Noch sieht es am Rand von Wollmatingen aus wie immer: Wiesen, Felder, ein paar Landwirtschaftswege und viel Platz. Doch in wenigen Jahren wird das Gebiet nördlich eines markanten Hügels ganz anders sein: Das neue Stadtviertel, das seinen Namen von dem dieses Hügels, Hafner, ableitet, wird ab 2026 gebaut.
Bis die Bagger kommen, muss aber noch viel geschehen. Besonders bedeutsam dabei: Die Vergabe der Grundstücke. Denn dabei geht es um soziale und ökologische Fragen, aber auch um Geld – sehr viel Geld. Wer wird dabei profitieren? Wichtige Fragen und Antworten dazu.
Was meint die Stadt mit dem Wort „spekulationsfrei?“
Wenn Ackerland oder Wiesen zu einem Wohngebiet werden, tritt eine gewaltige Wertsteigerung ein. Ähnliches vollzieht sich dann beim Bauen selbst: Gewinne entstehen vor allem in der Entwicklung und im Verkauf von Immobilien. Am Hafner will die Stadt Konstanz von vornherein vermeiden, dass Gewinne in die Taschen von Privatpersonen fließen, während die Kosten von der Allgemeinheit getragen werden.
Das sagen Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn und Lukas Esper, der bei der Stadtverwaltung das Hafner-Projekt leitet. Oder mit anderen Worten: Diejenigen Wertsteigerungen, die es gibt, sollen im Quartier bleiben, und sonstige Wertsteigerungen erst gar nicht zustande kommen, im Interesse von bezahlbarem Wohnraum.

Was ist mit der Wertsteigerung von Grund und Boden?
Hier geht Konstanz neue Wege, die auch nicht allen gefallen. Der Schlüssel ist die sogenannte Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM), die der Gemeinderat beschlossen und die Aufsichtsbehörde bestätigt hat. Das folgt festgeschriebenen Regeln und bedeutet unter anderem: Die Stadt kauft Grundstücke zu einem von Gutachtern ermittelten Preis. Diesem liegt die Annahme zugrunde, dass die SEM nicht zustande kommt. Nach eigenen Angaben hat die Stadt zwischen 98 und 230 Euro pro Quadratmeter bezahlt. Finanziert ist das alles mit Krediten in bisheriger Höhe von 39 Millionen Euro.
Verkauft werden die Grundstücke später zu einem höheren Preis. Auch diesen legen Gutachter fest, unter anderem nach Lage und Art der Nutzung. Zum Zuge kommen nicht die Meistbietenden, sondern die besten Konzepte. Wenn am Ende alles abgerechnet ist und noch Geld übrig bleibt – also gewissermaßen der Gewinn des Projekts –, werden die Alt-Eigentümer daran beteiligt. Wenn hingegen ein Defizit entsteht, trägt das die Stadt.
Was bedeutet das Vorgehen der Stadt für Käufer und Mieter von Wohnraum?
Nach Überzeugung der Planer ist dieses Verfahren ein gutes Mittel, Wohnen bezahlbar zu halten. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass Grundstücke nur an Käufer vergeben werden, die sie selbst nutzen oder sich langfristig engagieren – zum Beispiel gemeinwohlorientierte Immobilienunternehmen wie die Wobak oder der Spar- und Bauverein. Da sie unter geringerem Profitdruck stehen, können sie Wohnraum günstiger anbieten.
Kaltmieten von zehn bis zwölf Euro pro Monat sollen im Hafner auch um 2030 noch möglich sein, so Baubürgermeister Langensteiner-Schönborn – trotz der massiv gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten. Das allerdings geht nicht nur über die Grundstückspolitik, sondern auch durch ein günstigeres Bauen mit vorgefertigten Standard-Elementen, dem Verzicht auf teure Tiefgaragen und eine kluge Ausnutzung der Grundstücke.

Wer sind die Gewinner?
Wenn es alles so läuft, wie die Stadt sich das vorstellt, sind die künftigen Bewohner des Stadtviertels die größten Gewinner – und mittelbar auch alle anderen in Konstanz, weil der Druck auf dem Wohnungsmarkt geringer werden könnte. Aber auch nicht-profitorientierte Wohnungsgesellschaften, Baugruppen und ähnliche Akteure haben am Hafner so attraktive Möglichkeiten, wie sie Konstanz ihnen wohl noch nie geboten hat.
Auch Konstanzer Gewerbebetriebe, für die vor allem am Nordrand des Quartiers Raum geschaffen, haben etwas vom Hafner. Und nicht zuletzt sind die privaten und gewerblichen Steuerzahler entlastet, die sonst die gesamte Infrastruktur mit Straßen und Leitungen, Schulen und Kitas über ihre Steuern und Abgaben finanzieren müssten.
Wer sind die Verlierer?
Die wohl größten Verlierer sind die großen, profitorientierten Wohnungsbauunternehmen. Konzerne wie Vonovia oder Deutsche Wohnen können bei dem von der Stadt gewählten Verfahren im Prinzip nicht zum Zuge kommen und Grundstücke erhalten. Aber auch kleinere und regionale Bauträger haben das Nachsehen. Ihr Geschäftsmodell, ein Grundstück aufzukaufen, darauf ein Mehrfamilienhaus zu errichten und dann Eigentumswohnungen zu verkaufen, wird am Hafner nicht umsetzbar sein.
Das bestätigt auch der Baubürgermeister. Er verweist darauf, dass im laufenden Handlungsprogramm Wohnen zahlreiche Flächen ausgewiesen sind, auf denen sie ihr Geschäftsmodell umsetzen können. Zu den Verlierern dürften auch die Makler gehören, die sonst beim Verkauf von Grundstücken, Wohnungen oder Häusern eingeschaltet werden und dafür Provision erhalten. Hinter den Kulissen formiert sich nach SÜDKURIER-Informationen auch entsprechender Widerstand. Makler und Bauträger schließen sich derzeit zusammen, um ihre Interessen zu vertreten.

Was sind die nächsten Schritte am Hafner?
Im Frühjahr 2024 will die Stadt Konstanz erstmals darüber informieren, wie die Grundstücke am Hafner vergeben werden. Zugleich beginnen die Wettbewerbe für die beiden geplanten Schulen. Im ersten Bauabschnitt, der allein rund 1000 Wohnungen umfasst, soll dann 2026 der Tief- und 2027 der Hochbau beginnen. Wenn es dann ernst werden sollte mit dem sogenannten seriellen Bauen mit vorgefertigten und standardisierten Teilen, könnten 2029 die ersten Bewohner einziehen.
Parallel treibt die Stadt dann den zweiten und dritten Bauabschnitt voran, wie es in einem Faltblatt der Verwaltung heißt, 2038 könnte dann alles abgeschlossen sein. Gebaut wird übrigens von Westen nach Osten: Los geht es zwischen Radolfzeller Straße, Nordtangente und rund um die Dettinger Straße. Dann geht nach Osten weiter, bis etwas zur heutigen Litzelstetter Straße. Menschen, die beim Grundsatzbeschluss für den Hafner im Jahr 2016 Kindergartenkinder hatten und eine bezahlbare Bleibe für ihre Familie suchten, könnten dann schon Großeltern sein.