Mittwoch, 18. März, kurz nach 7 Uhr: Von einem Freund kommt eine E-Mail, er hat die Botschaft seines Freundes und Mediziners weitergeleitet. Sie lautet: „An den Zahlen arbeiten.“ Wer die Zahl seiner Kontakte einschränkt, hilft beim Eindämmen des Coronavirus und damit der Gesellschaft beim Aufrechterhalten des Gesundheitssystems.

Mittwoch, 18. März, 8.30 Uhr: Beim Frühstück wird besprochen, was für persönliche Einschränkungen auf die Familie zukommen, auch auf die Kinder. Kein fröhliches Kicken auf dem Bolzplatz, vorläufig keine Zugfahrt zum Patenonkel. Die Älteste findet das lautstark „unfair“. Kann man so sehen. Gerade in jungen Jahren regt sich das Verständnis für und das Pochen auf die Freiheitsrechte. Gut für die Demokratie. Aber die enden im Grundgesetz dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Artikel zwei sagt in Absatz eins: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Und in Absatz zwei: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ Leider kommt dieser Exkurs in Gemeinschaftskunde am Frühstückstisch nicht so gut an.

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Mittwoch, 18. März, 11.30 Uhr: Die meisten Geschäfte in der Innenstadt sind geschlossen, auf dem Wochenmarkt wird gewitzelt übers Abstandhalten. In der Höhe sind zwei Meter gut zu schätzen, halt mindestens einen Kopf mit Hals größer. Die Distanz von Rumpf zu Rumpf abzuschätzen macht Mühe.

Mittwoch, 18. März, 16.40 Uhr: Bürgermeisterin Monika Laule und OB Martin Staab gehen auf Wunsch der Presse für ein Foto auf den vom Robert-Koch-Institut empfohlenen Mindestabstand von 1,50 Meter. Es hilft ein Metermaß. Ist mehr, als man denkt, lautet das Urteil im Büro des OB. Das Foto wird aus mindestens zwei Metern Entfernung gemacht.

Mittwoch, 18. März, 18.37 Uhr: Der gute Freund schickt eine weitere Mail aus einer medizinischen Einrichtung mit dem Vermerk „unbedingt teilen“. Die ganze Mail wäre zu lang, fischen wir etwas heraus. Dort heißt es: „Ich verstehe, dass aktuell jeder infizierte Mensch circa drei weitere Menschen ansteckt.“ Dem Verständnis folgt die Erkenntnis: „Deshalb werde ich, bis die Pandemie abgeklungen ist, Kontakte zu Menschen außerhalb meiner Familie bzw. meines direkten Haushalts auf das absolut Nötigste reduzieren.“ Das wäre fair für die Gemeinschaft, wird privat aber ziemlich sicher anstrengend.

Die Kolumne: Das Corona-Tagebuch der Redaktion Radolfzell begreift sich als hoffentlich vorübergehende Erscheinung.