Eileen Ehringer

Das Verfahren gegen einen 35-Jährigen wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung ist eingestellt worden. Da die Zeugin ihren eigenen Aussagen in der Anzeige widersprach, lag dem Amtsgericht Radolfzell keine glaubhafte Beschuldigung mehr vor. Auch dem Gericht sind manchmal die Hände gebunden. Eine Verhandlung, in der es um Körperverletzung in zwei Fällen und versuchte Nötigung ging, fällt in diese Kategorie. Ulrike Steiner, Direktorin des Amtsgerichts Radolfzell, war offensichtlich unzufrieden damit, das Verfahren gegen den Angeklagten einstellen zu müssen.

Angeklagter gibt als Beruf Musikproduzent an

Der Angeklagte ist 1984 geboren, wohnhaft in Überlingen und besitzt die Deutsche und Amerikanische Staatsbürgerschaft. Zum Zeitpunkt, an dem die Anzeige gestellt wurde, leitete er noch einen Escortservice, ist heute aber nach eigenen Angaben als Musikproduzent tätig. Ihm wurde vorgeworfen, im Mai 2017 eine Frau, die für sein Unternehmen tätig war, bei zwei Gelegenheiten ins Gesicht geschlagen und zu Boden gestoßen zu haben. Um sie von einer Anzeige abzuhalten, soll er außerdem damit gedroht haben, sie und ihre Kinder zu töten.

Verhandlung mit Sprachbarrieren

Der Beschuldigte erschien zusammen mit der Geschädigten bei Gericht, jedoch ohne juristischen Beistand. Davon, dass sein Anwalt nicht erscheinen würde, soll er allerdings nichts gewusst haben. Die Schilderung sei sehr übertrieben, meinte er, und er könne sich auch nicht mehr an alles erinnern. Er wisse aber, dass sie beide sehr betrunken gewesen seien und dass es heute keinerlei Streitigkeiten mehr zwischen ihm und der Frau gebe. Auch ihre jeweiligen Kinder seien eng befreundet, weswegen er diese niemals bedrohen würde. Die 42-jährige Geschädigte gab vor Gericht an, als Friseurin zu arbeiten. Sie hatte im Verlauf der Verhandlung mit erheblichen Sprachbarrieren zu kämpfen. Da sie nur sehr gebrochen Deutsch spricht, wollte sie ihre Aussage auf Englisch zu Protokoll geben, was aber nicht möglich war. Die festgelegte Gerichtssprache ist Deutsch.

Betrunken ja – Escortservice nein

Dennoch wurde deutlich, dass ihre aktuelle Aussage sich erheblich von ihrer ersten Aussage bei der Polizei unterschied. Entgegen ihrer ersten Angaben, erzählte sie nun, dass es zwar einen Streit gegeben habe, aber keine Drohungen und auch keine Schläge ins Gesicht. An zwei aufeinander folgenden Abenden habe sie sich mit dem Beschuldigten gestritten, wobei sie beide sehr betrunken gewesen seien. Der Angeklagte habe sie auch gestoßen, allerdings sei sie dann aus der Ferienwohnung in Markelfingen geflüchtet. Nach der Auseinandersetzung am zweiten Abend sei sie aber noch einmal in die Wohnung gegangen, um ihr Handy zu holen. Weil sie dort Angst bekommen hätte, habe sie die Polizei verständigt. Eine gewerbliche Tätigkeit für den Escortservice bestritt sie vor Gericht.

Auf die Frage der Staatsanwaltschaft hin, wie sich die Zeugin das Missverhältnis zwischen ihren Aussagen erklären könne, sagte sie, dass sie nicht mehr wisse, was sie vor zwei Jahren gesagt habe. Außerdem sei sie zu diesem Zeitpunkt noch immer alkoholisiert gewesen. Inzwischen sei sie wieder mit dem Angeklagten befreundet und wolle nur ihre Ruhe haben.

Die Aussage vor der Polizei

Durch einen zweiten Zeugen konnte der Grund des Streits genauer beleuchtet werden. Der 35-jähriger Kommissar hatte im Mai 2017 die Aussage der Frau aufgenommen und beschrieb sie im Rückblick als eingeschüchtert. Auf ihn habe sie verkatert, aber „voll orientiert“ gewirkt, sagte er. Zudem habe die Geschädigte damals erzählt, dass sie sich für den Escortservice mit sieben bis acht Kunden getroffen habe, mit denen es zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Bei zwei dieser Kunden soll es zum Geschlechtsverkehr gekommen sein, was aber laut damaliger Aussage vorher so vereinbart gewesen sei und mit ihrer Erlaubnis geschah. Der Angeklagte und die Geschädigte hätten vorgehabt, sich das Honorar von 150 Euro pro Stunde zu teilen, berichtete der Kommissar. Da sie anschließend nur einen Teil des vereinbarten Betrags erhalten haben soll, sei es zum Streit gekommen. Wiederholt kam es während der Verhandlung zu Unterbrechungen von Aussagen anderer durch den Angeklagten, wofür er von Richterin Steiner zurecht gewiesen wurde. Da die Zeugin ihre eigenen Aussagen nicht bestätigte, und die im Polizeiprotokoll angegebenen Verletzungen damals nicht ersichtlich und fotografisch dokumentierbar waren, empfahl die Richterin die Einstellung des Strafverfahrens. Staatsanwaltschaft und Angeklagter stimmten dem ebenfalls zu.

Außerhalb des Protokolls machte Richterin Steiner noch einmal deutlich, dass sie der zweiten Aussage der Zeugin nicht glaube und dass sie dem Angeklagten empfehle, sich von ihr fernzuhalten. Der Beschuldigte verabschiedete sich fröhlich von allen Anwesenden und verließ das Amtsgerichtsgebäude in Radolfzell zusammen mit der Zeugin, die bereits am Ausgang des Saals auf ihn wartete.