In der Kaserne in Radolfzell fuhr die Szene vor. Alles, was in Deutschland in der Techno-Szene einen Namen als DJ hatte, legte im Tempel auf. Sven Väth war dort, Dr. Motte alias Matthias Roeingh, DJ Hell, DJ Clé und als feste DJs wirbelten Monrow alias Martin Lechner und Henrik Schwarz als lokale Helden an den Plattentellern. Das war damals zumindest in Deutschland das „Who is who“ der elektronischen Musik und ist es heute mit Väth, DJ Hell und Schwarz international. Und alle traten im beschaulichen Radolfzell auf. Mehrfach.

DJ Hell, mit bürgerlichem Namen Helmut Josef Geier, ist noch so einer aus dieser berühmten Techno-Ahnentafel und hat im deutschen Musiksender Viva mächtig Werbung für die Destination Kaserne gemacht. Gefragt nach seinem Lieblingsclub, hat DJ Hell in die Kamera hinein gesagt: „Der Tempel in Radolfzell.“ Es kamen dann noch mehr Leute in den Tempel und es kam ein Fernsehteam von Viva.

Der Tempel mischte bei den Konzert-Tourneen der ganz Großen mit, auf den Plakaten für die Europa-Tournee von DJ Jeff Mills aus Detroit standen die Städte: London, Berlin, Paris, Radolfzell, Zürich, Wien. Auslöser dieser pulsierenden Zeit war einmal mehr Christoph Manz. Der Berliner, der Anfang der 1980er-Jahre auf der Höri und in Radolfzell gestrandet war, hatte nach der Eröffnung der Szene-Kneipe „Tanke“ in der Mitte von Radolfzell 1990 sich 1994 zusätzlich um die Nachfolge der Szene-Disko „Graffity“ in der Kaserne beworben.
Sein Konzept: Zeitgenössische Musik, live. Nichts war zeitgenössischer in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre als Techno und House. „Dr. Joe“ Maier schweißte alte Fässer und rostige Stahlteile als prägenden Haus-Schmuck zusammen. „Die Art von Musik und der Raum in der alten Kaserne, das war eine reine Symbiose“, sagt Manz über die elektrisierende Stimmung im Tempel.

Die DJs kannte Manz aus seiner Berliner Zeit. Im „Dschungel“, einem legendären Club unweit des Ku‘damms, waren die späteren DJs in den Achtzigerjahren Stammgäste. Wie Christoph „Grille“ Manz. Er wusste zuerst nur nicht, dass sich hinter DJ Clé sein Kumpel Clemens Kahlcke verbarg. Als er nach Radolfzell kam, staunte Manz: „Wat Clemens, Du bist Clé?“ Großes Gelächter im Tempel und das Versprechen von DJ Clé: „Das nächste Mal bring ick Motte mit.“ So kam es, der Macher der Loveparade legte in Radolfzell auf.

Das Ende des Tempels kam 2001 nach dem Verkauf des Kasernenareals durch die Stadt. Da war der Club gerade erst so richtig in der Radolfzeller Wahrnehmung angekommen. Bitter für Manz: Statt 500 Quadratmeter Tanzfläche im alten Tempel sollte er im sanierten Kasernenareal gerade mal Platz in der Größe einer Imbissbude bekommen. Für einen Dancefloor zu wenig.