Georg Lange und Anna-Maria Schneider

Die Familien stärken sowie die Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit der Familie unterstützen – das sind zwei von mehreren Zielen, die sich der CDU-Stadtverband auf die politische Agenda geschrieben hat. Radolfzell zeichnet sich zwar mit einer Vielfalt unterschiedlicher Betreuungsplätzen für seine Kinder aus, die städtisch, privat oder gemeinnützig betrieben werden. Doch wie sieht die Realität in der Radolfzeller Betreuung aus?

Bestandsaufnahme im Kinderhaus

Zu einer Bestandsaufnahme lud der CDU-Verband in einer Gesprächsrunde ins Montessori Kinderhaus ein. Derzeit würden von der Stadt Anträge für 111 Kinder unter drei Jahre sowie für 71 Kinder über drei Jahren bearbeitet, beruft sich Elternrätin Susanne Pantel auf Angaben der Verwaltung. Anette Hemmie, Leiterin der Kindertagesbetreuung bei der Stadt Radolfzell, gibt auf Nachfrage des SÜDKURIER an, dass man erst im Mai verbindliche Aussagen darüber treffen könne, wie viele Kinder zum Beginn des neuen Kindergartenjahres keinen Platz bekämen.

Freie Träger wünschen sich mehr finanzielle Unterstützung

"Freie Träger von Kindergärten erhalten keine hundertprozentige Bezuschussung für die Betriebskosten", so die Leiterin Judith Keller vom Montessori Kinderhaus am Sonnenrain: Freie Träger brächten eigene Pädagogen auf den Bildungsmarkt. Sie helfen mit den kommunalen Auftrag zu erfüllen, hätten sich aber gleichzeitig an die Rahmenbedingung des kommunalen Fachbereichs zu orientieren. Das habe Konsequenzen für die Eltern.

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Die Stadt rühme sich zwar mit einer Tabelle, nach der alle Nutzer dasselbe zahlen würden, so die Vorsitzende des Elternbeirates Susanne Pantel: Doch Eltern bei freien Trägern wie dem Montessori-Kinderhaus müssten den fehlenden Deckungsgrad zu den Betriebskosten mit Mitgliedschaften im Verein und Ehrenämtern ausgleichen. In städtischen Einrichtungen zahle man hingegen nur den Beitrag, der durch die Tabelle vorgegeben sei.

Betriebskosten werden nur zum Teil erstattet

Zu den Betriebskosten gehören auch die Kosten für die Personalverwaltung, wie die der Lohn- und Finanzbuchhaltung. Freie Träger verringern zwar durch das Subsidaritätsprinzip mit der Erledigung kommunaler Aufgaben die Kosten für die Gemeinde, könnten sie jedoch durch die Ausgaben für die Abrechnung keine großen finanziellen Reserven aufbauen. Vom Gemeinderat wünscht sich die Vorsitzende des Montessori-Vereins, Katharina Schreiber, die Übernahme der Kosten für die Abrechnung für die freien Träger.

Eltern müssen draufzahlen

Laut Bürgermeisterin Monika Laule ist die Kostenübernahme, wie sie aktuell läuft, so auch vom Gesetzgeber geregelt. Eine 100-prozentige Übernahme aller Betriebskosten sei gar nicht vorgesehen. Wenn Eltern sich für ein besonderes pädagogisches Angebot für ihre Kinder entscheiden, welches nicht von der Stadt angeboten werde, dann werde vom Gesetzgeber ein gewisser Eigenbeitrag erwartet, so Laule. Dies geschehe über Vereinsmitgliedschaften, Ehrenamt, Kuchenverkäufe und Spenden. In großen Einrichtungen sei die Summe jedoch beachtlich. Der Montessori-Verein zum Beispiel stemmt Dienstleistungskosten mit dem Ehrenamt in Höhe von rund 60 000 Euro.

