Die Ruine des ehemaligen Hotel Viktoria erhält in diesen Tagen eine ganz besondere Aufmerksamkeit. Denn der Bus des Schienenersatzverkehrs aus Richtung Allensbach hält direkt vor dem Abbruch-Gebäude. Ein unschöner Willkommensgruß für die Besucher aus Konstanz.
Der Besitzer, Immobilien-Investor Bernhard Bihler, ist mit diesem Zustand genauso unzufrieden wie die meisten anderen Radolfzeller. Gerne würde er seinen Plan, ein Gebäude für Gewerbe und Ferienwohnungen, endlich in die Tat umsetzen. An den Plänen wird seit vier Jahren gearbeitet. Wer aber laut Bihler immer wieder Steine in den Weg legt, sei der Gestaltungsbeirat.

Dieses Gremium, bestehend aus Architekten und Vertretern der Fraktionen im Gemeinderat, hatte jüngst die Pläne Bihlers deutlich kritisiert. Architekt Hellmut Raff quittierte den eingereichten Entwurf in der öffentlichen Sitzung des Beirats mit einer Absage: „Was wir heute gesehen haben, kann nicht ernst gemeint sein.“
Bernhard Bihler reicht es. „Der Umgang schockiert mich. Wir sind ein ordentliches Büro und arbeiten seit vier Jahren an diesen Plänen“, sagt er. Das Gremium kritisiere nicht nur unsachlich, sondern befasse sich auch noch mit Dingen, die längst genehmigt worden seien. „Da werden wieder Dinge diskutiert, die längst geklärt sind“, ärgert sich Bihler.
Die Höhe des Gebäudes ist so bereits genehmigt worden
Zum Beispiel die Gebäudehöhe, die mit vier Stockwerken so bereits vom Bauamt genehmigt worden sei. Das geplante Gebäude überrage die Höhe des vorherigen Baus um gerade einmal 80 Zentimeter, erklärt Bihler. Doch auch diese seien genehmigt worden.
Das ursprüngliche Hotel Viktoria hatte nur drei Stockwerke, das Erdgeschoss war aber höher gelegt. Der Gemeinderat hatte Bernhard Bihler aufgefordert, mit dem Gestaltungsbeirat die Fassadengestaltung zu besprechen. „Der Bitte sind wir gerne nachgekommen. Doch auf einmal ging es gar nicht mehr um die Fassade“, sagt der Bauherr. Auf einmal ging es wieder um die Größe, um die Dachform und Stellplätze.
Überhaupt löst die Diskussion um die Dachform bei Bernhard Bihler nur Kopfschütteln aus. Da es für das Areal keinen Bebauungsplan gibt, muss sich jeder Neubau in Größe und Aussehen der umliegenden Bebauung anpassen. Die umliegenden Gebäude haben alle ein Satteldach. Doch diese Dachform hätte der Gestaltungsbeirat in seiner Sitzung Anfang 2018 als zu hoch und zu mächtig abgelehnt, berichtet Bihler. Ihm sei empfohlen worden, mit einem Walmdach zu planen.
Auf einmal soll es wieder ein Satteldach sein
„Für uns war das völlig verständlich, wir haben diese Einschätzung geteilt“, sagt der Bauherr. Nun, zwei Jahre später, kritisiert Architekt Hellmut Raff im Beirat die Dachform erneut. Das 69 Prozent steile Walmdach käme einem Vollgeschoss gleich, es müsse „aber eigentlich ein Satteldach“ sein, so Raff. Bernhard Bihler versteht die Welt nicht mehr. „Ich weiß auch gar nicht, wo diese 69 Prozent herkommen. In unseren Plänen stehen sie jedenfalls nicht“, sagt er.
In der jüngsten Sitzung des Gestaltungsbeirates sei ebenfalls kritisiert worden, es gebe keine Stellplatzlösung. „Wir haben auch noch keine endgültige Lösung. Aber das war auch nicht die Aufgabe des Gestaltungsbeirates“, so Bihler.

Er habe mit dem Gremium an der Fassade arbeiten wollen. Man habe mehrere Optionen zur Auswahl gegeben, aber als Kritikpunkt herausgepickt habe man sich nur den Vorschlag mit Aluminium. Die eigentliche Fassadenentwicklung sei also noch immer nicht geklärt. „Das man so kritisiert und dann einfach heimgeschickt wird, das ist kein schönes Gefühl“, sagt Bihler.
Mit der Stadtverwaltung und dem Bauamt habe man einen guten Konsens und der Bauherr beteuert, auch weiterhin an einer guten Lösung für alle zu arbeiten. Aber die Zusammenarbeit mit dem Gestaltungsbeirat empfinde er als enttäuschend.
Diese sei freiwillig und in keinster Weise verpflichtend, sagt Bihler. In Zukunft werde er sich etwas genauer überlegen, ob er den Gestaltungsbeirat in Anspruch nehmen wolle. „Wir sind aus Radolfzell und wollen für Radolfzell etwas Schönes bauen“, versichert Bihler.
Da es auch erheblichen Widerspruch von Seiten der Nachbarn gegeben habe, habe der Beirat ein Mediationsverfahren zwischen den einzelnen Parteien vorgeschlagen. Bernhard Bihler habe dem bereits zugestimmt. Ob auch die anderen Parteien teilnehmen werden, ist unbekannt.
Die Radolfzeller Stadtverwaltung wolle in diesem Fall keine Auskunft geben, um ihre neutrale Position zu wahren. Bihler verstehe zwar, dass der Neubau einigen die neue Aussicht verbauen würde. Aber: „Es gibt kein Recht auf Seeblick.“