Mitte, Ende der neunziger Jahre waren alle "ein bisschen Bluna". Gut zwanzig Jahre später hat die Stadtverwaltung Radolfzell ohne übermäßigen Konsum einer Limonade das "Blu" entdeckt. Sie hat das neue, sieben Hektar große Gewerbegebeit im Nordwesten der Stadt "Blurado" getauft. Im Italienischen steht "blu" für die Farbe Blau, und Blu oder Blau ist in Umwelt- oder Klimafragen das neue Grün.

Cleanenergy Park klingt doch mehr nach Waschanlage

Bisher lief das neue Gewerbegebiet Kreuzbühl auf dem Gelände im Anschluss an das Kasernenareal in Radolfzell Richtung Reute unter dem Begriff "Cleanenergy Park". Was sich nicht als idealer Name herausstellte, wie Wirtschaftsförderer Frank Perchtold berichtet: "Da dachten viele eher an eine Autowaschanlage." Problem erkannt, Problem behoben.

Die Namensfindungskommission in der Stadtverwaltung einigte sich auf "Blurado". Blu als Synonym für die Farbe Blau und damit für saubere Energie und rado für Radolfzell. Blaurado sei nicht in die engere Auswahl gekommen: "Auf den Gedanken sind wir gar nicht gekommen, wir sind bei blu hängengeblieben", räumt Perchtold ein.

Energieversorgung läuft ausschließlich über erneuerbare Energien

Hinter der blauen Marke steht ein blaues Konzept. Die Energieversorgung der künftigen Gewerbeeinheiten erfolge ausschließlich über erneuerbare Energien. Der vollständige Verzicht auf fossile Energieträger soll durch ein "kaltes Nahwärmenetz" (Agrothermie) und Fotovoltaikanlagen auf den künftigen Gebäuden gewährleistet werden.

Oberbürgermeister Martin Staab, der die Entwicklung zu diesem Projekt angestoßen hat, glaubt: "Damit haben wir in Radolfzell ein Alleinstellungsmerkmal, zumindest kennen wir kein vergleichbares Projekt in Deutschland." Damit könne die Stadt saubere Arbeitsplätze anbieten und etwas zum Klimaschutz beitragen. "Was VW-Chef Herbert Diess fordert – wir tun es: Wir bieten eine CO2-freie Produktion an", sagt Staab.

Interessenten müssen den Klimagedanken verinnerlicht haben

Teresa Tewes hat als Klimaschutzbeauftrage das Energiekonzept für Blurado entwickelt. Entscheidend sei: "Alle Interessenten an einem Grundstück müssen sich verpflichten, eine Fotovoltaikanlage auf ihrem Gebäude zu installieren und müssen sich an die Nahwärmeversorgung anschließen." Für die Agrothermie würden Leitungen mit rund 400 Kilometer Länge zwei Meter unter der Erdoberfläche in dem benachbarten Ackerland verlegt. Die Wärmekollektoren werden mit einem Glykolwassergemisch gefüllt. "Oberirdisch können die Flächen weiter landwirtschaftlich genutzt werden", erläutert Tewes.

Die in den Gebäuden benötigte Temperatur für Heizung und Warmwasser würden Wärmepumpen erzeugen. Den Strom liefern Fotovoltaikanlagen. Ein weiterer Effekt: Durch die Kombination beider Technologien würden keine Brennstofflager, Heizkessel oder Schornsteine benötigt.

Ausschreibung für den passenden Energieversorger läuft bereits

Wirtschaftsförderer Frank Perchtold bewegt die Frage, "wie wir das in die Realisation bekommen". Das Konzept sei zusammen mit der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Konstanz ausgearbeitet worden. Jetzt läuft die Ausschreibung, wer diese Technik als Investor den künftigen Unternehmen im Gewerbegebiet Blurado anbieten darf.

"In Frage kommen klassische Energieversorgungsunternehmen und Technologie-Anbieter auf diesem Gebiet", sagt Staab. Der OB rechnet mit einer Investitionssumme von über fünf Millionen Euro. Im Rathaus seien schon erste Bewerbungen eingegangen, die Einreichungsfrist läuft bis 25. April.

Die Stadt setzt auf ihr klimaneutrales Gewerbegebeit

Vom Erfolg des Konzepts und des Angebots sind alle Beteiligten in der Stadtverwaltung überzeugt. Unternehmen, die sich dort ansiedeln, bekämen die Umwelttechnologie als Dienstleistung. "Das ist von der Wirtschaftlichkeit gesehen langfristig am günstigsten", prognostiziert Perchtold. Auch das Internet soll in diesem Paket mit drin sein. "Die Unternehmen haben für die Energieversorgung und das Internet nur einen Ansprechpartner", beschreibt Perchtold das Angebot. OB Staab fühlt sich mit dem Blurado im Nordwesten der Stadt auf sicherem Terrain: "Wir wissen, dass unser Konzept Unternehmen anspricht, ich bin mir sicher, dass das ein Erfolg wird."

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