Personal ist überall ein Problem

Andrea Gnann ist stellvertretende CDU-Vorsitzende und Sozialfachmanagerin. Für sie bestehe die Herausforderung für die städtischen Kindergärten in der Personalgewinnung und dem Halten des Personals. Ohne Absprache mit den Eltern erlebte Pantel in vier Radolfzeller Kindergärten zum Teil kurzfristig angekündigte Schließungen der Einrichtungen wegen Personalmangel und Krankheit. Laut Annette Hemmie sei das in diesem Winter bisher in Radolfzell zwei Mal in einzelnen Gruppen vorgekommen. Susanne Pantel wünscht sich von der Gemeinde den Aufbau eines Springerpools.

Aushilfen sollen nicht für jede Gruppe geeignet sein

Den Einsatz von Aushilfen sieht Bürgermeisterin Monika Laule jedoch kritisch: "Bei Kindern unter zwei Jahren können wir nicht völlig fremde Erzieher als Vertretung in die Gruppen schicken. Das können wir pädagogisch nicht verantworten", so Laule. Annette Hemmie erklärte, man habe im vergangenen Herbst eine sehr angespannte Personalsituation erlebt. Durch Schwangerschaft und Krankheit seien kurzfristig viele Kräfte ausgefallen. Doch zum neuen Jahr hätten sechs neue Erzieher ihren Dienst angetreten.

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Bei den städtischen Kindergärten erlebe Pantel eine Kürzung von Angeboten wie die Streichung von Spaziergängen und Wahltagen sowie offene Portfolio für die Kinder. Trotz dem in den letzten Jahren gestiegenem Angebot seien die Kindergärten überbelegt, beobachtete Judith Keller. Ab einer bestimmten Anzahl an Kindern wirke jedes weitere wie eine Verdoppelung, bei der sich die Dynamik im Haus potenziere. Eltern würden sich dabei wundern, dass Kinder gestresst nach Hause kehren. Die Kommune übe einen großen Druck auf eine größere Belegung der Einrichtungen aus.

Stadt wehr sich gegen die Vorwürfe

Dieser Aussage widerspricht Anette Hemmie von der Stadtverwaltung vehement. Jedes Kind, das zu einer Überbelegung der Gruppe führe sei mit dem Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS) abgesprochen und werde nur temporär in Notsituationen der betroffenen Familien erlaubt. Dass bestimmte Angebote dauerhaft gestrichen wären, auch das möchte Hemmie so nicht stehen lassen. Dass wegen Krankheit und personellen Engpässen ein Waldtag mal ausfalle, dies könne jedoch durchaus passieren.

Zum Montessori-Prinzip

  • Gastgeber der Gesprächsrunde "gehört" des CDU-Stadtverbandes war das Montessori Kinderhaus am Sonnenrain. Die Montesori-Pädagogik beruht auf dem Bildungskonzept der in Italien geborene Ärztin Maria Montesori (1870-1952). Das pädagogische Prinzip orientiert sich an der Freude am Lernen der Kinder und konzentriert sich auf die Bedürfnisse, Talente und Begabungen des Kindes. Kinder werden ermuntert ihr Thema und das Tempo selbstständig zu steuern – mit dem Ziel Selbstvertrauen und Selbstständigkeit zu verinnerlichen. Das Kind wird als ein Baumeister seines Selbst begriffen, dem lediglich eine Unterstützung zur Bewältigung der Aufgaben zu Teil kommt. Montesori Pädagogen folgen dabei der Aufforderung: "Hilf mir, es selbst zu tun."
  • Für die Pädagogik ist eine sogenannte "vorbereitete Umgebung" notwendig, in der das Kind die Möglichkeit geben wird, sich von Erwachsen zu lösen und mit dem Ziel eigenständig Fähigkeiten zu entwickeln um autonom zu werden. Der Pädagoge tritt in diesem Prozess als ein Verbündeter und Helfer des Kindes auf und nicht als ein Erzieher oder Lehrer. Er begleitet den kindlichen Erkenntnisprozess und steht ihm in den verschiedenen individuellen Phasen seiner Entwicklung unterstützend bei. Der Pädagoge ist geschult, diese Phasen zu erkennen und das Kind an Aktivitäten heranzuführen, das dessen Interesse weckt. Dabei erlebt das Kind die Freiheit, sich seine Arbeit selbst auszusuchen.