Wer eigenmächtig ein Storchennest entfernt, verstößt gegen das Bundesnaturschutzgesetz und muss mit empfindlichen Konsequenzen rechnen. Doch gelten für die Stadt andere Regeln als für private Hausbesitzer, von denen manche die großen Vögel auf ihren Dächern als Plage empfinden? Diese Frage drängt sich dieser Tage in Böhringen auf, wo die Technischen Betriebe vor Kurzem das vor Ostern neu entstandene Storchennest auf dem Kriegerdenkmal entfernt haben.

Hanspeter Wickert ist in seiner Funktion als ehrenamtlicher Storchenbetreuer im Landkreis Konstanz zur Zeit für 140 Nester in der Region zuständig. 55 davon gibt es allein in Böhringen. Er hakte in der Bürgerfragestunde im Ortschaftsrat nach und wollte wissen, ob in diesem Fall die notwendige Ausnahmegenehmigung vorlag. Der zu einem anderen Thema anwesende Stabstellenleiter Wolfgang Keller vom Fachbereich Umwelt, Klima und Natur (UKN) der Stadtverwaltung Radolfzell verneinte dies auf bohrende Nachfrage seitens Wickert und erklärte, man müsse schauen, „was da schiefgelaufen“ sei.

Wie wird mit der Storchenpopulation umgegangen?

„Zurzeit ist die Stadtverwaltung noch intern mit der Klärung des Sachverhalts und der Rekonstruktion der Abläufe beschäftigt. Bereits im September wurde ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der Stadt an die zuständigen Behörden gestellt“, erklärte Natalie Reiser von der Pressestelle auf Nachfrage.

Das könnte Sie auch interessieren

„Seitdem sind die Beteiligten in Kontakt, um das weitere Vorgehen zu dem Storchennest auf dem Kriegerdenkmal zu klären, aber auch, um zu überlegen, wie allgemein mit der Storchenpopulation in Böhringen umgegangen werden soll. Für das künftige Storchenmanagement wird zu einem runden Tisch durch die Ortsverwaltung Böhringen eingeladen. Entsprechende Gelder für ein Konzept sind im Haushalt 2025 angemeldet“, teilt sie weiter mit.

Ein Konzept auf Landesebene hatte im September auch Florian Zindeler, Bürgermeister in Hohenfels, gefordert, nachdem 100 Störche im 450-Einwohner-Dorf Mindersdorf für Ärger gesorgt hatten. Dort gab es inzwischen ein Versöhnungsgespräch, doch ein Masterplan fehlt noch.

„Es geht um Storchenabwehr“

Zwischenzeitlich ist der in Böhringen für den 18. November vorgesehene runde Tisch aber aufgeschoben, weil einige Akteure aus Zeitgründen abgesagt haben, so Ortsvorsteher Jürgen Keck auf Nachfrage. Indes treffen sich nun sechs Hausbesitzer mit Photovoltaik-Anlagen im stark von den Störchen besiedelten Unterdorf zu einer Besprechung mit der Unteren Naturschutzbehörde und Theo Nägele vom Landschaftserhaltungsverband Konstanz (LEV). „Es geht um Storchenabwehr in Böhringen“, so Storchenbetreuer Wickert, der ebenfalls daran teilnimmt.

Was den entfernten Horst am Kriegerdenkmal angeht, so ist Wickert sich sicher: Wenn die ersten Störche im Februar aus dem Süden zurückkehren, werden sie wieder versuchen, dort ein Nest zu bauen. Es gäbe aber die Möglichkeit, an einem Ersatzstandort ein paar Meter vom Denkmal entfernt Pfähle mit einer Nestunterlage aufzustellen.

Das könnte Sie auch interessieren

Trotzdem müsse man auf der Hut sein und das Denkmal rechtzeitig mit Hindernissen gegen den Nestbau versehen. Das kann helfen, muss aber nicht. Denn die Störche sind erfinderisch, wie sich in Böhringen zeigt. Dort hat die Zahl der Störche in den vergangenen Jahren so stark zugenommen, dass die Nistplätze rar geworden sind.

Die Nester machen zum Teil Probleme

Das Thema Störche werde den Ortsteil sicher weiter beschäftigen, so Hanspeter Wickert. Zum einen, weil derzeit bei beiden Kirchen Photovoltaik-Möglichkeiten auf den Dächern geprüft würden, und es zum anderen mit den fünf hohen Nestern auf beiden Kirchen mittlerweile statische Probleme gebe.

Anträge auf Ausnahmegenehmigungen zum Nestabbau seien bereits gestellt, nicht zuletzt, weil die Eigentümer verpflichtet sind, für die (Verkehrs-) Sicherheit der Nester zu sorgen. „Solch ein Nest mit ein Meter Höhe und eineinhalb Meter Durchmesser wiegt schnell über eine Tonne und wird jedes Jahr höher“, macht Hans-Peter Wickert deutlich.

Das könnte Sie auch interessieren

Momentan gibt es in Böhringen 55 Storchennester. Fast 75 Prozent der Jungtiere dieses Jahr, so Hans-Peter Wickert, haben allerdings – wie in ganz Baden-Württemberg – infolge der feucht-kalten Witterung während der Brutzeit nicht überlebt. Einige sind abgestürzt.