Die Szene war ungewohnt. Narrizella-Präsident Martin Schäuble steht am 6. Januar um 11.11 Uhr an dem bekannten Tonnen-Rednerpult, die Klepperle in den Händen und singt die erste Strophe des Narrenliedes „Jo mir Zeller“. Soweit ist alles wie immer.
Die Fasnacht in Radolfzell ist offiziell eröffnet. Doch das war es auch mit den lieb gewordenen Traditionen. Der Frühschoppen der Männer, sonst ein erster Höhepunkt der Fasnacht, ist wegen Corona ersatzlos ausgefallen.
Pressekonferenz statt Frühschoppen
Stattdessen trifft man sich zu einer Pressekonferenz im kleinen Rahmen im Zunfthaus, bei Kaffee ohne Milch und Butterbrezeln. Auch eine Frau sitzt mit am Tisch. Diese Fasnacht startet in der Tat ganz anders als sonst.
Auch Narrenpräsident Schäuble fremdelt mit dem Szenario. „Es ist eine komische und sehr spezielle Zeit“, sagt er. Nur 1991 war der Männer-Frühschoppen wegen des Golfkrieges ausgefallen. Damals wurde die komplette Fasnacht abgesagt.

Davon möchte man heute nichts hören, denn die Fasnacht findet statt, nur eben „auf das nötigste reduziert“, wie Schäuble betont. Dabei will sich die Narrizella so weit es geht an die traditionelle Fasnacht und ihren Kalender richten. Veranstaltungen soll es keine geben, aber das Brauchtum solle nicht ganz ausfallen.
Wie Schülerbefreiung, Machtübernahme, Narrenbaumstellen, Narrenbaumfällen und Fasnachtsverbrennen umgesetzt werden können, bespreche die Narrizella gerade mit den Schulen und der Stadtverwaltung. Denn was umsetzbar sei, das wolle man auch machen.
Die Holzhauergilde halte weiterhin an ihrem Plan fest, den Narrenbaum in aller Heimlichkeit ohne Publikum zu stellen. Dennoch throne über allen Plänen die Corona-Verordnung, an die man sich unter allen Umständen halten wolle, so Schäuble.
Das komplette Geschehen werde sich auf die zwei Wochen vor Aschermittwoch konzentrieren. Welche Regeln im Februar gelten, sei aktuell noch unklar, so Schäuble.

Fehlen werde es allerdings nicht an Dekoration, die werde trotz allem im Zunfthaus aufgehängt. Auch haben Radolfzeller Narren die Chance ihr eigenes Zuhause für den Hausball aufzuhübschen. Die Narrizella hat ein Fasnacht-Dehom-Paket geschnürt mit allerlei Dekorations-Utensilien.
Mit drin ist auch eine „Büttenrede zum selber Schwätze“, die Lothar Rapp für alle Narren für die Wohnzimmer-Bütt geschrieben hat. Für närrische 11,11 Euro soll es dieses Paket bei Spielwaren Swars geben, in der Hoffnung dass der Einzelhandel im Februar wieder geöffnet hat.
Auch andere Utensilien sowie Fasnachts-Musik der Holzhauermusik, der Narrenmusik und der Froschenkapelle auf CD soll es zu kaufen geben. „Hauptsache die Leute machen es sich zu Hause schön und feiern im kleinen Kreis“, so die Hoffnung des Narrizella-Präsidenten.
Auch neue Traditionen sollen fortgesetzt werden. Die Blutspende-Aktion Narrenblut tut allen gut soll am 15. Januar von 14 bis 19 Uhr im Milchwerk stattfinden.
Wie es allerdings aktuell üblich ist, müssen Spender vorher einen Termin beim DRK Blutspendedienst unter https://terminreservierung.blutspende.de/m/radolfzell-tkm ausmachen. „Wir hoffen, dass es wieder so gut angenommen wird. Blut ist gerade jetzt Mangelware, da wollen wir unseren Beitrag leisten“, sagt Schäuble.
Das Preiskleppern fällt erstatzlos aus
Ausfallen wird das Preiskleppern des Turnvereins. Man habe verschiedene Möglichkeiten im Milchwerk angedacht, doch sei die Lage schlicht zu unsicher für solch eine Veranstaltung.
Auch der Plan einen Live-Stream aus dem Zunfthaus zu machen sei aktuell in der Warteschleife. Die Corona-Verordnungen ließen keine Dreharbeiten zu. Aus diesem Grund sei auch die Narrenreise im Rahmen der Heimattage 2021 in Radolfzell verschoben worden.
Wegen der Pandemie habe man diese ohnehin als Video-Projekt umgeplant. Doch auch diese Dreharbeiten seien ebenfalls für den Moment abgesagt. Ebenfalls nicht stattfinden könne der närrische Unterricht. Hanselemutter Sandra Hain wolle auf die Schulen und Kindergärten zugehen und Lehrmaterial zur Verfügung stellen.
Eine besondere Rolle während der Fasnacht nehme laut Martin Schäuble der Kappedeschle ein. Deswegen werde die 52. Ausgabe der Narrenzeitung auch früher veröffentlicht und verkauft. Wie seit vielen Jahren hat sich Lothar Rapp um den Inhalt gekümmert. „Obwohl nichts los war, haben wir dennoch 72 Seiten“, sagt Rapp.
Besonders freut er sich, dass die Anzeigenkunden treu geblieben sind. Geehrt werden in der Ausgabe auch einige verstorbenen Mitglieder und Freunde der Zunft: Rainer Alferi, der auch das Cover ziert, und Herbert Vittel sowie der ehemaligen Kreisarchivar Franz Götz, der ab und zu für die Narrenzeitung geschrieben hatte.