Hinter Stefan Becker, dem Einsatzleiter der Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Öhningen, liegt eine ungewöhnliche Sommersaison. „Es war noch nie so ruhig“, sagt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER, um nur einen Atemzug später hinzuzufügen: „Die Wachstunden sind aber explodiert.“ Auf den ersten Blick kurios: Ruhig sei es gerade deshalb gewesen, weil ein Ansturm an Badegästen ausblieb.
Wegen der Pandemie musste in den Strandbädern Abstand gehalten werden, Publikumsmagneten wie Sprungtürme oder Badeflöße waren gesperrt, sagt Becker. Und wurde eins der Bäder, die er überwacht, von zu vielen Badegästen heimgesucht, seien auch sie zeitweise gesperrt worden. Weniger Arbeit für die DLRG, will man meinen. Und doch stiegen die Einsatzstunden von 800 in den Vorjahren auf 1402 Stunden in diesem Jahr an. „Wir hatten wirklich viel zu stemmen“, sagt Becker und klingt stolz auf sein Einsatzteam.
Mehraufwand hat drei Gründe
Der Mehraufwand hat vor allem drei Gründe: Zum einen habe die DLRG Öhningen ihr Wachgebiet vergrößert und betreut seit diesem Jahr nicht nur die Strandbäder in Wangen und Öhningen, sondern auch das Strandbad in Horn. Zum anderen habe sich das Team bewusst entschieden, mehr Präsenz zu zeigen. „Wir sind deshalb auch unter der Woche und nicht nur am Wochenende ausgerückt, um den Badegästen ein größeres Gefühl von Sicherheit zu geben“, so Becker.
Und dann seien da noch die ganzen Stand-up-Paddler gewesen, die „die Gefahren im Bodensee unterschätzen“, wie der Einsatzleiter berichtet. „Wir mussten viel Aufklärungsarbeit leisten.“ Und die kostete vor allem eines: Zeit. Also Einsatzstunden.
Schwimmweste ist wichtig
Beckers wichtigstes Anliegen bei diesem Thema: „Das Tragen einer Schwimmweste auf dem Stand-up-Paddling-Brett.“ Denn im Sommer, wenn der Körper von der Sonne aufgeheizt sei, könne ein Fall vom Brett gravierende Folgen haben. Weil das Wasser deutlich kühler sei, könne das Kreislaufbeschwerden und Krämpfe auslösen – auch an der Atemmuskulatur. Und „wenn der Körper krampft, droht unter Umständen ein Ertrinken“, warnt Becker. Die Paddler musste er darauf in diesem Sommer sehr oft aufmerksam machen. „Viele sind einfach zu leichtsinnig.“ Und wüssten oft auch gar nicht, dass sie anderen zum Verhängnis würden. „Wenn im Strandbad jemand taucht und dann von der Seite ein Paddel zwischen die Ohren oder beim Auftauchen ins Gesicht kriegt, kann das echt gefährlich werden.“
Deshalb sei das Paddeln in den Badebereichen auch verboten. Die meisten Stand-up-Paddler, die Becker und sein Team ansprachen, waren trotzdem genau dort unterwegs. Retten musste der Einsatzleiter – „glücklicherweise“ – , wie er sagt, noch keinen wegen den Paddlern. „Aber die Gefahr ist einfach da.“
Corona erschwert Schwimmtraining
Und wie sieht es aus mit der Schwimmfähigkeit im Untersee? „Bei den Badegästen ganz gut soweit“, meint Becker, gesteht aber, dass er sich Sorgen um die Kleinsten aller Schwimmer mache: Um die Kinder. Wegen Corona seien viele Möglichkeiten, das Schwimmen zu lernen oder zu üben, weggebrochen. „Da verschwindet bei ihnen schnell die Ausdauer und auch das Wassergefühl lernen sie gar nicht richtig kennen“, sagt Becker.
Und er spricht gewissermaßen aus Erfahrung. Denn auch die Einsatzkräfte der DLRG – die sich im Winter normalerweise fortbilden – spüren, was es heißt, weniger Zeit im Wasser zu verbringen. Und das liege nicht nur daran, dass dem DLRG Öhningen kein eigenes Schwimmbad zur Verfügung steht und man nach Konstanz und Singen ausweichen müsse, um zu trainieren. Sondern auch an den Corona-Regeln. Das nötige Abstandhalten im Wasser und in der Umkleide erschwere die eigenen Fortbildungsmaßnahmen. „Wir setzten deshalb vermehrt auf Online-Schulungen“, sagt Becker und betont , dass die Praxisanteile im Wasser trotzdem nicht zu kurz kommen werden. „Wir müssen uns nur anders organisieren.“
Auch wenn die Saison längst vorüber ist und die DLRG sich hauptsächlich fortbildet, seien die Rettungsboote der Truppe noch immer im Wasser und jederzeit einsatzbereit. „Für den Notfall sind wir gerüstet“, sagt Becker. Auch jetzt noch.