaustraße aber wolle man bis zu 22 Meter hohe Gebäude zulassen und Anreize für „einen starken städtebaulichen Stadteingang“ schaffen, wie es in den Unterlagen für den Ausschuss heißt.
Hotels sind im Plangebiet ausgeschlossen
Zur Reichenaustraße hin sollen keine der optisch unattraktiven Ladezonen liegen. Hotels und Vergnügungsstätten sind im gesamten Plangebiet ausgeschlossen. Zudem würden für die anvisierten Wohnbauten an der Reichenaustraße Schallschutzauflagen gelten.
Voruntersuchungen hatten ergeben, dass dort die Orientierungswerte für Mischgebiete überschritten werden. In einem urbanen Gebiet darf es tagsüber mit 63 Dezibel etwas lauter sein als in einem Mischgebiet (60). In der Nacht gelten für beide 45 Dezibel.
Wohnräume an der Reichenaustraße, in denen der Bewohner Ruhe braucht, sollen auf der von der Straße abgewandten Seite liegen. Werden Schlafzimmer doch zur Straße hin platziert, müssen sie mit zusätzlichen Lüftungen ausgestattet werden.
Im Technischen Ausschuss gab es viel Lob für den Planentwurf. „Da steckt viel Hirnschmalz drin“, sagte etwa Holger Reile, Stadtrat der Linken. Johann Hartwich (FDP) sieht es als ökologisch sinnvoll an, wenn Beschäftigte nicht weit pendeln müssen, sondern nahe dem Arbeitsplatz wohnen können.
„Dort haben wir den höchsten Lärmeintrag“
SPD-Stadtrat Alfred Reichle allerdings kritisierte die geplante Wohnbebauung entlang der Reichenaustraße. „Ich denke, das ist der falsche Ansatz. Dort haben wir den höchsten Lärmeintrag.“ Früher oder später müsse die Stadt dann Tempo 30 einführen, um die Anwohner zu schützen, ist er überzeugt.
Martin Wichmann, Leiter der Umweltabteilung der Stadt, geht davon aus, dass dies den Verkehrsfluss nicht behindern würde. Er wies darauf hin, dass es in Freiburg bereits eine vierspurige Einfallstraße gebe, auf der Tempo 30 funktioniere.
Zudem würden die Fahrzeuge durch die Zunahme der Elektromobilität ohnehin leiser – der Plan biete schließlich Perspektiven für die nächsten Jahrzehnte.
Alfred Reichle beantragte dennoch, an der Reichenaustraße keine Wohnbebauung zuzulassen. Der Technische Ausschuss stimmte darüber aber nicht ab; Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn versprach, die Anforderungen so überarbeiten zu lassen, dass ein Rahmen für eine gute Wohnqualität gesetzt werde.