2024 war ein schwieriges Jahr für die Störche rund um Radolfzell. Weil es im Frühjahr und Frühsommer immer wieder regnete und zudem nachts niedrige Temperaturen herrschten, starben viele Jungstörche in ihren Nestern – weil sie erfroren oder in ihren Nestern ertranken. Storchenvater Hanspeter Wickert, der für einen Großteil der Störche im Landkreis Konstanz zuständig ist, schätzte damals, dass ein Dreiviertel der Jungstörche ums Leben kam. Ein Jahr später wird nun etwas klarer, wie schlecht es den Störchen tatsächlich ging und ob das nasse Wetter sich auf die diesjährige Storchenpopulation auswirkt. Die sorgt nicht bei jedem Einwohner für Freude.

Wie hoch die Zahl der toten Jungstörche 2024 schlussendlich wirklich war, kann Hanspeter Wickert zwar nicht sagen. Nicht alle Nester seien einsehbar. „Und es werden auch nicht alle toten Jungstörche aus den Nestern geworfen.“ Allerdings habe es im vergangenen Jahr mehr Nester als sonst gegeben, in denen lediglich ein oder zwei Jungtiere flügge wurden. Ob das daran lag, dass nur sie überlebten, oder ob von vornherein nicht mehr geschlüpft waren, sei nicht klar.

Im Schnitt deutlich weniger Nachwuchs

Auch sei nicht klar, ob wirklich alle toten Jungstörche auf das schlechte Wetter zurückzuführen sind, sagt der Storchenvater. Beim Kriegerdenkmal seien toten Jungtieren die Augen ausgepickt worden – das könnte eventuell an der Stelle auch auf einen Krähenangriff hinweisen.

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Dass 2024 aber generell witterungsbedingt ein schlechtes Jahr war, das bestätigt auch Wolfgang Fiedler, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut in Möggingen. „Grob geschätzt kommen wir auf einen durchschnittlichen Bruterfolg von 1,0 Jungvögeln pro Brutpaar in Baden-Württemberg“, teilt er mit. Das sei deutlich schlechter als sonst: „In einem durchschnittlich guten Jahr sind das um die 1,7 Jungvögel pro Brutpaar.“

Die Hoffnung, dass manche Storchenpaare nach dem Tod ihrer ersten Küken noch eine zweite Brut aufziehen könnten, hat sich laut Hanspeter Wickert nicht bewahrheitet. „Ich habe keine Zweitbrut festgestellt“, berichtet er. Eine solche sei ohnehin sehr selten. Das sagt auch Wolfgang Fiedler: „Störche schaffen es in aller Regel nicht, ein Ersatzgelege zu machen.“

Welche Folgen hat 2024?

Dennoch: „Es war kein Totalausfall“, resümiert Storchenvater Wickert zum vergangenen Jahr. Und ein schlechtes Jahr habe keine negativen Auswirkungen auf die Storchenpopulation – und schon gar nicht unmittelbar im nächsten Jahr. Zum einen seien erwachsene Störche, denen Regen und Kälte nichts anhaben kann, mehrere Jahre geschlechtsreif. Sie können also weiterhin für Nachwuchs sorgen.

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Außerdem verweist Wolfgang Fiedler auf die insgesamt gute Population, „da fallen alle paar Jahre mal stattfindende schlechte Brutjahre so gut wie gar nicht ins Gewicht“. In den 1970er- und 1980er-Jahren sei das noch anders gewesen. „Damals gab es in Süddeutschland so wenig Störche, dass eine schlechte Brutsaison zumindest regional auch das komplette Aus für die winzige Population hätte bedeuten können.“

Viele Störche kehren nicht nach Böhringen zurück

Zum anderen halten sich Jungstörche in den ersten ein bis zwei Jahren meistens durchgehend im Süden auf, ohne in den warmen Monaten nach Deutschland zurückzukehren, so Wickert. Selbst wenn sie wieder zurückfliegen, müsse es nicht sein, dass Jungstörche aus Böhringen sich wieder dort niederlassen. „Nur vereinzelte Störche kommen wieder an ihren Geburtsort zurück“, sagt der Storchenvater. Denn die Störche fliegen im Pulk – und folgen diesem zu anderen Orten. Oft blieben sie dabei zumindest in der erweiterten Region.

„Nur vereinzelte Störche kommen wieder an ihren Geburtsort zurück“, sagt Storchenvater Hanspeter Wickert.
„Nur vereinzelte Störche kommen wieder an ihren Geburtsort zurück“, sagt Storchenvater Hanspeter Wickert. | Bild: Marinovic, Laura

Auch wenn ein schlechtes Jahr einmal tatsächlich für weniger Störche in der Region sorgen würde, gibt Wolfgang Fiedler Entwarnung: Der Bestand an Störchen sei derzeit so gut, „dass größere Lücken auch durch umherstreifende Nichtbrüter gefüllt werden könnten“.

Die Natur regelt sich selbst

Allerdings sorgt der Storch nicht überall für Begeisterung. Florian Zindeler, Bürgermeister von Hohenfels, hat im vergangenen Jahr ein Konzept auf Landesebene gefordert, nachdem 100 Störche im 450-Einwohner-Dorf Mindersdorf für Ärger gesorgt hatten. Dort gab es daraufhin ein Versöhnungsgespräch.

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In Böhringen gibt es derzeit 49 Horste, so Wickert, 2024 wurden noch 55 gezählt. Dass es nun weniger sind, liegt laut dem Experten daran, dass einige Nester abstürzten oder Bäume, auf denen sie sich befanden, wegen Altersschwäche entfernt wurden.

Der Storchenvater glaubt nicht daran, dass es künftig viel mehr Nester geben wird. „Jetzt scheint sich das um die 50 einzupendeln“, sagt Hanspeter Wickert. Denn die Population reguliere sich selbst. Genauer erklärt das Wolfgang Fiedler. „Es wird sinnvollerweise im Kreis Konstanz zur Brutzeit nirgends zugefüttert, das heißt, es gibt hier so viele Störche, wie die Landschaft ernähren kann“, so der Wissenschaftler. „So regelt sich auch der Nachwuchs: Wenn die Eltern nicht mehr genug Futter bringen können, gehen auch die Nachwuchszahlen zurück.“

Mit Problemen muss umgegangen werden

Probleme mit Störchen schließt Fiedler trotzdem nicht aus. „Wenn die Konkurrenz um gute Nistplätze zunimmt, werden auch eher problematische Plätze zur Brut ausgewählt“, erklärt er. Das wären etwa Orten, an denen Storchennester zu statischen Problemen führen oder einen aktiven Kamin verstopfen können. Hier müssten die Vögel unter Umständen vertrieben werden – die Zustimmung der Naturschutzbehörde vorausgesetzt.

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„Das Problem ist, dass der Storch nach wie vor einen hohen Schutzstatus hat und den kann man mit gutem Grund nicht mal eben heruntersetzen, nur weil man lokal meint, es gäbe genügend Störche“, so Fiedler weiter. „Für die Situation, wie mit einer vormals seltenen und jetzt zumindest regional wieder häufigeren Tierart rechtlich umzugehen ist, gibt es leider keine guten Richtlinien und die Leute vor Ort fühlen sich da zu Recht oft alleingelassen.“ Einen Hausbesitzer in Stockach kosteten zwei Ersatznester für Störche beispielsweise knapp 5600 Euro.

Auch Hanspeter Wickert betont, man müsse einen Weg finden, mit solchen Problemen umzugehen – allerdings sei das Thema mittlerweile auch im Landratsamt und im Regierungspräsidium angekommen.