Natalie Reiser

„Stop Kita Kürzungen“ oder die „3 K Regel für Radolfzell“ war auf Schildern zu lesen, die Kinder vor dem Milchwerk in die Höhe hielten. Ihre Eltern waren mit ihnen auf den Platz vor dem Milchwerk gekommen, um friedlich gegen die Streichung von Betreuungsplätzen und die Kürzung von Betreuungszeiten in Kindergärten zu protestieren. Der Gesamtelternbeirat der Kindertagesstätten (GEB Kita) hatte zu der Demonstration aufgerufen, um die Verantwortlichen der Stadt vor der dort stattfindenden Gemeinderatssitzung aufzufordern, für eine verlässliche Kinderbetreuung zu sorgen.

„Ein Platz für jedes Kind“ – um dies zu unterstreichen, malten die Demonstranten ein Männchen auf den Platz.
„Ein Platz für jedes Kind“ – um dies zu unterstreichen, malten die Demonstranten ein Männchen auf den Platz. | Bild: Natalie Reiser

Die Forderungen des GEB Kita sind nicht neu. Bereits seit einigen Jahren macht die Interessenvertretung der Eltern die Stadt darauf aufmerksam, dass eine große Anzahl an Betreuungsplätzen für Kinder fehlen. Maria Friedlein ist aus diesem Grund zur Demonstration gekommen. „Seit Jahren ändert sich nichts“, sagt die Mutter, die als Erzieherin arbeitet. Für ihre Tochter habe sie durch Zufall einen Platz im Kindergarten bekommen. „Durch den Umzug einer Familie war ein Platz frei geworden“, erzählt sie.

Jacqueline Meister hatte weniger Glück. Für ihre Tochter, die im Mai drei Jahre alt wird, habe sie noch keinen Platz in Aussicht, erzählt die Mutter. Fünf Absagen habe die Familie bereits erhalten. Auch für ihren sechs Monate alten Sohn sehe es nicht besser aus. Zwei Wochen nach der Bewerbung um einen Krippenplatz habe sie die erste Absage bekommen. „Man muss doch irgendwann mal wieder arbeiten“, meint die junge Frau, „ich weiß gar nicht, wie das gehen soll.“ Um zu unterstreichen, dass jedes Kind einen Platz im Kindergarten bekommen sollten, hat der GEB Kita Straßenkreide mitgebracht. Die Kinder malen damit Männchen auf den Asphalt. Zu Beginn der Gemeinderatssitzung ist der Asphalt voller Strichmännchen.

Eltern demonstrieren in lockerer Atmosphäre vor dem Milchwerk, um Gemeinderatsmitglieder vor der Sitzung im Milchwerk darauf aufmerksam ...
Eltern demonstrieren in lockerer Atmosphäre vor dem Milchwerk, um Gemeinderatsmitglieder vor der Sitzung im Milchwerk darauf aufmerksam zu machen, dass sie auf eine Betreuung ihrer Kinder während ihrer Arbeitszeit angewiesen sind. | Bild: Natalie Reiser

Auf einem Flyer sind die Forderungen der Elternvertretung zu lesen: Der GEB fordert einen Betreuungsplatz für jedes Kind. Dazu sollte der Kita-Ausbau Priorität erhalten. Neubauten sollten in Verantwortung der Stadt geplant und realisiert werden, ohne auf fremde Investoren zu warten. Als Beispiel nennt Julia Birster, Vorsitzende des GEB, die Planung des Kindergartens in der Hebelstraße. „Der Bau war für 2020 geplant, doch durch verschiedene Entscheidungen des Gemeinderats und die Suche nach einem Investor hat sich alles verzögert. Die Plätze fehlen.“ Zudem sei es in verschiedenen Einrichtungen immer wieder zu kurzfristigen Kürzungen der Betreuungszeiten gekommen, berichtet Birster: „Die Kürzungen ziehen sich durch. Diese Situation haben wir seit langem.“

Anlass zur aktuellen Demonstration waren Kürzungen im Kinderhaus Bullerbü in Möggingen. Sieben Ganztagesplätze mit 45 Stunden für über dreijährige Kinder, die erst vor einem Jahr eingerichtet worden waren, wurden aufgrund von akutem Personalmangel für dieses Jahr wieder gestrichen. Zusätzlich sind die Betreuungszeiten für Kinder im Ganztagesbereich um fünf Stunden gekürzt worden. Obwohl mittlerweile neue Erzieherinnen eingestellt werden konnten, würde eine Wiederaufnahme der ursprünglichen Betreuungszeiten vom Rathaus ausgeschlossen, so der GEB Kita.

Das Männchen weint – viele Kinder bekommen keinen Kindergartenplatz in Radolfzell.
Das Männchen weint – viele Kinder bekommen keinen Kindergartenplatz in Radolfzell. | Bild: Natalie Reiser

Der GEB Kita fordert eine verlässliche Kita-Betreuung für alle Kinder, damit dem Recht auf frühkindliche Bildung entsprochen werden könne und Familien nicht in alte Rollenbilder gedrängt werden. Ganztagesplätze sollten nicht abgebaut werden. Um ausreichend Plätze für Kinder zur Verfügung stellen zu können, fordert der GEB Kita die Stadt auf, für Kita-Neubauten die Verantwortung zu übernehmen und nicht auf fremde Investoren zu warten. Um- und Ausbauten bestehender Kindertagesstätten sollten priorisiert werden, so der GEB. Bei Engpässen sollten kurzfristige Lösungen geschaffen werden.