Tiefe Reifenspuren fressen sich ins Gras der Reichenauer Wiesen zwischen Radolfzell und Böhringen. Ihr Profil hat dunkle Erde über den grünen Halmen verteilt und den feuchten Boden freigelegt. Die Rillen führen zu umgestürzten Bäumen. Abgenagt von Bibern überspannen sie den Mühlbach und das Wiesenbächle und ragen auf die angrenzende Wiese. Spuren der Zerstörung von Mensch und Tier. Um die spitzzulaufenden Stümpfe liegen Holzspäne. Fast als wolle dort jemand einen Weg anlegen und ein Zuhause errichten.

Von Bibern gefällte Bäume zwischen Mühlbach und Wiesenbächle.
Von Bibern gefällte Bäume zwischen Mühlbach und Wiesenbächle. | Bild: Rasmus Peters

Unbekannte zerstören Biberdämme

Was ist passiert? Biber hatten im Wasserschutzgebiet Böhringen mehrere Dämme gebaut. Mindestens zehn von ihnen sind nach Polizeiangaben zwischen Donnerstag, 16. März, und Freitag, 17. März zerstört worden. Die Polizei startete dazu jüngst einen Zeugenaufruf. Wer die Dämme zerstört habe, könne derzeit aber noch nicht gesagt werden.

Man habe Ansätze für die Ermittlungen, so Nico Ruiz vom Polizeirevier in Radolfzell. Außerdem werde der Fall auch beim Veterinäramt bearbeitet. Zu diesen Ansätzen dürften die Reifenspuren auf den Reichenauer Wiesen gehören. Ein Kettebagger und ein Traktor sollen sie verursacht haben, so die Polizei. Betroffen seien Dämme „bis hin zur Steißlinger Gemarkung und im Bereich des Wiesenbächles im Gewann Hunderjauchert“.

Zahlreiche Biberdämme sollen nach Polizeiangaben von Landmaschinen im Gebiet der Reichenau Wiesen zwischen Mühlbach und Wisenbächle ...
Zahlreiche Biberdämme sollen nach Polizeiangaben von Landmaschinen im Gebiet der Reichenau Wiesen zwischen Mühlbach und Wisenbächle zerstört worden sein. | Bild: Rasmus Peters

Als Folgen der Abrisse soll es laut Polizei zu Überschwemmung des Bächles gekommen sein, wobei gleichzeitig Teiles des Mühlbachs trockengelegt und damit Fischleich beschädigt worden sei. Das Ausmaß des Schadens sei derzeit jedoch nicht zu ermessen. „Durch die Entfernung der Biberdämme wurde der Lebensraum und die Lebensgrundlage der Biber beeinflusst. Gerade jetzt beginnt eine sehr sensible Zeit für Biber, da die Weibchen zu dieser Zeit erfahrungsgemäß schon tragend sind“, so Polizeisprecherin Katrin Rosenthal über die Folgen für die Tiere.

Biberbeauftragter: „Allmählich ist der Biber überall.“

Der oder die unbekannten Täter haben damit eine Straftat begangen und verstoßen gegen das Naturschutzgesetz. Der Biber stehe in Baden-Württemberg unter strengem Schutz und dürfe nicht bejagt werden, erklärt der Biberberater des Landkreises Konstanz Klaus Kirchmann. Die Regelung wirke sich positiv auf die Biberpopulation aus – jedoch zum Leidwesen der Landwirte. „Allmählich ist der Biber überall“, so Kirchmann. Durch den Dammbau überfluten die Tiere landwirtschaftliche Flächen, die schweren Maschinen brechen in dem feuchten Boden ein.

Doch es seien nicht nur landwirtschaftliche Flächen betroffen, gibt Ariane Amstutz, Pressesprecherin des Landesbauernverbandes an. Auch Straßen oder Spielplätze können unterspült werden, so Amstutz. Außerdem gebe es keine zentrale Stelle, die Biberschäden verzeichnet. Im vergangenen Jahr musste in Radolfzell ein Weg gesperrt werden, weil er durch Bibertätigkeiten überschwemmt worden war. Und durch eine Aufstauung von Oberflächenwasser war es zudem zu einer Verkeimung von Trinkwasser gekommen.

Den Biberbestand schätzen die Regierungspräsidien auf rund 7500 Tiere in Baden-Württemberg. Das hochgeschützte Tier könne auch zum Naturschutzproblem werden, das Artenvielfalt und Biodiversität angreift, fährt die Pressereferentin fort. „Weil er Wiesen unter Wasser setzt und Gehölze fällt, gefährdet der Biber den Lebensraum von Vögeln, Insekten, Reptilien und Würmern“, erklärt sie.

Pilotprojekte zum Bibermanagment auch in Baden-Württemberg

Das Problem: Der Biber hat kaum natürliche Feinde, gibt Biberberater Kirchmann an. Es komme daher hin und wieder vor, dass Menschen im Landkreis zu Selbstjustiz griffen. Allein durch Kämpfe der Biber untereinander könne ihre Bevölkerung nicht mehr gehandhabt werden, so Kirchmann. Etwa in Rielasingen oder der Schwackenreuter Seenplatte gebe es geradezu eine Überbevölkerung.

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Deshalb rief das Land Baden-Württemberg vergangenes Jahr unter anderem in den Landkreisen Biberach, Sigmaringen, Ost-Alb und Ravensburg ein Pilotprojekt zum Bibermanagement ins Leben, dass es erlaubt, die Nagetiere unter bestimmten Umständen zu „entnehmen“ – das heißt, sie bejagen zu dürfen.

Wo eine Umsiedlung nicht möglich ist und dadurch die Problemlage nicht anders lösbar, „erproben wir gegebenenfalls mit der letalen Entnahme als ultima ratio nun eine weitere Option“, so Umweltministerin Thekla Walker in einer Pressemitteilung von März vergangenen Jahres.

Von Bibern abgenagte Bäume überspannen den Mühlbach bei Radolfzell.
Von Bibern abgenagte Bäume überspannen den Mühlbach bei Radolfzell. | Bild: Rasmus Peters

Biber stehen auf der Roten Liste

Doch die Tierschutzbeauftragte des Landesnaturschutzbundes, Verena Schiltenwolf, steht dem skeptisch gegenüber. Der Vorfall in Radolfzell sei bedauerlich, kommentiert sie. Bei allem Verständnis für die Landwirte, hätten jedoch auch Tiere einen Anspruch auf Lebensraum. Der Biber sei vom Aussterben bedroht gewesen und stehe nach wie vor auf der Roten Liste. Der Schutzstatus hänge an EU-Recht und ändere sich nicht wegen eines regionalen Problems.

„Die Bestände sind nicht stabil genug, um ihn ins Wildtiermanagement, also in die Jagd, aufzunehmen“, so die Tierschutzbeauftragte. Der Biber sei im Land ungleich verteilt, es gebe Landkreise, wo es ihn so gut wie nicht gebe. Lange blieben Probleme mit dem Biber aus, weil es ihn schlicht nicht gab, schließt Schiltenwolf. Aus Sicht der Täter wurden die Folgen der ungebremsten Ausbreitung des Bibers schlussendlich wohl zu deutlich spürbar.