Es werden immer weniger. Als im Mai vor zwei Jahren mit viel Pomp und einer großen Show der Verkauf von ZF TRW an den chinesischen Luxshare-Konzern und damit an die neue Eigentümerin Laichun „Grace“ Wang auf dem Werksgelände gefeiert worden ist, waren am Stammsitz in Radolfzell noch 1100 Mitarbeiter beschäftigt. Seit dem Verkauf firmiert der Automobilzulieferer unter dem Namen „BCS Automotive Interface Solutions“. BCS steht für „Body Control Systems“ und meint die Bedienelemente im Fahrzeug, als „Automotive Interface Solutions“ werden die Schnittstellenlösungen zwischen Mensch und Maschine im Fahrzeuginnenraum bezeichnet.

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Seit der Übernahme 2018 durch Luxshare hat sich BCS am Stammsitz in Radolfzell kontinuierlich von Mitarbeitern getrennt. Beim Sommerfest im Juni 2019 nannte der neue Geschäftsführer Gregor Tschernjavski noch die Zahl von 860 Beschäftigten, Betriebsratsvorsitzender Thomas Kummnik teilt im Mai 2020 – also ein knappes Jahr später – nur noch die Zahl von 788 Mitarbeitern mit, „inklusive von rund 50 Auszubildenden“. Die aufgrund der Corona-Krise ohnehin durch Kurzarbeit gebeutelte Belegschaft muss sich mit weiteren schlechten Nachrichten auseinandersetzen. Die Hälfte aller Stellen in Radolfzell ist in Gefahr. Betriebsratsvorsitzender Thomas Kummnik bestätigt: „Die Stimmung ist schlecht.“

Geschäftsleitung erhöht den Druck

Wie die IG Metall auf einem Fluglatt informiert, habe die Geschäftsleitung ein sogenanntes „Restrukturierungskonzept“ vorgelegt. Es sah vor, dass am Standort Radolfzell zunächst bis Ende 2025 die Zahl der Beschäftigtigten auf 490 reduziert werden sollte. Unter dem Eindruck der Corona-Krise sei der geplante Personalabbau auf nur noch 340 Beschäftigte bis Ende August 2023 noch einmal gesteigert worden. Auf dem Flugblatt heißt es: „Damit entzieht die Geschäftsführung nicht nur den betroffenen Beschäftigten die Existenzgrundlage, sondern setzt den Fortbestand des ganzen Standorts Radolfzell aufs Spiel.“

„Die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes“

Die BCS-Geschäftsführung hat uns folgende Stellungahme geschickt: „Wir bestätigen, dass Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat, der IG Metall und BCS stattfinden. Deren Gegenstand sind Maßnahmen, die den Standort Radolfzell betreffen – stark beeinflusst von der signifikanten Abschwächung des Automobilmarktes und weiter verschärft durch COVID-19. Aktuell kann BCS keine weiteren Details über den Verhandlungsstatus geben, wird dies aber tun, sobald ein Verhandlungsergebnis erzielt wurde. Die Geschäftsführung und der Betriebsrat informieren die Belegschaft regelmäßig über den Verhandlungsstand. Kernthema ist zurzeit die strategische Ausrichtung und Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Radolfzell.“

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Übersetzt könnte das heißen: Unsere Produkte sind nicht mehr so gefragt und ihre Herstellung in Radolfzell ist zu teuer. Thomas Schlicht, Sekretär bei der IG Metall in Singen, wird konkreter: Es gebe nach Auskunft der Arbeitgeberseite nur ein gutes Produkt, das in Radolfzell hergestellt werde, „das ist der Regenlichtsensor“. Der Gewerkschafter kritisiert: Kämen keine neuen Produkte aus der Entwicklungsabteilung, gäbe es keine Perspektive für das Werk. Betriebsrat Kummnik berichtet, „hochvolumige Aufträge“ wie Bedienelemente für Ford würden auslaufen. „Zu viele Knöpfe“, sagt Kummnik. Die zukunftsträchtigen Touchpads würden an anderen Standorten gefertigt und das offenbar billiger. „Wir sind noch das einzige BCS-Werk in Deutschland.“

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Gewerkschafter Schlicht und Betriebsratsvorsitzender Kummnik wollen es der BCS-Geschäftsführung in den Verhandlungen nicht einfach machen. Diese verlange einen Verzicht auf Tariferhöhungen, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ohne Lohnausgleich. „Wir wollen einen Kompromiss, aber nur wenn es Investitionen in einen modernen Betrieb gibt“, sagt Kummnik. Ziel sei es, „so viele Mitarbeiter wie möglich zu halten“. IG-Metall-Sekretär Schlicht setzt auf die Kompetenz des neuen technischen Direktors Daniel Martinez und das Interesse des Luxshare-Konzerns: „Unsere Erfahrung zeigt, dass wir mit chinesischen Eigentümern oft gut zusammenarbeiten können.“