Seltene Tierarten bevölkern den Biotop Streuhau, in dem der Streit um Bärenklau, Wurm und Felchen, das gegenseitige Verscheuchen und Morden aus reiner Fressgier auf der Tagesordnung stehen. Jedes Lebewesen giert auf den Thron im Schilf, der die beste Aussicht auf den Golf von Moos und die Zitadelle von Radolfzell sowie die Bewunderung und Dienstbarkeit des niedrigen Getiers verspricht. Doch leider, dieses Idyll wird bedroht vom Homo Tourist. Geben die Kreaturen im Biotop ihr selbstgefälliges Tagwerk auf, um vereint die weißen Wanderer abzuwehren, die den Streuhau in ein zivilisiertes Ressort für ein gepflegtes Wohlstandsnickerchen verwandeln wollen? Wer welche Rolle spielt, bleibt undurchsichtig.

Im Streuheu sammelt sich viel Getier, fast alle säßen gerne auf dem Thron im Schilf. Eingepflockt sind der Kormoran (OB Martin Staab), ...
Im Streuheu sammelt sich viel Getier, fast alle säßen gerne auf dem Thron im Schilf. Eingepflockt sind der Kormoran (OB Martin Staab), der Schwan (Bürgermeisterin Monika Laule), der Gelbspötter (Jürgen Keck FDP), die Nachtigall (Bernhard Diehl CDU), der Buchfink (Siegfried Lehmann FGL), der Kleiber (Jürgen Baumgartner Freie Wähler), die Ringelnatter (Norbert Lumbe SPD), von der Redaktion Radolfzell die Zauneidechse (Matthias Güntert), der Biber (Anna-Maria Schneider) und der Laubfrosch (Georg Becker). | Bild: Hohlfeldt, Frank

Der Kormoran

Der Vogel frisst Felchen für sein Leben gern und gilt als der natürliche Feind von Anglern und Stadträten. So gesehen, wäre er ein möglicher Anführer im Kampf gegen die weißen Wanderer. Aber Martin Staabs Interesse gilt als gering. Der Thron im Schilf ist ihm egal, sitzt der Kormoran doch auf dem Ast darüber und schaut von oben herab auf das Gekreuch zu seinen Füßen. Deshalb nennen ihn alle „OB„. Der Kormoran ist im Streuhau ein Einpendler, sein Domizil ist das Aachried. Er fliegt nur herüber, weil er ein Faible für kommunalen Ordnungsdienst hat. Der wäre ein probates Mittel gegen die tierische Anarchie im Schilf und für eine geordnete Zufuhr an Felchen.

Der Schwan

Er ist zwar der größte aller Entenvögel, doch an einem Felchen würde sich der Schwan verschlucken. Er kreuzt bürgermeisterinnengleich vor dem Streuhau, um die vom Kormoran links liegen gelassenen kleinen Fische und ab und an ein paar Wasserinsekten zu schlucken. Der Thron aus Schilf wäre für Monika Laule verlockend, wenn er nicht so weit weg vom Marktplatz liegen würde.

Der Gelbspötter

Der schlanke Singvogel hat einen recht kräftigen Schnabel, er ernährt sich hauptsächlich von Fliegen, Blattläusen und Käfern. Der Gelbspötter ist nicht dafür bekannt, dass er sich gewerblichen Interessen entgegenstellt. Es sei denn, es geht ihm gegen die Natur. Sollte im Streuhau ein Windrad geplant werden, ist mit Jürgen Kecks erbitterter Gegnerschaft zu rechnen.

Die Nachtigall

Es muss nicht immer eine Trompete sein, der Gesang der männlichen Nachtigall aus den Reihen der CDU weiß auch so im Gemeinderat durchzudringen. Das Internetlexikon Wikipedia beschreibt die Musikalität der Nachtigall: „Der Gesang ist überaus komplex, verschiedenartig, unvorhersehbar und fantasievoll, besteht aus Strophen dicht gereihter Einzel- oder Doppeltöne.“ Aber aufgepasst: Der Kormoran mag diese Darbietung selten. Vertreibt Bernhard Diehl die Felchen?

Der Buchfink

Der Naturschutzbund (Nabu) hat dem schillerndsten Vogel der Radolfzeller Grünen eine Ode geschrieben: „Der spatzengroße Buchfink ist ein echter Schönling. Er hat ein prachtvolles Gefieder, seine schmetternde Gesangsstrophe, der Finkenschlag, ist schon Ende Februar zu hören – manchmal mehrere Hundert Mal pro Stunde. Sie klingt klar und hart, und endet mit einem kleinen Schnörkel.“ Um es kurz zu machen, der Weg zum Thron im Schilf führt über ihn. Wenn gerade ein anderer dort sitzt, der Buchfink meldet sich zu Wort. Ob Siegfried Lehmann gegen die weißen Einwanderer im Streuhau schmettert? Mal schauen.

Der Kleiber

Warum erinnert diese Beschreibung des Nabu so sehr an Dietmar Baumgartner? „Der Kleiber ist ein kompakter Vogel, der geschickt an Baumstämmen und Ästen auf und ab klettern kann. Hier sucht er nach Insekten, die sich in den Ritzen der Borke verstecken oder auf Blättern zu finden sind. Er kann sogar kopfabwärts klettern.“ Um die Freien Wähler zusammenzuhalten, ist diese Eigenschaft unbedingt hilfreich, wenn nicht gar existenziell. Auch mal, um vom OB bis zum kleinsten Kauz im Geäst hinunter und wieder hochzueilen.

Die Ringelnatter

Schon William Shakespeare sah lieber in die Luft: „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche!“ Warum wird es am Ende nicht die Ringelnatter, die auf den Thron aus Schilf zischelt? Das S der SPD steht für biegsame, aber zielgerichtete Fortbewegung. Stadtrat Norbert Lumbe liefert die Argumente für oder gegen Touris im Streuhau, unterwegs frisst die Natter noch den Frosch.

Die Zauneidechse

Bei schönem Wetter nimmt sie am Morgen zuerst ein Sonnenbad, um den wechselwarmen Organismus auf Betriebstemperatur zu bringen – Echse Matthias Güntert hat das beste Leben in der Biotopredaktion. Anschließend geht das Reptil auf Nachrichten-, äh Nahrungssuche. Zum Beutespektrum zählen Zikaden, Käfer und Wanzen, die Kormoran, Schwan und Ringelnatter aus dem Mund fallen.

Der Biber

Anna-Maria Schneider ist der schönste Pelz in der Redaktion. Und der erfolgreichste Nager im Nachrichtengeschäft. Die Gehölze, in die sie ihre Zähne schlägt, fallen um. Vorsicht, wer ihr zu nahe kommt: Der Biber ist streng geschützt und ein Kandidat für den Thron. Nach dem Gemetzel.

Der Laubfrosch

Steht in der Nahrungskette ganz weit unten und wird im Spiel um den Thron im Schilf weder vom Kormoran noch vom Schwan ernstgenommen. Der Gelbspötter hackt ihm in die Flanken, der Buchfink kaut ihm die Ohren ab. Nur die Ringelnatter beißt zu. Als Redaktionslurch hat es Georg Becker meistens schwer. Unser Tipp: Überlebt die erste Staffel „Game of Streuhau„ nicht. – In diesem Sinne: Einen guten Rutsch nach 2020 und nicht alle Pflöcke so ernst nehmen, wie sie da im Streuhau eingeschlagen sind.