Es muss eine ganz schöne Schrecksekunde für Peter Stadler, Mitarbeiter des Bauhofs der Gemeinde Mühlingen, gewesen sein, als er am Montagnachmittag bei Arbeiten im Bereich der Straße Richtung Hecheln plötzlich einem Wolf gegenüberstand. Zumindest sei er sich sehr sicher, dass das Tier ein Wolf gewesen ist. Eine offizielle Bestätigung fehlt noch, doch am selben Tag wurde das Tier noch mindestens zwei weitere Male gesehen.
Laut Peter Stadler sei der mutmaßliche Wolf langsam einen steilen Hang hoch gelaufen und habe dann nur zehn Meter von ihm entfernt die Straße gequert. „Der Wolf trottete dann gemächlich den Weg weiter bergauf, tiefer in den Wald“, so Stadler gegenüber dem SÜDKURIER. Als genügend Sicherheitsabstand zu dem Tier vorhanden war, sei er zurück zu seinem Bauhoffahrzeug gegangen, denn dort hatte er sein Handy liegen lassen. Er sei dem Tier mit seinem Auto noch ein Stück in den Wald hinein gefolgt und habe versucht, dabei Fotos zu machen.
Mehrere Fotos deuten auf einen Wolf hin
Der ehemalige Kreisjägermeister Kurt Kirchmann hat die Fotos gesichtet. Er ist Netzwerker bei der Forstlichen Versuchsanstalt Freiburg und dafür zuständig, solchen Sichtungen vor Ort nachzugehen. Anhand der Fotos, die er bisher von dem Tier gesehen hat, könne er nicht ausschließen, dass es sich tatsächlich um einen Wolf handle, erklärt er auf Nachfrage.

Auch Oliver Merz hat das Tier gesehen, und zwar an der B14 auf Höhe der Kreuzung Richtung Hecheln und Raithaslach. „Das war um 14.13 Uhr“, berichtet Merz. Damit muss er den mutmaßlichen Wolf kurz nach Peter Stadler und nur wenige Meter von dessen Sichtung entfernt gesehen haben. „Erst dachte ich, da läuft ein Hund. Aber ich habe keinen Menschen bei ihm gesehen und von der Farbe her war mein zweiter Gedanke dann: Das muss ein Wolf sein“, berichtet Merz. Deshalb sei er von der Straße abgefahren und habe schnell sein Handy gezückt, um Fotos zu machen.
Kurt Kirchmann weiß von weiteren Sichtungen. Eine davon soll sich am selben Nachmittag im Gebiet Hirschlanden auf Eigeltinger Gemarkung ereignet haben. Kirchmann habe sich daraufhin auf Spurensuche begeben und sei noch am selben Nachmittag zu der Stelle gefahren, an der Peter Stadler den Wolf kurz zuvor gesichtet hatte. Aussagekräftige Spuren konnte er dort allerdings nicht finden, berichtet er.
Video zeigt das Tier auf der Höri
Eine der Sichtungen bestätigt Tizian Bohner: Er hat den mutmaßlichen Wolf am Dienstag, 19. März, gegen 7 Uhr in Wangen auf der Höri gesehen und ein Video von ihm gemacht. Am Mittwochnachmittag folgt außerdem die Bestätigung: Es war tatsächlich ein Wolf unterwegs, die Sichtung ist offiziell bestätigt.
Letzte Sicherheit nur mit DNA-Probe
„Um ganz sicher gehen zu können, dass es sich bei dem gesichteten Tier um einen Wolf handelt, müssten wir eine Kot-, Urin- oder Haarprobe des Tieres finden, um eine DNA-Probe nehmen zu können. Erst wenn wir alle Fakten zusammenhaben, können wir abklären, ob es wirklich ein Wolf war“, erklärt Kirchmann noch am Dienstag. Er fügt hinzu: „In einem Eigeltinger Ortsteil gibt es einen sehr wolfsähnlichen Hund. Wir versuchen gerade noch abzuklären, ob der gestern Nachmittag zu Hause war oder vielleicht ausgerissen ist“, so Kirchmann vor der offiziellen Bestätigung.
Trotz aller Unsicherheiten sei es durchaus plausibel, dass wieder ein Wolf in der Gegend ist. „Hier verläuft ein alter Wildwechselpfad, der vom Allgäu in Richtung Schwarzwald führt. Diesen könnte das Tier benutzt haben“, erklärt Kirchmann. Schon im Jahr 2017 habe es einen ähnlichen Fall gegeben. Damals wurde ein Wolf zunächst in Überlingen gesehen, wenige Tage später an der Straße zwischen Hoppetenzell und Zizenhausen. Später sei das Tier tot im Schluchsee gefunden worden.
Ob der mutmaßliche neue Wolf sich noch in der Region aufhält oder schon weiter gezogen ist, lasse sich schwer sagen. „Der Wolf ist aber wahrscheinlich eher kein Dauergast, sondern eher ein Durchzügler. Untersuchungen haben gezeigt, dass Wölfe in einer einzigen Nacht bis zu hundert Kilometer zurücklegen können“, erklärt Kirchmann.
Beim Nachrichtendienst WhatsApp kursieren mehrere weitere Fotos und Videos aus den vergangenen Tagen, die Wolfssichtungen in Öhningen oder Volkertshausen zeigen sollen. Ob es sich dabei um echte Aufnahmen aus den jeweiligen Ortschaften handelt, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch fraglich.
Was tun, wenn man einen Wolf sieht?
Und was ist zu tun, wenn einem beim Spaziergang ein Wolf begegnet? „Auf gar keinen Fall wegrennen“, empfiehlt Kurt Kirchmann, denn Wölfe jagen ihre Beute im Rennen. „Man sollte langsam den Rückzug antreten und den Wolf dabei genau beobachten. Genau wie Hunde scheuen Wölfe den direkten Augenkontakt“, sagt Kirchmann.
Anschließend sollte die Begegnung bei der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg gemeldet werden. Das geht telefonisch unter der Nummer 0761 4018274 oder online unter: https://www.fva-bw.de/monitoring-luchs-wolf.
Wer den Wolf gesichtet hat, kann sich auch beim SÜDKURIER melden per E-Mail an stockach.redaktion@suedkurier.de – wir sammeln die Sichtungen und sprechen mit Experten darüber, was das bedeutet.