Für die Kulturszene der Höri und der gesamten Region ist es ein großer Verlust: Ute Hübner, seit 20 Jahren die Leiterin des Hesse-Museums in Gaienhofen, wird zum Sommer hin ihren Posten verlassen. Grund ist nicht eine spannende neue Herausforderung in einer anderen Einrichtung, sondern mehr die Enttäuschung über den Umgang der Rathausspitze mit ihr. „Die Arbeit im Hesse-Museum ist nach wie vor spannend, eine große Herausforderung und auch stressig, dafür brauchen wir die volle Unterstützung des Bürgermeisters“, fasst Ute Hübner ihre Ausgangslage zusammen.
Ute Hübner vermisst die Wertschätzung für ihr Team und für sich
Diese Unterstützung habe jedoch schon lange gefehlt, zuletzt habe sie auch die Wertschätzung für ihr Team und ihr persönliches Wirken im Museum vermisst. Ihre Kündigung vor einigen Wochen sei demnach eine „Konsequenz aus verschiedenen Erfahrungen“ gewesen, wie sie sagt. Mit dieser Entscheidung jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen sei ihr wichtig, weil einige Gerüchte im Raum stünden, die sie so nicht stehen lassen möchte. „Ich gehe nicht aus gesundheitlichen Gründen“, sagt sie dazu.
Doch was war Stein des Anstoßes? Ende 2021 sei im Gaienhofener Rathaus entschieden worden, eine von zwei Halbtagsstellen im Museum nicht mehr nachzubesetzen. Die Mitarbeiterin wechselte in die Ortsverwaltung und Bürgermeister Uwe Eisch hatte entschieden, für die bisherige 50-Prozent-Stelle einen Minijobber und eine Saisonkraft einzustellen. Diese für das Hesse-Museum wichtige Entscheidungen seien allerdings ohne Absprache mit der Museumsleitung getroffen worden. „Mit mir wurde im Vorfeld zu keinem Zeitpunkt über die Umstrukturierung der Stellen gesprochen, es wurde auch kein Bedarf ermittelt“, sagt die 57-Jährige Ute Hübner.
Nach 20 Jahren als Leiterin des Museums habe sie allein aus Respekt erwartet, dass man sie in solchen Fällen anhört, sagt sie enttäuscht. Für Unverständnis habe auch die Behauptung des Bürgermeisters gesorgt, dass es im Winter keine Arbeit im Museum gebe. Das sei so überhaupt nicht wahr, betont Ute Hübner. Im Winter erledige man alle Arbeiten, die im Sommer zu kurz kämen, wie die Pflege und Reinigung der Ausstattung und Inventur, außerdem habe das Museum auch im Winter geöffnet, der Betrieb laufe weiter.
Finanzielle Engpässe hätte man besprechen können
Für finanzielle Engpässe, gerade jetzt durch die Corona-Pandemie, habe Ute Hübner größtes Verständnis, bekräftigt sie. Über die Notwendigkeit von Einsparungen hätte man aber reden müssen. Sie kritisiert den Umgang und die fehlende Kommunikation mit ihr im Vorfeld der Entscheidung. „Daraus schließe ich fehlende Wertschätzung für mein Team und meine Person“, sagt sie. Schon seit Längerem habe der Bürgermeister sich scheinbar nicht mehr für das Museum interessiert, so ihre Beobachtung. Eine Einladung an Uwe Eisch, sich doch einmal die vergangene Ausstellung „Ins Licht gerückt. Malerei und Grafik aus der Sammlung“ zeigen zu lassen, die unter anderem mit Fördergelder des Landes realisiert wurde, blieb laut Hübner unbeantwortet.
Uwe Eisch teilt auf Nachfrage des SÜDKURIER mit, dass mit der Streichung der Halbtagsstelle die Gemeinde eine Einsparung von rund 12.000 Euro an Personalkosten erreichen würde. Außerdem habe man durch die Saisonkraft während der Hauptsaison im Sommer im Museum mehr Personal zur Verfügung. Die jährlichen Zuschüsse der Gemeinde an das Museum belaufen sich auf rund 280.000 Euro, so Eisch. Deswegen werde man die Winteröffnungszeiten zur nächsten Saison hin prüfen.
Bürgermeister Uwe Eisch will sich nicht genau äußern
Die Frage, ob es einen Austausch mit Ute Hübner im Vorfeld gegeben habe oder wie er die von ihr formulierte Enttäuschung über die fehlende Kommunikation bewerte, hat Eisch trotz detaillierter Nachfrage dieser Zeitung nicht beantwortet. Er teilt stattdessen mit: „Wir alle bedauern es außerordentlich, dass sich unsere langjährige Museumsleiterin entschlossen hat, ihre Stelle zu kündigen. Die Stelle wurde ausgeschrieben und es sind bereits mehrere erfolgversprechende Bewerbungen eingegangen.“ Dass die 50-Prozent-Stelle nicht wieder nachbesetzt werde, habe man der Museumleitung Anfang November mitgeteilt, so Eisch. Der Gemeinderat sei Ende November informiert worden. Es habe dort keine Einwände gegeben.
In der Kulturlandschaft der Region wird Hübners Weggang aus dem Museum als großer Verlust bewertet. Thomas Schmidt, Leiter der Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Württemberg am Deutschen Literaturarchiv Marbach, hat zusammen mit Ute Hübner die Neukonzeption des Hesse-Wohnhauses neben dem Museum und des Museums selbst durchgeführt. Er sieht das Hesse-Museum auf der Halbinsel Höri als kulturellen Leuchtturm. Und dies nicht zuletzt wegen der Leitung. „Ute Hübner hat das Hesse Museum auf exzellente Weise geführt und es zu einem der wichtigsten literarischen Häuser in Baden-Württemberg und der Bundesrepublik gemacht“, so Schmidt.
Forum Allmende für Literatur bedauert den Weggang
Auch Sigmund Kopitzki, Vorsitzender des Forum Allmende für Literatur, bedauert die Kündigung. „Ute Hübner hat das Museum zu dem gemacht, was es heute ist“, sagt er. Seit 2005 bestehe eine Kooperation zwischen der literarischen Gesellschaft und dem Hesse-Museum. „Erfolg hat viele Namen. Für das Hesse-Museum muss ihr Name zuallererst genannt werden“, lobt Kopitzki die Leiterin des Museums.
Im Gaienhofener Gemeinderat verlas Ute Hübner in der Sitzung im Februar eine Stellungnahme, warum sie das Haus zum Sommer verlassen werde. Mechtild Biechele (CDU) äußerte ihre Wertschätzung gegenüber Ute Hübner und ihrer Arbeit. Karl Amann (UBL) dankte ihr „auch von Herzen als Gastronom und als Hotelier im Namen der gesamten Höri“. Viele Gäste seien wegen ihr zu Übernachtungen auf die Höri gekommen, so Amann. Klaus Sturm (CDU) stellte den Antrag, diese Personalfrage nicht-öffentlich zu beraten.
Passiert sei nach der Sitzung allerdings nichts, sagt die Museumsleiterin. Die neuen Mitarbeiter, der Minijobber und die Saisonkraft seien nun da und man habe versucht, sie im Museum zu integrieren. Für Hübner fehlt aber nun die Kontinuität im Haus: „Um das Museum weiterhin auf diesem Niveau führen zu können, braucht es eine gewisse Infrastruktur.“