Allen Schülern die gleichen Lernchancen bieten: Für Bildungseinrichtungen generell eine große Herausforderung – in Zeiten von Corona, in denen der digitale Unterricht eine zentrale Rolle einnimmt, aber eine noch größere. „Der Videounterricht gestaltet sich schwierig“, stellt Angelika Haarbach fest. Die Schulleiterin der Ratoldus Gemeinschaftsschule beschäftigt sich in unserem zweiten Teil der Serie „Unterricht digital“ mit der Frage: Kann der Unterricht auch online funktionieren?
1. Technische Voraussetzungen
Die Ratoldus Gemeinschaftsschule sei laut Angelika Haarbach in der glücklichen Lage, dass alle Zimmer mit Computer, Smartboard und WLAN ausgestattet seien. Zudem habe die Schule durch verschiedene Spenden zwischenzeitlich 100 iPads angeschafft. „Die gute technische Ausstattung für den Präsenzunterricht gilt es nun im Fernunterricht einzusetzen“, gibt die Schulleiterin die Marschrichtung an.
Schüler, bei denen es anfangs an der Ausstattung mangelte, hätten ein iPad ausgeliehen. Außerdem habe man auf einen Antrag der Schulleitung nochmals zusätzlich 30 neue iPads mit Tastaturen erhalten. Dies sei für die älteren Schüler hilfreich, die längere Texte verfassen müssen.
Zu Beginn der Schulschließungen hing der digitale Unterricht, wie Haarbach berichtet, stark von Ausstattung der einzelnen Lehrkräfte ab. Die Lehrer hätten primär ihre eigenen Geräte genutzt. Mit der Wiederaufnahme des Schulbetriebs seien aber immer mehr Kollegen an die Schule zurückgekehrt, um Online-Unterricht zu planen oder Videokonferenzen durchzuführen.
Es scheitert teils an Laptops oder Druckern
Allerdings fehle für die Lehrkräfte eine digitale Lernplattform vom Land, welche Chatfunktionen hat, Video-Konferenzen ermöglicht und bei der man sich gleichzeitig austauschen sowie Dateien bearbeiten kann. Auch bei den Schülern fehle teils eine digitale Ausstattung. Denn selbst wenn alle über ein funktionierendes Endgerät und Internet verfügen würden, scheitere es in vielen Familien an Laptops, Druckern oder Scannern.
Wie die Schulleiterin ergänzt, verzweifle die Schulleitung teilweise an der Ausstattung oder Umsetzung. „Eine umfangreichere IT-Begleitung wäre wünschenswert“, so Haarbach. Zudem sei der Server am Limit: „Er stürzt momentan ständig ab.“ Die Schulleiterin wünsche sich daher ein Programm, welches stabile und datenschutzkonforme Videokonferenzen ermöglicht.
2. Erfahrungen des Homeschoolings
Zunächst sei Zoom genutzt worden. Mit dem Programm habe die gemeinschaftsschule, wie Haarbach erklärt, gute Erfahrungen gemacht. Die virtuellen Treffen seien unkompliziert zu organisieren, die Funktionen einfach und gut zu bedienen. Doch dann sei offiziell von Zoom abgeraten worden sein, da es nicht den Datenschutzrichtlinien entspreche.
Das Problem beim Programm Jitsi sei, dass sich beispielsweise Anrufe nicht terminieren lassen. Zudem werde die Videoqualität bei mehr als zehn Teilnehmern schlecht. Skype eigne sich gut für den Austausch, aber es fehle an der Whiteboard- und Meldefunktion. Jeder Teilnehmer könne außerdem einen anderen aus der Konferenz werfen. Der kommerzielle Anbieter Cisco Webex biete zwar ähnliche Funktionen wie Zoom, sei aber kostenpflichtig nach einer gewissen Probezeit.
