Im Landkreis Konstanz war in den vergangenen Tagen ein Wolf unterwegs. Gleich mehrere Augenzeugen berichteten Anfang der Woche, im Stockacher Raum ein Tier gesichtet zu haben, das wie ein Wolf aussieht. Fotos und Videos dokumentieren die Sichtungen.

Inzwischen soll das Tier auch auf der Höri und in Volkertshausen gesehen worden sein. Nach erster Ungewissheit bestätigt die Forstliche Versuchsanstalt Baden-Württemberg (FVA) nun, dass es sich bei dem Tier mit Sicherheit um einen Wolf handelt.

Neben dem Bild, das die FVA jetzt als stichhaltigen Beweis wertet, kursieren mindestens zwei Videos, die ein wolf-artiges Tier zeigen. Eines davon wurde am Dienstagmorgen gegen 7 Uhr an der letzten Bushaltestelle vor dem Ortsausgang Wangen in Richtung Öhningen aufgenommen. Es zeigt das Tier aus nächster Nähe, gefilmt aus einem Auto heraus. Ein weiteres Video soll den Wolf in Volkertshausen zeigen.

Mutmaßlicher Wolf in Wangen Video: Tizian Bohner

Weitere Aufnahmen deuten auf Wolf hin

Kurt Kirchmann, der als Netzwerker für die Forstliche Versuchsanstalt arbeitet und viele Jahre Kreisjägermeister war, kennt die beiden Videos und bestätigt, dass es sich bei den gefilmten Tieren rein augenscheinlich tatsächlich um einen Wolf handeln könnte.

Kurt Kirchmann an der Stelle, wo der mutmaßliche Wolf nach der ersten Sichtung durch einen Mitarbeiter der Gemeinde Mühlingen wieder im ...
Kurt Kirchmann an der Stelle, wo der mutmaßliche Wolf nach der ersten Sichtung durch einen Mitarbeiter der Gemeinde Mühlingen wieder im Wald verschwunden ist. | Bild: Doris Eichkorn

Laut Kirchmann sei es zudem durchaus realistisch, dass es sich bei allen Sichtungen um ein und dasselbe Tier handle. Wie er bereits in einem früheren Gespräch mit dem SÜDKURIER erklärte, könnten Wölfe in einer einzigen Nacht bis zu hundert Kilometer zurücklegen.

Kam der Wolf aus der Schweiz?

Die FVA verweist darauf, dass derzeit keine Aussagen zu Herkunft, Geschlecht oder Alter des Wolfes getroffen werden können. Laut Kurt Kirchmann wäre aber denkbar, „dass es sich um einen Wolf aus der Schweiz handelt, der einen Abstecher nach Deutschland gemacht, einmal die Runde durch den Landkreis gedreht hat und jetzt wieder auf dem Rückweg ist.“

Diese Theorie liege schon deshalb nahe, weil aus den Gebieten östlich des Landkreises Konstanz in jüngerer Zeit keine Wolfssichtungen gemeldet worden seien. Als es zum bisher letzten Mal eine bestätigte Sichtung eines Wolfes im Landkreis Konstanz gab, war dieser kurz zuvor in Überlingen gesichtet worden. Das war 2017. Vor wenigen Jahren wurde zudem schon ganz in der Nähe von Konstanz ein Wolf auf Schweizer Seite gesichtet.

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Die Forstliche Versuchsanstalt Baden-Württemberg betreibt ein Wolfsmonitoring. Das heißt, dort werden Meldungen über Wolfssichtungen gesammelt und überprüft, denn die Tiere stehen in Deutschland unter Naturschutz. Johanna Fritz, Leiterin des Fachbereichs Wissenstransfer und Kommunikation der FVA, bestätigt, dass jüngst neben der nun bestätigten Sichtung noch weitere Meldungen aus dem Landkreis Konstanz eingegangen seien.

Die Frage nach der Anzahl der Meldungen und den genauen Orten bleibt allerdings unbeantwortet. Die weiteren „befinden sich aktuell in der Bearbeitung. Daher kann ich Ihnen noch nicht mitteilen, ob es sich um sichere Wolfsnachweise handelt“, so Fritz. Gesicherte Sichtungen von Wölfen gab es im Landkreis Konstanz zuvor schon seit Längerem keine mehr. „Sichtungen hatten wir die letzten im Landkreis Konstanz im Jahr 2017, hier sind dreimal sichere Nachweise bei uns vermerkt“, so Fritz.

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Anfang März 2021 habe es ein Rissereignis, also ein Angriff auf ein Tier, auf Singener Gemarkung gegeben. „Hier konnte die genetische Probe kein Wolfsindividuum feststellen, das heißt wir können nicht sagen, welcher Wolf hierfür verantwortlich war“, erklärt Fritz. Sicher ist demnach aber zumindest, dass es ein Wolf war.

Begegnungen mit Menschen nicht ungewöhnlich

Eine der ersten Sichtungen zum aktuellen Wolfs stammt von Peter Stadler, einem Mitarbeiter der Gemeinde Mühlingen. Er berichtet, dass der Wolf bis auf zehn Meter an ihn herangekommen sei. Johanna Fritz erklärt auf Nachfrage, dass solche Begegnungen zwischen Wölfen und Menschen grundsätzlich nichts Ungewöhnliches sein müssen.

„Ja, seltene Begegnungen zwischen Mensch und Wolf – auch auf nähere Distanz – können vorkommen, ohne dass dies zugleich als problematisches Verhalten des Wolfes einzuordnen wäre“, schreibt Johanna Fritz. Die Distanz alleine sei nicht ausschlaggebend zur Bewertung des Verhaltens. „Ein Wolf ist in seinem Fluchtverhalten übrigens nicht zu verwechseln mit einem Reh, welches normalerweise schnell und eilig flüchtet. Der Wolf ist eben kein Fluchttier, hat aber in der Regel auch kein Interesse am Menschen“, so Fritz.

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Wölfe sollten niemals gefüttert werden

Grundsätzlich gebe es bei einer Begegnung mit einem Wolf kein falsches Verhalten, jedoch ein paar Punkte, die man beachten sollte: „Wölfe sollten niemals gefüttert werden und Hunde sollten im Einwirkungsbereich ihres Halters/Ihrer Halterin bleiben“, so Johanna Fritz. Kurt Kirchmann empfiehlt zudem, nicht davonzurennen, sondern langsam den Rückzug anzutreten, oder weiterzugehen und den Wolf dabei im Auge zu behalten.

Auch wenn Wölfe für den Menschen in der Regel keine unmittelbare Gefahr darstellen, können sie für andere Tiere durchaus gefährlich werden. Immer wieder klagen Landwirte darüber, dass ihre Tiere von Wölfen gerissen werden. Laut SÜDKURIER-Informationen wurden in den vergangenen drei Jahren in Baden-Württemberg 103 Tiere von Wölfen getötet und 25 verletzt, darunter vor allem Schafe und Ziegen, aber auch einzelne Rinder.

Ob der Wolf sich aktuell noch im Gebiet des Landkreises aufhält, ist fraglich. Die FVA spricht davon, dass aktuell weitere Meldungen aus dem Landkreis Konstanz in Prüfung seien. Kurt Kirchmann vermutet indes, dass es sich bei dem Tier um einen Durchzügler handle und der Wolf schon wieder auf dem Rückweg in die Schweiz sei.