Wegen erhöhter Gefahr durch Astbrüche ist der Naturpfad, der vom Mettnauturm bis zur Mettnauspitze verläuft, seit September gesperrt. Es ist nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass instabile Bäume eine Bedrohung darstellen – im Frühsommer hatte ein Ast einen einen Radfahrer zwischen Moos und Iznang erschlagen und im August war ein Stück einer Weide auf ein Auto auf dem Campingplatz Markelfingen gekracht. Und tatsächlich nimmt das Problem zu, wie Baumpflege-Experte Heinrich Holewa von der städtischen Abteilung Landschaft und Gewässer bestätigt. Grund dafür sei der Klimawandel.
Mehr Totholz durch Hitze
In Radolfzell habe sich die Gefahr für die Bevölkerung durch Astbrüche zwar nicht erhöht, „weil man hinterher ist“, wie Holewa erklärt – es gebe Pflegegruppen, die bei Bedarf Bäume sichern. Aber die Bäume seien einer hohen Belastung durch das extremere Klima ausgesetzt. Und das führt zu Schäden: „Wir haben immer mehr Totholz in den Bäumen“, sagt Heinrich Holewa.
Durch Hitze und Trockenheit fehlt es den Gewächsen im Sommer an Wasser. Wenn sie einzelne Äste nicht mehr versorgen können, sterben diese ab – und drohen dann abzubrechen. Ein weiteres Problem: Durch den Hitzestress können die Bäume Schädlinge schlechter abwehren, werden also von diesen leichter befallen.
Pilze können schlechter abgewehrt werden
Und die Hitze hat noch mehr Folgen: Wenn durch die Trockenheit Äste abbrechen oder abgestorbene Äste entfernt werden, entstehen Astwunden, wie Holewa das freigelegte Holz nennt. Dadurch können Pilze eindringen. Auch sie könne ein unter Hitzestress leidender Baum nur schlecht abwehren. Die Folge: Der Baum beginnt zu faulen und wird auch dadurch instabil. Stark von Pilzen zersetztes Holz nehme außerdem „wie ein Schwamm“ Wasser auf und werde dadurch schwer. Auch das erhöht die Astbruchgefahr.
In Radolfzell seien es oft Eichen gewesen, die stark Totholz aufweisen. Auch Linden und Buchen seien betroffen. „Es hängt stark davon ab, wo die Bäume stehen“, erklärt der Baumpflege-Experte. Befinden sie sich neben einer Straße oder einem Weg, leiden sie nämlich nicht nur unter der direkten Sonneneinstrahlung. „Dann kommt auch noch die Strahlungshitze dazu“, so Holewa. Bedeutet: Der Boden reflektiert die Hitze. „Die Bäume bräuchten dann mehr Wasser, um sich selbst zu kühlen, und das haben sie nicht.“
Fokus auf geeignete Bäume
Wie aber lässt sich mit den Problemen umgehen? Heinrich Holewa nennt mehrere Maßnahmen, die bereits laufen. Zum einen gebe es bundesweit bereits Arbeitskreise, die untersuchen, welche Bäume sich wo zur Bepflanzung eignen. Dafür würden Bäume der gleichen Sorte zu Versuchszwecken an verschiedenen Orten, etwa an einer Straße oder auf einer Wiese, gepflanzt und ihre Entwicklung beobachtet werden.
„Und dann sind auch sehr die Baumschulen gefragt“, so Holewa. Bäume, die mit dem Klimawandel sehr gut umgehen können, müssen von ihnen vorgezogen werden. „Das dauert halt immer gleich mindestens sechs bis acht Jahre, bis ein Baum verkaufsfähig ist“, erklärt der Experte.
Ein Baum braucht ausreichend Platz
Aber auch in Radolfzell müssen die Zuständigen es sich „sehr genau anschauen, was für einen Baum man an welchen Standort setzt“, betont Heinrich Holewa. Wichtig sei grundsätzlich, dass ein Baum genügend Platz hat: Es brauche mindestens zwölf Kubikmeter Erdraum, die von einem Baum durchwurzelt werden können. Wo diese nicht zur Verfügung stehen, müsse erweitert werden. „Da ist die Politik gefragt, Geld zur Verfügung zu stellen.“
In Radolfzell gebe es auch Bereiche für Bäume, die aktuell frei bleiben. Früher hätten sich an diesen Stellen Bäume noch besser gehalten, weil es etwa im Sommer öfters geregnet habe. „Aber jetzt schaffen es die Bäume nicht mehr“, so Holewa.
Nicht nur heimische Sorten gefragt
Bei den Sorten komme es zukünftig vermutlich weniger darauf an, ob ein Baum heimisch sei oder nicht, sondern ob er Hitze und Trockenheit standhalten kann. Heimische Sorten sollen dennoch nicht verschwinden, sagt Holewa – wo die Umstände gut sind, würden auch sie noch gepflanzt werden. „So was darf man nicht aussterben lassen“, ist er überzeugt.
Auch sei es wichtig, künftig abwechslungsreich zu pflanzen. So würden auch Schädlinge, die spezifische Sorten befallen, sich nicht mehr so leicht ausbreiten.
Und grundsätzlich werden junge Bäume mit einem Stammschutz versehen, damit sie sich akklimatisieren können, erklärt der Experte. In Radolfzell würden zu diesem Zweck vorwiegend Schilfmatten angebracht werden.
Regelmäßige Kontrollen
Um für die Sicherheit zu sorgen, werden alle Bäume in Radolfzell regelmäßig kontrolliert – sowohl im unbelaubten als auch im belaubten Zustand, wie der Baumpflege-Experte erklärt. Kritische Exemplare würden mindestens halbjährlich überprüft, gesunde Bäume alle ein bis zwei Jahre und junge Bäume etwa alle drei Jahre. Dafür seien alle Bäume digital mit ihren Koordinaten erfasst, dazu gebe es dann auch alle Informationen zu bisherigen Pflegemaßnahmen, Zustand und Sicherheit.

Sollte Heinrich Holewa bei seinen Kontrollen abgestorbene Äste oder andere Schäden finden, kann er den Baumpflegegruppen einen Pflegeauftrag geben. Dabei werden etwa Äste entfernt oder Sicherungen eingebaut, um einen Baum nach Möglichkeit zu erhalten. Ist er nicht mehr zu retten, müsse er abgeholzt werden.
Das sei auch das Schicksal, das drei alte Weiden am Markelfinger Campingplatz ereilen wird. Von einer von ihnen sei im August der Ast auf das Auto einer Familie gefallen. „Die Weiden werden ersetzt“, so Holewa.
Für Kommunen wird es teuer
Grundsätzlich rechnet der Baumpflege-Experte damit, dass künftig sowohl die Pflegemaßnahmen, als auch die Kontrollen intensiver werden. „Da wird jede Kommune künftig mehr Geld in die Hand nehmen müssen“, prophezeit er.