Schulleiterin Angelika Haarbach hätte sich von Beginn an eine klare Empfehlung vom Kultusministerium gewünscht. Auch Schulungen zu den einzelnen Anbietern gebe es derzeit noch wenige. „Die Lehrkräfte und die Schulleitung mussten sich in viele Programme selbstständig einarbeiten und ausprobieren“, berichtet sie. Je nach dem Zweck der Videokonferenz eigne sich das eine oder andere Programm besser oder schlechter. Allgemein würden aber häufig technische Probleme den Video-Unterricht oder Konferenzen stören.
Haarbach schildert beispielhafte Probleme
„Bei Einem fällt die Kamera aus, beim Nächsten geht das Mikro nicht – und dann bricht plötzlich die Internetverbindung zusammen“, schildert Haarbach einige beispielhafte Probleme. Diese würden einen reibungslosen Ablauf erschweren. „Der Online-Unterricht ersetzt nur in Ansätzen und übergangsweise den Unterricht vor Ort“, so Haarbach. Zudem sei bei der Organisation des Video-Unterrichts bisher kaum Routine möglich.
Denn jede Woche müsse flexibel geplant werden. „Die interne Vorgabe an unsere Schule ist, dass in jedem Hauptfach einmal in der Woche eine Video-Konferenz stattfindet“, erklärt die Schulleiterin.
3. Rückmeldungen von Eltern und Lehrern
Schulleiterin Angelika Haarbach berichtet, dass viele Eltern sich regelmäßig auf Anfragen zurückmelden und Fragen stellen würden. „Die Eltern zeigen sich dankbar für die enge Betreuung durch die Lehrpersonen. Aber es wird auch deutlich, wie groß die Belastung in vielen Familien ist.“ Es falle einigen Eltern schwer, die Kinder beim Lernen zu unterstützen. Dies sei für die Schulleiterin in der aktuellen Situation aber auch nachvollziehbar.
Für die Lehrer sei die Arbeitsbelastung derzeit enorm hoch. Die Schulleiterin zählt auf: Das Einarbeiten in die Anforderungen des digitalen Lernens, abwechslungsreiche Lernaufgaben stellen, eigene Erklärvideos aufnehmen, Schülerarbeiten im Anschluss wieder einholen, Video-Konferenzen abhalten und regelmäßige Dienstbesprechungen mit dem Kollegium. „Es wird ein hohes Maß an Flexibilität verlangt“, so die Schulleiterin.
4. Das wünscht sich Schulleiterin Angelika Haarbach
Es sei verständlich, dass auch die Schulen in dieser Krisensituation flexibel sein müssen. Dennoch erklärt Haarbach: „Wir würden uns weniger kurzfristige Vorgaben wünschen.“ Irritierend seien ihrer Ansicht nach auch die wiederholten Verweise auf die Dienstpflicht: „Unsere Lehrkräfte arbeiten hochmotiviert und oft am Limit. Es ist selbstverständlich, dass wir nicht in die Corona-Ferien gegangen sind“, stellt sie klar.
Langfristig sollte laut ihr durch die Krise offensichtlich geworden sein, dass die Gelder aus dem Digitalpakt absolut notwendig seien, um die Schulen mit Hardware auszustatten. „Aber wer kümmert sich jetzt um die Software und Wartung der Geräte. Und was nutzen diese ohne eine funktionierende Lernplattform?“, fragt sich die Schulleiterin. Gut geschulte Lehrkräfte könnten dabei zwar mitwirken, aber die Schulen bräuchten dennoch mehr Unterstützung – auch im laufenden Schulbetrieb.
Zudem seien zeitnahe, schulinterne Fortbildungen zum digitalen Lernen nötig. Haarbach stellt fest: „Es fehlt ein einheitliches, landesweites Konzept, das für alle Schulen Richtlinien, Handlungsweisen und Anregungen bereitstellt.“ Eine Internetseite von der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnikist (ZLS) sei dazu zwar gerade im Aufbau, aber „all das geschieht sehr schleppend und legt nur offen, woran es in den letzten Jahren gemangelt hat“, so die Schulleiterin.
Sie bleibe dennoch optimistisch, da sich hieraus Chancen ergeben würden. Angelika Haarbach hoffe, dass die notgedrungene Auseinandersetzung mit digitalen Konzepten die Lernlandschaft positiv verändern werde.