Auch wenn Fußballer gerne 120 Prozent geben, mehr als 100 Prozent ist eigentlich nicht möglich. Nahe dran an diesem Maximalwert ist das Personentransportmittel Seehäsle, das zwischen den Städten Stockach und Radolfzell auf Gleisen hin- und herzügelt. Das sagt einer, der es wissen muss. Ralf Bendl ist Leiter des Amts für Nahverkehr und Schülerbeförderung im Landkreis Konstanz und damit quasi hauptamtlicher Seehäsle-Controller. Er haut einen Maximalwert für den Betreiber der Strecke, die Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH, kurz SWEG, raus. Die SWEG sei ein zuverlässiges Verkehrsunternehmen, die Pünktlichkeit liegt nach seinen Berechnungen im Mittel bei rund 98 Prozent.

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Also ist das Seehäsle nur zwei Prozent vom Maximalwert 100 entfernt. Auf eine Stunde heruntergebrochen verliert das Seehäsle demzufolge nur 72 Sekunden. Aber der Zug ist zwischen Stockach und Radolfzell ohnehin nur mal 18, mal 19 Minuten unterwegs. Rechnen wir mit einer durchschnittlichen Fahrtzeit von 18,5 Minuten oder 1110 Sekunden, dann würde das Seehäsle bei einer 98-prozentigen Pünktlichkeit gerade mal 22 Sekunden verlieren. Oder auf die sechs Haltestellen umgerechnet nur 3,6 Sekunden in Stockach, 3,6 Sekunden in Nenzingen, 3,6 Sekunden in Wahlwies, 3,6 Sekunden in Stahringen, 3,6 Sekunden am Haselbrunnsteg, 3,6 Sekunden im Bahnhof Radolfzell. Eine Winzigkeit.

Was so alles das Seehäsle lahmlegt

Besser geht‘s nicht in der gerechneten Wirklichkeit eines fahrenden Seehäsles. Der normalsterbliche Reisende wäre schon mit weniger zufrieden. Zum Beispiel, dass der Zug fährt und einen mitnimmt. Aber da hat das Seehäsle so seine Aussetzer.

Mal streiken die Lokführer, mal sind sie krank, mal legen Bauarbeiten auf der Strecke den Zug lahm. Und mal kommt das Seehälse nur mit einem Triebwagen – alle, die an Haltestellen nach Stockach und nach sieben Uhr sich nicht in den Zug nach Radolfzell quetschen wollen, stehen dann blöd auf dem Bahnsteig herum. Mal fährt der Zug nur am Morgen und am Mittag der Schienenersatzverkehr. Wegen des Streiks. Mal hält der Bus des Schienenersatzverkehrs in Radolfzell am Millennium-Turm, mal am Haselbrunnsteg und nirgends hängt ein Aushang. Warum, weiß der Busfahrer.

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Im Stechschritt die App aufrufen

Oder, um mit Seehäsle-Aufseher Ralf Bendl zu sprechen, da sei der Fahrgast in der Pflicht: „Allgemeine Infos sollten kurz vor Fahrtantritt eingeholt werden.“ Klar, wenn der Schüler nach Schulschluss auf das Bahngleis hetzt, um das vermeintliche Seehäsle mit dem unglaublichen Pünktlichkeitsquotient von 98 Prozent noch zu erreichen, kann er ja im Stechschritt noch nebenbei die Bahn-App aufrufen.

Frei übersetzt gilt auch hier der Satz von John F. Kennedy: Frage nicht, was das Seehäsle für Dich tun kann, frage, was Du für das Seehäsle tun kannst. Zum Beispiel die Pünktlichkeit nur an den Fahrten bemessen, die das Seehäsle auch tatsächlich fährt. Ist das nicht schön?