Wer am Bodensee lebt, der kennt sich mit Neozoen mittlerweile bestens aus – denn eingewanderte Tierarten gibt es hier gleich mehrere. Besonders weit verbreitet und dem ein oder anderen als scharfkantiges Hindernis im Wasser bekannt ist die Quagga-Muschel. Aber nicht nur im Tierreich sind Einwanderer aus anderen Ländern zu finden. Auch Neophyten, also gebietsfremde Pflanzen, machen sich in der Region breit.
Nicht alle Neophyten sind problematisch
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ist eine Organisation, die sich in der Region für die Eindämmung der eingeschleppten Arten einsetzt. So fand erst kürzlich im Radolfzeller Aachried eine Bekämpfungsaktion mit Freiwilligen statt, an der sich rund 20 Menschen beteiligten.
Allerdings ist nicht bei allen Arten ein Eingriff nötig, wie Aaron Hahn vom Nabu-Bodenseezentrum erklärt. „Neophyt bedeutet nicht, dass die Pflanze gleich Probleme verursacht“, sagt er. „Problematisch wird es erst, wenn das heimische Ökosystem nicht mit ihr klarkommt“ – also wenn die Pflanze die heimische Vegetation verdrängt. „Dann redet man von invasiven Neophyten.“
Zwei Goldrutenarten machen Probleme
Davon gibt es in der Region mehrere. Aaron Hahn berichtet von vier Arten, die den Nabu beschäftigen. Eine von ihnen ist die Goldrute – genauer zwei bestimmte Unterarten der Goldrute. „Es gibt nämlich noch eine heimische Goldrute, die in Wäldern wächst und unproblematisch ist“, so Hahn. Anders sehe das bei der Riesen-Goldrute und der Kanadischen Goldrute aus.
Die beiden Arten stammen aus Nordamerika und wachsen so hoch, dass sie laut Aaron Hahn die kleine heimische Fauna überragen und ihnen das Licht nehmen. Von der heimischen Goldrutenart, der Echten oder Gewöhnlichen Goldrute seien sie unterscheidbar, da sie kleinere Blütenköpfe hätten. Zudem werde die heimische Art auch nur einen Meter hoch und sei damit wesentlich kleiner als die bis zu zwei Meter hohen Verwandten aus Nordamerika.
In die Region gekommen seien die Goldruten als Zierpflanzen – und auch heute werden sie zum Beispiel von Bienenzüchtern angepflanzt, erzählt Hahn. Denn bei den Insekten kommen sie gut an.
Wie können die Pflanzen bekämpft werden?
Um die Goldruten einzudämmen, arbeite der Nabu auf zwei verschiedene Arten. Zum einen werde versucht, möglichst große Teile des Wurzelstocks aus der Erde herauszureißen. Das Problem: „Es geht fast nie, alles rauszureißen“, so Hahn. Und bleibe nur ein bisschen des Rhizoms übrig, könne sich die Pflanze nachbilden.
Eine andere Möglichkeit sei es, die Pflanzen abzumähen, sodass sich keine Samen bilden. Zudem schwäche dieser Rückschnitt die Pflanzen. Ziel sei auch, dass die umliegende heimische Vegetation die fremden Goldrutenarten überwuchern kann, wenn diese gemäht werden. „Das wirkt schon gut gegen die Goldrute“, sagt Aaron Hahn.
Und es gibt noch einen Hoffnungsschimmer: Wie Aaron Hahn berichtet, sei im Radolfzeller Aachried ein Rostpilz gefunden worden, , der vermutlich ebenfalls aus Nordamerika nachgewandert ist und die fremden Goldruten befällt. „Der natürliche Feind ist also nachgewandert“, sagt er. Allerdings gibt er zu bedenken, dass noch unklar sei, ob der Pilz wirklich eine gute Nachricht ist. Denn womöglich befalle er künftig auch heimische Pflanzen und werde dann selbst zum Problem.
Indisches Springkraut ist leichter zu bekämpfen
Die fremden Goldruten sind nicht die einzigen Neophyten, die schön anzusehen sind. Ebenfalls invasiv ist das indische Springkraut. Es stammt laut Hahn aus Asien und fällt mit seinen rosa Blüten schnell ins Auge. Hauptsächlich im Juli und August bildet es Samenkapseln aus, die auf Berührung aufspringen – so werden die Samen Meter weit geschleudert und die Pflanze vermehrt sich.
„Beim indischen Springkraut funktioniert die Bekämpfung schon besser“, sagt Hahn. Um seine Ausbreitung einzudämmen, müsse es reichzeitig abgemäht werden – nicht zu früh, sonst wachse es nach, aber auch nicht zu spät, weil sich sonst die Kapseln bereits öffnen.
Eine andere Möglichkeit sei es, die Pflanzen auszureißen. Wichtig sei aber sowohl beim indischen Springkraut, als auch bei den Goldruten, dass die Pflanzen nicht wieder auf die Erde geworfen werden. Denn dann können sie wieder anwachsen, so Hahn.
Eindringlinge aus Asien und Nordamerika
Eine weitere invasive Art sei der japanische Staudenknöterich, der laut Nabu bis zu drei Meter hoch werden kann und kleine weiße Blüten sowie herzförmige Blätter ausbildet. Verbreitet wird er laut Aaron Hahn über sein Rhizom, also Wurzelwerk. Die Bekämpfung sei „noch frustrierender“ als bei der Goldrute, denn der japanische Staudenknöterich wachse sehr schnell nach. Fünf bis sechs Mal im Jahr müssen die Pflanzen daher entweder gemäht oder ausgerupft werden, um sie eindämmen zu können.
Vorsicht gilt beim Riesenbärenklau
Besondere Vorsicht gilt beim Eindämmen des Riesenbärenklaus, der im wahrsten Sinne des Wortes riesig ist: Wie der Nabu Bremen berichtet, kann er eine Größe von bis zu vier Metern erreichen. „Der ist sehr gefährlich“, warnt Aaron Hahn. Denn der Neophyt verdrängt nicht nur heimische Pflanzen, sondern weiß sich auch noch gegen Mensch und Tier zu wehren: Wird der Riesenbärenklau verletzt, sondert er einen Pflanzensaft aus, der bei Hautkontakt in Verbindung mit UV-Strahlung schwere Verbrennungen verursachen kann. „Am besten sollte er nicht bei Sonnenschein bekämpft werden“, sagt Aaron Hahn deshalb.
Der Nabu dämme die Pflanzen zum Beispiel bei Regenwetter ein, die Helfer seien zudem komplett bekleidet. Dann werde der Wurzelballen des Riesenbärenklaus mit einem Spaten ausgestochen. Aber: „Zum Glück ist das bei uns ein seltener Neophyt“, so Hahn.